Kapitel 25

7 0 0
                                    

14. März 2027

Seit der Spendenaktion war über ein Monat vergangen und ich hatte seitdem nicht mehr mit Dad gesprochen. Robert brachte mich an diesem Abend nach Hause und wir nahmen Brady mit und packten ein paar Sachen. Die nächste Woche verbrachte ich bei ihm, dann zog ich zu Stella und Evie. Robert und ich waren wieder ein Paar. Er hielt sein Versprechen und sagte mir nicht, dass er mich liebte, sondern sagte wie sehr er mich schätzte. Er verehrte mich mit jedem Kuss, jeder Berührung meiner Haut. Wir hatten noch keinen Sex. Anfangs wollte ich das wir warten. Ich hatte gehofft das würde meinen Zweifeln helfen. Wenn er nach ein paar Monaten ohne Sex immer noch dasselbe für mich empfand, wusste ich, dass er mich wirklich liebte. Unsere Beziehung begann mit Sex und endete damit. Solange ich wusste, dass er mich um meiner selbst willen und nicht nur wegen meines Körpers lieben würde, wusste ich, dass ich genug war. Ich hatte schon lange nicht mehr das Gefühl, gut genug zu sein. Seit ich vierzehn war, um genau zu sein. Dad arbeitete mehr, Geschäftsreisen folgten auf Geschäftsreisen. Mom war auch mit ihren Wohltätigkeitsprojekten beschäftigt. Justin war mein Rettungsanker, aber je älter wir wurden, desto klarer wurde, dass er doch zwei Jahre älter war. Er hatte Bedürfnisse, die ich nicht befriedigen konnte. Und als wir das erste Mal miteinander schliefen, konnte ich kaum verstehen, welche Auswirkungen das auf uns hatte. Deshalb ließ ich mich von Maxwell manipulieren. Wenn er mir nicht weh tat, sagte er mir all die Dinge, die ich hören musste. Er würde alles für mich tun, wenn ich dasselbe für ihn täte. Maxwell sagte immer das er mich liebte und nur mein bestes wollte. Deshalb ließ ich mich von ihm zu Ted bringen. Ich wollte mich so sehr geliebt fühlen, dass ich mich selbst verlor.

Dann brach Justin mir das Herz, indem er sich für sich selbst und gegen mich entschied, und Christian kam und bewies mir, dass es da draußen noch gute Menschen gab. Er heilte mich. Bewahrte mich davor, mich umzubringen, und zeigte mir Liebe. Er zeigte mir, wie ich mich selbst wieder lieben kann. Und wir waren ein paar Monate lang glücklich. Und dann passierte der Amoklauf an der Schule und Justin wurde angeschossen. Er verblutete fast in meinen Armen. Christian wusste, dass ich auch nach all diesen Monaten noch Gefühle für ihn hatte. Also machte er mit mir Schluss, damit ich mit Justin zusammen sein konnte, der sich selbst opferte, damit Tyler mich nicht erschießen konnte. Ich kam insgeheim nie darüber hinweg.

Ich lasse dich frei. Das waren seine Worte, als er mit mir Schluss machte. Auch wenn er das Richtige tun wollte, gab mir Christian wieder einmal das Gefühl, nicht gut genug zu sein. Und nachdem Mom starb, weil ich sie beim Fahren abgelenkt hatte und sie das andere Auto nicht sah, wusste ich, dass ich nicht gut genug war. Ich war die Ursache für ihren Tod. Meine Freunde blieben danach den ganzen Sommer lang bei mir und Justin. Sie versuchten, für uns da zu sein. Weil es sonst niemand war. Nicht mein Vater. Nicht Justins Vater. Wir blieben allein zurück, am Boden zerstört mit unserem 10 Monate alten Sohn. Dann fing ich an, mich zu ritzen. Justin trank weiter und fing an mich zu schlagen, nachdem er von der Ritzerei erfuhr. Er betrog mich und nachdem er Brady schlug ging ich endlich. Ich fand Robert und fühlte endlich wieder etwas. Bis Poppy uns sah und meine heile Welt erschütterte. Wieder einmal fühlte ich mich, als wäre ich jemandem in die Arme geworfen worden, jemandem, der mich nur benutzte, weil es so einfach war, da ich mich selbst nicht liebte. Ob ich mich jetzt selbst liebe wusste ich nicht. Aber es war schon besser.

