#25 Männerstolz & seine Nebenwirkungen

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„Wie um alles in der Welt verschwindet eine solche Menge an Kleidung?", sprach ich meine Gedanken laut aus. Lou hörte mit ihrem hin und her rennen auf und stützte einen Arm in die Hüfte, mit der anderen Hand rieb sie sich über die Stirn. „Wenn ich das bloß wüsste!"
„Und was machen wir jetzt?", fragte Harry und sah in unsere genauso ratlosen Gesichter.
„Keine Ahnung. Aber wir können schlecht einfach durch eine Shoppingmeile spazieren und neue Klamotten kaufen gehen", bemerkte Zayn missmutig. Lous Kopf schnellte in die Höhe und sie strahlte Zayn übers ganze Gesicht an. „Das ist es! Zayn du bist ein Genie!"
Der zog die Augenbrauen zusammen. „Äh, danke. Aber warum?"
„Lou wir können nicht einfach shoppen gehen", sagte Liam, der wohl begriffen hatte worauf Lou hinauswollte.
„Nicht ihr", sagte Lou augenverdrehend und sah dann zu mir. „Sie!"

***

Ich würde nie wieder mit einer Boyband auf Tour gehen, soviel stand fest. Nach Lous großartigem Vorschlag hatten sie mich in einen Van verfrachtet und mich mit Viktor, einem Bär von einem Mann, neue Klamotten kaufen gehen geschickt. Mein Protest war einfach ignoriert worden und so hatte ich mich am Ende geschlagen gegeben. Lou hatte mir eine Menge Anweisungen gegeben, von der ich mir aber nur die Hälfte merken konnte. Nachdem ich drei Mal nachgefragt hatte, hat sie mir kurzerhand einen Zettel geschrieben.

Nur fünfzehn Minuten nach dem Gespräch, saß ich in einem Van mit dunkel getönten Scheiben, einem Zettel in der Hand und einem unheimlich aussehenden, anscheinend stummen Viktor. Anfangs der Fahrt hatte ich mich nicht getraut mit ihm zu sprechen, musste ihn dann aber doch kurz beten beim Hotel halt zu machen. Davor hatte eine hibbelige Anna gewartet, der ich wenige Minuten zuvor eine Sms geschickt hatte, damit sie mit mir mitkam. Wenn ich schon für eine Boyband shoppen gehen musste, dann nicht ohne moralische Unterstützung einer Gleichgesinnten. Nachdem Anna im Wagen war, fühlte ich mich gleich etwas wohler und ich erzählte ihr was so alles abgelaufen war, seit wir heute Morgen gelandet waren. Es war nicht zu fassen, wir waren erst heute Morgen in Osaka gelandet – unglaublich. Die Scheiße die mir seit da passiert war, erlebten andere in einer ganzen Woche nicht.

„Also wenn Jose mein Freund wäre, hätte ich den schon lange nach Timbuktu verfrachtet", sagte Anna gerade und schnaubte abfällig.
„Ich weiß schon. Aber was soll ich machen? Ich liebe ihn." Ich fühlte mich in dieser Angelegenheit so richtig hilflos. Liebe ist manchmal ein Schweinehund. Anna fasste meine Hand und ich drückte sie dankbar.
„Ich will dir ja nicht zu nahe treten", erklang es plötzlich vom Fahrersitz und ich sah dass Viktor uns durch den Rückspiegel beobachtete. „Aber ich glaube dein Freund hat Angst."
Ich war zu überrascht um zu fragen, warum Jose Angst hatte. Viktor konnte sprechen! Das machte mich erst einmal baff.
„Warum Angst?", fragte Anna für mich. Auf die Antwort war sie anscheinend genauso gespannt wie ich. Wir lehnten uns ein wenig zu Viktor nach vorne. Dieser fuhr sich nachdenklich über den geschwungenen Schnauzer.
„Naja, überlege dir das mal aus seiner Sicht. Deine Freundin ist mit einer Gruppe gutaussehender, berühmter, reicher Jungs auf einer Welttour. Versteht sich anscheinend blendend mit ihnen und dann taucht auch noch wunderbarerweise ein Foto von ihr und einem von denen in der Zeitung auf. Überleg dir mal was du davon halten würdest. Ich fände das auch nicht so toll, muss ich ehrlich sagen. Und dann, als wärst du noch nicht verunsichert genug, ruft dich genau dieser Typ an, der auch auf dem Foto ist. Ich weiß nicht ob ich ihm wirklich glauben würde, oder ob ich denken würde, dass er eben doch etwas mit meiner Freundin hat und bloß sagt dass ihr nichts habt, weil sie ihn darum gebeten hat. Das ist es was ihm Angst macht. Er hat Angst dich zu verlieren. Aber er will nicht um euch kämpfen, wenn dein Herz einem anderen Gehört. Denn wenn er um etwas kämpfen würde, ohne die Aussicht darauf, jemals zu gewinnen, dann würde er sich zum Narren machen. Und sein Stolz verbietet ihm das."

