Kapitel 7

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12.November.2026

Der Donnerstag war nervenaufreibend. Kurz vor Thanksgiving erfuhr ich von acht bevorstehenden Klausuren. Nach dem Unterricht ging ich direkt nach Hause. Ich schaffte es, ein paar Stunden zu lernen, bevor Dad mit Brady nach Hause kam. Da Brady Schwierigkeiten hatte, sich an seine neue Kindertagesstätte und Routine zu gewöhnen, musste ich lernen, wenn er nicht da war, damit ich ihm die nötige Aufmerksamkeit schenken konnte wenn er wieder nach Hause kam. Die Lebensumstellung die wir in den letzten Wochen gemacht hatten waren für ihn sehr schwer zu begreifen.
Für mich war es auch schon so schwierig genug Zeit zum Lernen zu finden, besonders für acht Prüfungen. Jede musste ich mit Bravour bestehen. Und bis Thanksgiving waren es nur noch zwei Wochen, ich musste vorbereitet sein. In der High School war ich eine Einserschülerin mit Auszeichnungen und Preisen. Man erwartete, dass ich Harvard oder Yale besuchen würde. Nicht, dass Stanford oder die Columbia University keine guten Universitäten gewesen waren, aber Yale war immer mein Traum. Doch mit Brady ging das nicht. Yale war eine Tradition die ich nicht ehren konnte. Vater war dort und sein Vater vor ihm und meine beiden Tanten auch. Aber an der Columbia zu sein war auch toll, meine Tante Poppy hatte dort studiert und mir immer berichtete wie sehr sie ihre Alma Mata geliebt hatte. Auch mir gefiel die Columbia Universität. Ich konnte mit meinen Freunden lernen und bei meiner Familie sein.

Das Abendessen war fertig und Brady war bei unserer Haushälterin Aleida und ihrer Tochter Lurdes, die anboten, sein Babysitter zu sein, wann immer ich einen brauchte. Lurdes und ich wuchsen zusammen auf und als ich jünger war betrachtete ich sie als meine Freundin. Aber als wir älter wurden, lebten wir uns auseinander. Lurdes war vier Jahre älter als ich, das war einer der Indikatoren dafür. Für den anderen konnte ich allerdings genau so wenig. Sie nahm mir den Reichtum meiner Familie übel und beendete unsere Freundschaft, als ich erst elf war. Es tat sehr weh, da wir zusammen aufgewachsen waren. Mit der Zeit erkannte ich, dass sie irgendwie recht hatte. Ich war reich, verwöhnt und musste mir um nichts Sorgen machen. Lurdes war zwar nicht an der Armutsgrenze, aber sie würde immer die Tochter des Dienstmädchens bleiben, egal wie gut mein Vater Aleida bezahlte. Lurdes würde immer die Tochter des Dienstmädchens bleiben und die Tochter des Dienstmädchens hatte keinen Grund, mit dem verwöhnten Mädchen befreundet zu sein, das wöchentlich mehr Taschengeld bekam, als ihre Mutter im Jahr verdiente.