„Du bist furchtbar still heute." Weiche Lippen pressten sich gegen meine Schläfe. Robert war zu Besuch. Wir sahen einen Film, ich driftete mittendrin in Gedanken ab. Der Abspann lief, ich verpasste mehr, als ich erwartet hatte. Ich sah auf, seine Smaragd Grünen Augen wehten immer wie eine sanfte Brise über mich. Ich befreite mich aus seiner Umarmung und setzte mich auf seinen Schoß.

Ich schaute ihm tief in die Augen und ließ meinen Blick über jedes Detail schweifen. Seine dichten Wimpern rahmten dieses geheimnisvolle, schelmische Funkeln, das dort tief verborgen lag. Ich konnte nicht anders, als ihn anzustarren, doch er schien es nicht zu bemerken oder es störte ihn nicht. Seine Augen suchten meinen Blick, und es fühlte sich an, als würden sie mich sanft umhüllen – als ob er sich ebenso in meinem Anblick verlor, wie ich mich in seinem.
„Du bist die schönste Frau, die ich je gesehen habe", flüsterte er leise. Stirn auf Stirn kuschelten wir aneinander .„Ich möchte, dass du meine Familie kennenlernst."Ich blinzelte schnell und drückte ihn von mir.
Seine Familie kennenlernen? Oh Gott.
„Ich möchte, dass du mit mir nächste Woche nach Montana kommst. Kenna liegt mir schon seit Tagen in den Ohren, dass sie dich bei ihrem Geburtstag dabei haben will, aber wenn du noch nicht dazu bereit bist, verstehe ich das." Jedes Jahr in den Frühlingsferien besuchte Robert seine Eltern, um Kennas Geburtstag mit ihnen zu verbringen. Wir sprachen zwar oft über seine Familie und auch über seine Pläne für den Spring Break, aber mit dieser Frage hatte ich nicht gerechnet. Bis jetzt hatte ich nicht einmal über diese Möglichkeit nachgedacht. War ich bereit, den Rest seiner Familie kennenzulernen? Seine Eltern? Was, wenn sie mich nicht mochten? Was, wenn sie auch versuchen würden, uns auseinander zu bringen? Ich geriet in Panik. Meine Unterlippe zitterte, ich konnte ihn jetzt nicht verlieren. Wir waren endlich wieder zusammen, glücklich. „Was ist los, Kätzchen?"
Dieser Spitzname war pures Gold. Grinsend vergaß ich meine Sorgen wieder. Dieser Spitzname war mir definitiv wie ein Schutzschild für schlechte Gedanken. „Du willst wirklich, dass ich deine Familie kennenlerne?" Er nickte und nahm meine Hand, um sie zu küssen.
Seitdem wir wieder zusammen waren und ich Robert gebeten hatte, auf jegliche sexuelle Aktivität zu verzichten, wurde er zu einem Romantiker der alten Schule. Anstatt meinen Hals zu küssen, küsste er meine Fingerknöchel. Anstatt mich sexy zu nennen, nannte er mich die schönste Frau der Welt. Aber er nannte mich trotzdem noch Kätzchen und das störte mich überhaupt nicht. „Baby, ich weiß, das ist ein großer Schritt, aber ich möchte nichts vor ihnen verbergen. Ich möchte wirklich, dass du da bist. Sie werden dich lieben, das weiß ich."Meine Muskeln zuckten nervös. „Was, wenn sie es nicht akzeptieren? Was, wenn sie genauso reagieren wie mein Vater?" Ein Kloß bildete sich in meinem Hals, und ich spürte, wie die Tränen immer näher rückten.
„Meine Eltern sind nicht wie er. Wenn sie ein Problem mit dir haben, kommen sie zu mir und ich sage ihnen, dass ich dich ausgewählt habe und sie werden das akzeptieren. Weil ich mich für dich entschieden hab, weil ich dich li... L-Wort." Mein Herz klopfte in meiner Brust. Er nahm mich, entschied sich für mich.             L-Wortete mich. Gab es eine schönere Art, jemandem zu zeigen, dass man ihn nie loslassen würde? Ein warmes Lächeln hatte sich auf meinem Gesicht ausgebreitet, als ich seine Hände sanft ergriff und ihn voller Hingabe küsste. In diesem Moment wusste ich, dass ich bereit war, seine Familie kennenzulernen. Die letzten leisen Zweifel in meinem Kopf waren verblasst.

