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MEDINA


"Ist dir langweilig hier?" fragte mich seine Großmutter, die keinen Akzent hatte. Keiner von ihnen hatte wirklich einen schlechten Akzent. Sie sprachen genauso gut arabisch wie ich es tat.

"Nein, es ist eigentlich sehr entspannend hier." erklärte ich ehrlich, als ich die Rosen wieder ansah, die im Garten wuchsen. Dieser Garten war unglaublich schön, nur war es etwas traurig hier zu sein.

Ich saß nämlich schon seit Tagen alleine hier rum und dachte über alles möglich nach. Hin und wieder, las ich auch ein Buch und wurde auch immer besser darin, spanisch zu lernen.

Zumindest verstand ich die Bücher immer besser, die ich versuchte zu lesen.

"Aber du vermisst ihn." sprach seine Großmutter mich an, bevor ich schwach lächelnd den Teich ansah, in dem Fische waren und ich einmal leicht nickte. "Ja. Es ist komisch." gab ich von mir, während ich an Manuel dachte.

"Früher habe ich nie geglaubt, dass man jemanden, in so kurzer Zeit, so sehr vermissen kann." erklärte ich ihr leise und sah in ihrem Gesicht dann ein schwaches Lächeln. "Das freut mich zu hören. Ich glaube noch keine Frau hat je so über ihn gesprochen." erklärte sie mir dann, was ich nicht verstand.

Er war ein unglaublicher Mann. Wieso hatte ihn noch keine Frau vermisst?

Seine Abuela, wie er sie nannte, lachte leise, als sie meinen leicht traurigen Blick darüber sah.

"Versteh mich nicht falsch. Es gab mehr als genug Frauen, die von ihm angetan waren, aber es war nie wirkliche Liebe dabei." erklärte sie mir und auch wenn ich das schon eher glaubte, störte es mich nun doch.

Ich kannte dieses Gefühl erst seit ich Manuel kannte und wir uns näher gekommen waren. Es war Eifersucht. Bittere Eifersucht, die sich in mir breit machte, wenn ich dran dachte, dass er so viele andere Frauen haben konnte.

"Wie war er als Kind?" fragte ich sie, nachdem ich diese Gedanken abgeschüttelt hatte und ich die Gelegenheit nutzen wollte, mehr über ihn zu erfahren. Manuel sprach kaum über die Vergangenheit und jedes Mal wenn er es tat, sah er traurig und verletzt aus. 

"Manu war ein sehr aufgewecktes Kind. Ist er auch heute noch." erwiderte sie und schien nun selber zu überlegen, ehe sie sich von der Bank erhob und sie mich ansah. "Ich zeige dir ein paar alte Kinderbilder. Ich denke sie zeigen am besten, wie seine Kindheit war." lächelte sie schwach und bot mir ihre Hand an.

Ich legte meine Hand in ihre und ging ihr dann hinterher bis hin zu einem Raum, vor dem sie stehen blieb und sie die Türe dann öffnete.

In dem Zimmer in das wir gingen, waren unzählige Bilder die an den Wänden hangen und Bilder die an den Wänden lehnten.

Sie ging so weit rein, bis sie vor einigen stehen blieb und sie aus einem Schrank ein paar Bilder rausholte und sie mit denen in der Hand zu mir zurück kam.

Ich musste nur das erste Bild ansehen um zu wissen, wie einsam er war in seiner Kindheit. Auch wenn so viele Kinder um ihn herum waren, sah ich in diesen großen Kinderaugen direkt, wie einsam er war.

"So ein schönes Kind." lächelte ich trotzdem leicht, als ich mit meinen Fingern leicht über ihn streichelte und ich ein weiteres Bild ansah, dass genau beschrieb, was ich mir dachte.

Auf dem Bild waren alle Kinder zusammen an einem Tisch versammelt. Nur Manuel, stand etwas weiter weg, auch wenn er auf dem Bild lachte, sah es für mich nicht nach einem echten Lächeln aus.

"Warum wurde er immer ausgeschlossen?" fragte ich seine Abuela und sah ein weiteres Bild. Es war immer der selbe Ausdruck in seinem Gesicht. "Er hielt sich selber immer fern von allen. Außer es gab auseinandersetzungen mit anderen, da war er der erste der sich einmischte." erklärte sie mir leise lachend, als sie mir ein anderes Bild zeigte auf dem er alleine zu sehen war mit einer Frau, von der er sein unglaublich schönes Lächeln hatte.

Sie hatte es nämlich auch.