Diese Erfahrung lehrte mich wie schlimm Geld den Menschen verderben kann und machte mich zu der Person, die ich heute war.
Dad war beim Essen still, was eine angenehme Überraschung war, wenn man bedachte, dass er in den letzten Tagen wegen der Arbeit oft wütend gewesen war. Zeile des Firmen Vorstandes waren nicht erpicht darauf, mich in die Firma eintreten zu lassen, selbst wenn es mir auf Probe war. Vor allem bevor ich das College abgeschlossen hatte. Dass ich neunzehn war und im dritten Jahr am College, war definitiv nicht die Art, wie unsere Familie mit den Dingen umging, aber mein Vater wollte, dass ich so schnell wie möglich in die Firma eintrat. Aufgrund des frühen Todes meiner Mutter lehnte der Vorstand den Vorschlag meines Vaters ab mich schon mit sechzehn einzustellen. Sie glaubten, der Tod meiner Mutter habe uns mehr betroffen, als wir zugeben wollten. Dass ich in Kalifornien lebte, half auch nicht. Sogar drei Jahre später, nachdem ich wieder in New York war und bei klarem Verstand, hielten sie mich immer noch für ungeeignet. Diesmal, weil ich eine alleinerziehende Mutter war. Sexistisch, aber leider konnte mein Vater nicht viel gegen diese Vorstandsmitglieder ausrichten.
Meine Probezeit sollte nächste Woche beginnen und es war beängstigend für mich nun endlich das zu tun worauf ich mein Leben lang hingearbeitet hatte. Meine Angst bezog sich auf die Vorstandsmitglieder und darauf das ich meinen Vater nicht enttäuschen wollte.
Ich war erst seit sechs Wochen zu Hause, aber ich hatte es geschafft, ein Doppelstudium in Wirtschaftsrecht und Finanzmanagement zu absolvieren, ich war eine gute Mutter für meinen Sohn und trotzdem für sie war das trotzdem nicht gut genug. „Wie läuft dein Studium, Liebling?", fragte mein Vater. „Ich bin ein bisschen im Rückstand, aber zwei meiner Professoren helfen mir, alles nachzuholen, was ich ein Monat lang verpasst habe." Ich aß weiter das Steak und die Grillkartoffeln, die Aleida für uns gekocht hatte. Dad verschluckte sich. „Dad!" Sofort sprang ich auf und rannte zu seinem Platz. Er hustete und hielt seine Hand auf seiner Brust. „Mir geht's gut, Liebling." Sein Gesicht war rot. Ich stellte mich hinter ihn und Heimlichte ihn. Nachdem er die gegrillte Kartoffel ausgespuckt hatte, die ihm im Hals stecken geblieben war, trank er sein Weinglas aus. Er streichelte mir über den Kopf und beruhigte mich. Mein Herz schlug schnell, sodass ich meinen Puls in meinen Ohren spüren konnte. Ich hatte Todes Angst um ihn. Es passiert, es war bedauerlich, aber es war normal sich zu verschlucken. Doch es jagte mir einen Riesen Schrecken ein. Jetzt, da wir wieder zusammenlebten, hatte ich noch mehr Angst, ihn zu verlieren. „Liebling?" Dad sah mich mit strengem Blick an. Ich war in Gedanken versunken, aber seine tiefe, bedrohliche Stimme holte mich zurück. „Was meinst damit, du hast fast einen Monat aufzuholen? Bist du vorher nicht mehr in die Uni gegangen? Oder hast du gelogen, was die zwei Wochen bevor du hier her kamst passiert ist? Warum konnte ich dich zum Beispiel nicht an deinem Geburtstag nicht erreichen?" Kalter Schweiß überzog meinen Körper. Mir war ein Fehler unterlaufen und er hat mich auf frischer Tat ertappt.