Jetzt war ich komplett Baff. Noch nie hatte jemand die Situation so gut dargestellt wie Viktor.
„Also du...du denkst er glaubt mir gar nicht wirklich?", schlussfolgerte ich stockend und musste zusehen, wie Viktor nickte.
„Leider ja." Voller Mitleid sah er mich an.
„Und was bitte soll ich dagegen unternehmen?"
„Zeig ihm dass du ihn wirklich liebst. Von ganzem Herzen." Wenn das doch so einfach wäre.

***

„Nie wieder!", schnaufte Anna und ließ sich auf den Sitz fallen. Stöhnend ließ ich mich neben sie, ins Auto plumpsen.

„Das kannst du laut sagen!"

Wir hatten gerade zwei Stunden lang umringt von Männerklamotten verbracht. Ich hatte zum Glück alles auf Lous Liste berücksichtigt und hoffentlich nichts vergessen. Wir waren durch etwa drei Shoppingcenter gejoggt, um alles zusammenzusuchen. Viktor war uns dabei eine riesen Hilfe. Er trug alle Tüten und wenn die Leute ihn sahen, machten sie einen großen Bogen um ihn herum. Nachdem er mir im Auto die Augen wegen Jose geöffnet hatte, hatte er einen Witz nach dem anderen gerissen um mich aufzumuntern. Ich hatte ihn komplett falsch eingeschätzt. Viktor war groß und muskulös. Tätowiert, hatte eine Glatze und einen Biker-schnauzer. Er sah zum Fürchten aus und doch war er wohl einer der witzigsten und liebsten Menschen den ich je in meinem Leben getroffen hatte.
„Und ich dachte meine Frau sei wählerisch bei ihren Klamotten!", sagte Viktor von hinten, wo er gerade dabei war die ganzen Tüten zu versorgen. Anna und ich lachten. Ja die Jungs oder Lou, wer auch immer, hatten sehr genaue Vorstellungen von ihrem Klamotten. Ich vermutete ja, das die Jungs nicht viel mitzureden hatten und auf der Bühne einfach das anzogen was man ihnen vorsetzte, so hatte ich das bisher zumindest mitbekommen. Okay, na gut ich hatte die Aufregung vor dem Konzert bisher auch nur ein einziges Mal erlebt und dabei auch noch gut die Hälfte verschlafen. Wenn man es also ganz genau nahm, hatte ich keine Ahnung.
„Ladies, können wir?", fragte nun Viktor, quetschte sich hinters Lenkrad und fuhr los. Wir genossen alle die Stille im Auto, denn in den Einkaufszentren waren unglaublich viele Leute gewesen und mein Kopf brummte noch immer von dieser nervigen Dudelmusik, die überall aus den Lautsprechern gekommen war. Da wir nicht sprachen, ging ich im Kopf noch einmal alles durch was wir gekauft hatten. Oder zumindest das, an welches ich mich noch erinnern konnte. Das war nicht sonderlich viel und so ließ ich es sein. Ich war viel zu müde um zu denken. Die unbequeme Nacht im Flugzeug, der Aufregung von heute Morgen wegen Jose und unserem Shoppingtrip, der an einen Marathon grenzte, all das hatte mich ausgelaugt. Körperlich wie auch Seelisch. Ich war einfach nur noch müde und das schaukeln des Autos machte es auch nicht gerade besser. Ich lehnte den Kopf ans Fenster und merkte wie ich langsam wegdämmerte.

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