20. Entführt

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Missmutig starrte Harry aus dem Zugfenster auf die vorbeiziehende Landschaft, die von dicken wattebauschartigen Schneeflocken in ein weißes Zauberland verwandelt wurde.

Vor ihm lag das erste Weihnachtsfest, dass er nicht bei der Familie Weasley verbringen würde.

Er vermisste das heitere Chaos im Fuchsbau schon jetzt. Die Tonnen von Plätzchen, welche Mrs. Weasley immer für sie buk, den schiefen Weihnachtsbaum und die Schneeballschlachten mit den Weasley Brüdern, welche jedes Mal in einen halben Krieg ausarteten.

Dieses Jahr würde er die Feiertage nicht dort verbringen. Wie konnte er auch erwarten, dass Draco Malfoy, selbsternanntes Oberhaupt der Schlangen, zusammen mit den Weasleys Weihnachten feierte?

Nein. Natürlich tat er das nicht.

Und da er Malfoys Nähe brauchte, hatte er keine andere Wahl, als ihm zu folgen.

„Potter! Starr nicht so trübsinnig vor dich hin“ meckerte eben dieser nun leicht verstimmt. Harry schaute nicht auf den Blonden, welcher ihm direkt gegenüber saß, sondern sah weiter verträumt auf die Schneeflocken.

„Entschuldige, dass ich keine Luftsprünge mache, wenn ich mit deiner Familie Weihnachten feiern muss. Das ist absolut verrückt. Harry Potter zu Gast bei den Todessern“ murmelte er vor sich hin. Malfoy zog ärgerlich die Augenbrauen zusammen.

„Oh, ist es dem Retter der Zauberwelt nicht genehm, mit jemandem wie mir Weihnachten zu feiern? Was würde nur die Presse dazu sagen? Ich seh schon die Schlagzeile: Harry Potter ein Todesser? Dein Image wäre ruiniert…“ spottete Malfoy sarkastisch.

"Die Presse ist mir scheiß egal“ erwiderte Harry lahm.
„Ach, scheiß egal, also…? Was sie wohl sagen würden, wenn sie wüssten, dass ihr heiliger Held mir einen geblasen hat?“

Sofort wirbelte Harry herum und fixierte Malfoy nun doch mit einem ärgerlichen Ausdruck. Augenblicklich war er in den sturmgrauen Augen gefangen, verlor sich in dem spöttischen Lächeln, welches provokant auf Malfoys Lippen lag.

„Halt die Klappe! Du hast versprochen, das nicht mehr zu erwähnen“ zischte er leise und hoffte leicht panisch, dass niemand ihre Unterhaltung belauschte. Sie waren allein in ihrem Abteil, doch seit es Fred und Georges Langziehohren gab, traute er keinem noch so gut verriegelten Raum mehr. Zu allem Übel schlich sich nun auch noch eine völlig überflüssige Röte auf seine Wangen, als er unweigerlich an die verhängnisvolle Nacht dachte, von der er seither öfter träumte, als gut für ihn war.

„Hör auf zu heulen, Potter. Es sind nur drei Tage. Die wirst du schon überleben.“ Ein seltsamer Unterton schwang in Malfoys Stimme mit, den Harry nicht genau definieren konnte. Doch irgendwie wirkte der Slytherin plötzlich müde und traurig, als er schnell den Blick abwandte und nun seinerseits entschlossen aus dem Fenster starrte.

Neugierig wanderten Harrys Augen über Malfoys schönes Gesicht, die fein definierten Züge und seine athletische Gestalt. Ihn schien der Gedanke, zusammen die Feiertage zu verbringen, überhaupt nicht zu stören. Merkwürdig.

Fast schien es, als hätte er sich darauf gefreut.
Innerlich schüttelte Harry den Kopf. So ein Blödsinn. Was auch immer in Malfoys Kopf vor sich ging, das war es ganz sicher nicht.

Den Rest der Fahrt schwiegen beide. Der Hogwartsexpress ratterte über Wiesen und durch kleine verschneite Dörfer. Doch so sehr er es versuchte, Harry konnte den Zauber der Weihnacht nicht in sich aufnehmen. Es war egal, an wie vielen schön geschmückten Häusern sie vorbeifuhren. In seinem Inneren herrschte eine gedrückte Stimmung.

Er würde Malfoys Zuhause sehen. Seine intimsten Rückzugsorte. Sie fuhren zu dem Ort, an dem der Blonde seine Kindheit verbracht hatte.

Trotzdem sah dieser angespannt und bedrückt aus. Noch nie hatte Harry jemanden gesehen, der sich so wenig auf das Weihnachtsfest und seine Familie freute, wie dieser Junge vor ihm.

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