Die Woche verging wie im Flug. Robert half mir beim Einkaufen, da ich nichts hatte, was für eine Woche auf dem Land geeignet schien und Evie und Stella beide beschäftigt waren. Evie war in Deutschland bei ihrem Praktikum bei Modedesigner Manfred Koller und Stella war mit Sam beschäftigt. Sie verstanden sich auf Anhieb und verbrachten fast jeden Tag zusammen.

Robert war ein guter Shopping-Partner. Er trug alle Taschen, machte mir Komplimente und gab mir Froyo aus. Er glänzte wirklich in seiner Rolle als Freund. Kenna und Brady hatten beide eine gute Zeit zusammen. Es war das erste Mal seit der Spendenaktion, dass die beide wieder auf einander trafen. Robert und ich machten uns beide Sorgen, wie sie miteinander umgehen würden. Brady war zuerst schüchtern, genau wie er es mit Dad und Robert anfänglich war. Aber Kenna, dieses Mädchen, war genauso munter wie damals, als sie mich traf. Sie unterhielt Brady, spielte ihrem Dad alle möglichen Streiche, um ihn zum Lachen zu bringen. Sie verdiente es wirklich, ein Geschwisterchen zu haben. Sie war großartig mit ihm. Und dieser kleine Ausflug ins Einkaufszentrum brachte mich Robert noch näher, fast so, als wären wir eine Familie.

Doch selbst während dieses heiteren Tages umschlich mich noch das Gefühl beobachte zu werden. Es war mein Vater so viel war sicher. Auch wen er mich verstoßen hatte er wollte trotzdem noch seine Macht demonstrieren.
Auch bei der Arbeit tat er es. Wir gingen uns zwar aus dem Weg, aber die Menge an Arbeit ich er mir gab war bei weitem nicht tragbar für die paar Stunden in der Woche die ich dort arbeitete. Zum Gluck half mir meine neue Assistentin Kaitlyn eine Struktur zu entwickeln um meinem Vater zu beweisen das er mich nicht so leicht unterkriegen konnte.

Ich war nervös, den Rest der Callaghan-Clique kennenzulernen. Robert sagte mir, seine Mutter und seine ältere Schwester seien am schwersten zu knacken. Paulie, sein älterer Bruder, am leichtesten. Bei seinem Vater war er sich nicht sicher. Robert beschrieb seine Stimmung als unberechenbar, aber seit seinem Schlaganfall vor zwei Jahren hatte er sein hitziges Temperament teilweise verloren. Joel Callaghan war  zu einem griesgrämigen Tagträumer geworden. Als Robert, unsere Kinder und Sam das Flugzeug bestiegen, drehte ich mich um, um einen letzten Blick auf die Stadt zu werfen, die mir das Herz gebrochen und wieder zusammengenäht hatte. Ich war bereit für ein neues Abenteuer. Ein neues Abenteuer mit Robert.

Drawn to youWo Geschichten leben. Entdecke jetzt