"Seine Mutter." es war eher eine Feststellung, als eine Frage, aber seine Großmutter nickte einmal leicht während sie traurig drauf sah. "Sie starb sehr früh aber hat ihm und seinen Brüder so viel Liebe gegeben, wie eine Mutter es konnte." sprach sie schwach lächelnd weiter.

Es schien mir so, als hätte sie Manuel's Mutter gern gehabt.

Vielleicht war sie ja sogar ihre Tochter. Ich wusste schließlich garnicht, welche Großmutter das war. Aber sie wollte ich auch nicht fragen. Nicht nachdem sie so traurig auf das Bild sah.

"Wann kommt er wieder?" fragte ich sie nachdem ich mir weitere Bilder angesehen hatte und ich mich damit abfand, dass ich die einzig wirklich glücklichen Bilder von ihm nur sah, wenn er mit seiner Mutter war.

Alles andere deprimierte mich nur.

"Er wird eine Zeit lang weg sein. Wann genau er wieder kommt, kann ich dir nicht sagen. Aber mach dir keine Sorgen. Manuel ist ein Überlebenskünstler. Egal wo er ist." sagte sie dann und das wusste ich auch selber, nachdem ich gesehen hatte, wie er aus dem Fenster mit mir gesprungen war.

Ein Überlebenskünstler.

Das würde ihn sehr gut beschreiben, wenn ich ganz genau drüber nachdachte.

"Kann ich noch etwas hier bleiben?" fragte ich sie, als sie schon wieder gehen wollte, ich mir aber noch etwas Zeit nehmen wollte, mir andere Bilder anzusehen. Es waren schließlich mehrere Tausende, die hier hangen und standen.

"Natürlich. Du kannst jedes Zimmer hier betreten. Würde an deiner Stelle nur vorher anklopfen." sagte sie, bevor sie mich dann angrinste. "Anstand wird hier nicht sehr groß geschrieben. Das würde dich nur verstören." lachte sie und ging dann einfach, während ich über ihre Worte nachdachte und ich dann erst verstand, wieso ich klopfen sollte.

Die Bilder verdrängte ich sofort wieder, bevor ich mich den vielen verschiedenen Bildern zuwandte.

Es waren nicht nur Bilder der Familie, es waren auch Gemälde, von denen ich gelesen hatte. Wenn sie echt waren, mussten diese mehrere Millionen Wert sein, weswegen ich nicht mal wagte eines von ihnen anzufassen.


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MANUEL


"Nehmen wir ihn mit nach Mexiko?" fragte Raf mich, als er gemeinsam mit mir zusah, wie Ilias seine wohlverdiente Rache nahm. Aber ihn ganz umbringen würde er nie. Das würde er wahrscheinlich Noura überlassen. Sie hatte schon Menschen getötet in der Vergangenheit. Schon einige ehrlich gesagt und das tat sie immer sehr gewissenhaft.

"Ja. Dann haben die anderen auch noch was von ihm." sprach ich aus und sah men Handy an, bevor ich den Raum verließ und ich Alba's Namen las.

"Was willst du?" fragte ich sie direkt, nachdem ich ranging. Sie schluchzte am Telefon, ohne ein Wort zu sagen, was mich jetzt schon nervte. "Was ist passiert Alba?" fragte ich sie dann, da sie noch immer nur weinte und ich sie zwar nie geliebt hatte, aber sie weinen zu hören, war trotzdem schon immer meine Schwäche gewesen.

Weinende Frauen im Allgemeinen.

Das erinnerte mich immer an meine Mutter.

Sie hatte die letzten beiden Jahre vor ihrem tot, jeden Tag im Bad gesessen und geweint. Sich die Tränen weggestrichen und ein Lächeln aufgesetzt, sobald wir unter Menschen waren und meine Familie dabei war.

"Können wir uns sehen? Nur noch ein letztes Mal." weinte sie, ehe ich tief durchatmete. Es fühlte sich nicht richtig an Medina gegenüber, aber Alba und ich hatten Jahre zusammen verbracht und vielleicht schuldete ich ihr das.

Das sie mich nochmal sah und sie mich hoffentlich anfing zu hassen, damit ich meine Ruhe davor hatte.

"Okay. Ich komme sobald ich hier fertig bin." sprach ich aus und legte auf. Sie wusste ich würde sie immer finden, ganz egal in welchem Loch sie sich verstecken würde. Das war einer der Gründe wieso sie nie versucht hatte abzuhauen, als wir noch verheiratet waren.


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