Aber ich konnte ihm auf keinen Fall sagen das ich die zwei Wochen vor meiner Ankunft in New York in einem dreckigen Motel verbracht hatte und meine Wunden leckte, von Justin's letztem angriff auf mich.„N-Nichts. Ich habe es nicht so gemeint. Ich habe übertrieben." Ich setzte mich schnell wieder hin und aß hastig ein Stück von meinem Steak. Mein Vater ließ mich nicht aus den Augen. Sein Blick war wie Gift, das durch meine Adern floss. Er sah mich wutentbrannt an. Es war furchtbar. „Wenn du es nicht so gemeint hast, warum verhältst du dich dann so komisch?", sagte er mit zusammengebissenen Zähnen. Ich schluckte das ganze Stück Fleisch hinunter und erstickte fast daran. Ich wollte nur noch weg. Aber Dad ließ nicht locker. Seine Augen sahen so tief in mich hinein, sogar an meiner Seele vorbei. Ich wurde nervös und hatte das Gefühl, als würden die Wände näher kommen. „Ich sage die Wahrheit." Zischte ich mit rauem Unterton und weichte seinem Blick aus. Aber ich war nervös, ich war so verdammt nervös. Ich wusste, dass ich ihm nicht lange aus dem Weg gehen konnte. Während ich den letzten Bissen hinunterwürgte, stand ich auf und ging schnell in die Küche. Ich nahm Brady und zog ihn im Flur an. „Ich gehe kurz raus, spazieren bis später." Er rannte mir zur Aufzugstür hinterher. „Cathrine Viola Wilson-Matthews-Harrington, komm sofort zurück!", knurrte er. Dad schaffte es in den Aufzug, bevor sich die Türen schlossen. Dann drückte er den Notrufknopf. Der Aufzug hielt. Er sah mich mit kalten Augen an. Zum ersten Mal hatte ich wirklich Angst vor ihm. Die Stimme meines Vaters war rau und tief, als er verlangte, dass ich ihm die Wahrheit sage. „Cathrine, ich habe es satt, dass du mir ins Gesicht lügst. Ich bin dein Vater und ich möchte nicht, dass du mir wieder monatelang etwas verheimlichst. Wir hätten dir damals helfen können. Du hast keine Ahnung, wie sehr deine Mutter und ich gelitten haben, weil du uns nach deiner Vergewaltigung nicht vertraut hast. Du hast uns nicht vertraut und wir konnten dir nicht helfen. Lass mich dir jetzt helfen. Erzähl mir, was wirklich zwischen dir und Justin passiert ist." Dad und ich sprachen nie über meine Vergewaltigung. Ich erzählte es meiner Mutter nur, da Justin kurz nach Bradys Geburt mit mir Schluss machte und sie den Grund wissen wollte. Ich erzählte es meinem Vater aus verschiedenen Gründen nie. Erstens hatte ich Angst. Jedes Mal, wenn jemand es erwähnte, durchlebte ich es wieder. Zweitens hatte ich Angst davor, was er tun könnte. Ich wusste, dass mein Vater ein Verbrechen für seine Familie begehen würde. Drittens war es meine Schuld. Irgendwann war es meine Schuld, denn ich gab den Kampf auf. Nach einem Monat redete ich mir ein, dass er mich liebte. Ich glaubte, dass mein Vergewaltiger mich liebte, wie er immer sagte. Sogar nachdem er mich wie ein verdammtes Tier an irgendwelche Männer verkauft hatte. Ich redete mir das alles ein, weil die Leute, die mich eigentlich lieben sollten, sich plötzlich nicht mehr genug um mich kümmerten, alle wollten ihre eigenen Ziele erreichen und ließen mich zurück wie einen unbedeutenden Teil ihres Lebens. Dad packte mich an meinem Ellenbogen. Sein Auftreten war immer noch bedrohlich und jagte mir eine höllische Angst ein.
„Nur weil ich zurück bin, heißt das nicht, dass es uns gut geht. Ich habe nicht vergessen, dass du die letzten fünf Jahre verschwunden warst. Nur weil Mom dir vergeben hat, heißt das nicht, dass ich es getan habe. Und ich weiß, dass du mich die letzten drei Jahre gemieden hast und ich dich gemieden habe, aber es tat trotzdem weh, es tat höllisch weh. Und ich ging durch die Hölle, ganz allein. Also gib mir bitte etwas Zeit. Wenn ich bereit bin, werde ich es dir sagen. Aber so weit bin ich noch nicht." Meine Augen brannten. Ich kämpfte mit den Tränen, weil ich nicht wie das kleine Mädchen aussehen wollte, für das er mich hielt. Dad sah mich sichtlich durch meine Worte verletzt an und nickte, sagte aber nichts. Er drückte erneut den Notrufknopf und stieg aus dem Aufzug. Das war das erste Mal, dass ich ihm sagte, wie ich mich fühlte.

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