22. März 2027
Der erste Tag auf der Callaghan-Ranch verlief größtenteils ruhig, abgesehen von einer unangenehmen Begegnung mit Roberts Vater. Die Familie, soweit ich sie kennengelernt hatte, schien freundlich zu sein. Besonders Mrs. Callaghan empfing mich mit offenen Armen, und die Landarbeiter, die ich traf, waren höflich. Beim Abendessen herrschte jedoch eine spürbare Spannung. Weder Robert noch sein Vater sprachen ein Wort miteinander. Stattdessen führten Sam und Mrs. Callaghan das Gespräch, während sie mich ab und zu nach meinem Leben befragten, was mir das Gefühl gab, im Mittelpunkt zu stehen, obwohl ich es lieber vermieden hätte. Brady war schon früh müde und ich brachte ihn gegen acht ins Bett. Er und Kenna würden in Kims altem Zimmer schlafen, das nur zwei Türen von Roberts Zimmer entfernt lag. Während ich die Kinder zu Bett brachte, bemerkte ich, dass Robert die ganze Zeit über angespannt war. Obwohl er normalerweise ein Familienmensch war, erwähnte er keine Schwierigkeiten mit seinem Vater, was mich umso mehr beunruhigte. Nachdem ich geduscht hatte, stellte ich fest, dass Robert nicht in seinem Zimmer war und auch sonst nirgendwo im Haus zu finden war. Meine Gedanken wurden abrupt von Kennas fröhlicher Stimme unterbrochen. „Kann ich dir morgen Moonshine zeigen?" Ich lächelte. „Oh ja, Moonshine! Dein Pferd, richtig?" Ihr Gesicht leuchtete vor Freude. „Ja, genau! Ich kann es kaum erwarten, sie zu reiten!" „Und ich kann es kaum erwarten, sie kennenzulernen, Süße." Seit Robert und ich wieder zusammen waren, verbrachte ich mehr Zeit mit Kenna, und sie war mir wirklich ans Herz gewachsen. Sie fühlte sich für mich fast wie meine eigene Tochter an. Ich half ihr bei den Hausaufgaben, hörte mir aufmerksam ihre Geschichten an, und wir genossen gemeinsame Abende vor dem Fernseher oder bei der Nagelpflege. Die Zeit, die wir zusammen verbrachten, schien ihr gut zu tun, und auch ich genoss diese Verbindung. „Hast du deinen Vater gesehen?", fragte Kenna plötzlich und deutete aus dem Fenster. „Er ist in der alten Scheune." Ihr Ausdruck veränderte sich leicht, als sie leise hinzufügte: „Wenn Papa dorthin geht, will er allein sein." Ich streichelte sanft ihre Wange. „Manchmal tut es gut, allein zu sein. Aber es ist auch schön, zu wissen, dass man nicht wirklich alleine ist."
Als Kenna ins Bett ging, beschloss ich, nach Robert zu suchen. Draußen war es bereits dunkel und kühl. Ich suchte die Rückseite des Hauses ab, doch alles, was ich sehen konnte, war das matte Licht der Stallungen und das tiefschwarze Dunkel des Waldes. Nichts sah alt genug aus, um als „alte Scheune" durchzugehen, wie Kenna es beschrieben hatte. Trotzdem setzte ich meine Suche fort. Plötzlich erregte ein flackerndes Licht zu meiner Rechten meine Aufmerksamkeit. Es kam aus einem Bereich, der weit abgelegen schien. Langsam näherte ich mich, doch das Licht schien sich immer weiter von mir zu entfernen. Der Nebel, der in der kühlen Nacht aufstieg, verdichtete sich allmählich und die Kälte kroch mir in die Knochen. Ich drehte mich um, konnte das Haupthaus nur noch schemenhaft sehen. Ein Gefühl der Unruhe ergriff mich. Als ich dem Licht näher kam, erkannte ich, dass es von einer einzelnen Kerze in einem Glasbehälter kam. Niemand war zu sehen. Verwundert nahm ich mein Telefon, um die Taschenlampe zu nutzen, doch das Licht war schwach. Von einer alten Scheune oder irgendeinem Gebäude war nichts zu erkennen. „Wo bist du nur?" fragte ich mich laut. Ich beschloss, umzukehren und im Haus zu warten. Robert würde sicher bald zurückkommen. Doch als ich mich umdrehte, war das Licht des Haupthauses verschwunden.
Mein Herz schlug schneller. Ich griff nach meinem Telefon, um die Karte zu öffnen, doch der Bildschirm blieb schwarz. Mein Akku versagte. „Ernsthaft, Jetzt?" Fluchend versuchte ich, meine aufkommende Panik zu unterdrücken. Ich fühlte mich wie eine Protagonistin in einem dieser schrecklich schlechten Horrorfilmen - verloren, allein, und ohne Möglichkeit, Hilfe zu rufen.Ich atmete tief durch und versuchte, ruhig zu bleiben. „Du bist nur ein paar Meter gelaufen. Du kannst genauso gut zurücklaufen."Doch der Boden unter meinen Füßen fühlte sich plötzlich anders an - weich und schlammig. Der Nebel hatte die Luft so schnell verändert, dass ich nicht einmal bemerkt hatte, wie sich meine Umgebung verwandelte. Mein Weg zurück war nicht mehr klar, und die Dunkelheit schien mich zu verschlingen. „Robert? Hallo?", rief ich laut, meine Stimme hallte durch die Kälte. Keine Antwort. „Verdammt!" Ich fühlte, wie die Verzweiflung in mir aufstieg. Zu kalt, um die Nacht draußen zu verbringen, und ohne Orientierung, begann ich, schneller zu laufen. Plötzlich blieb mein Fuß an einer Wurzel hängen und ich fiel der Länge nach in den Schlamm. Erde und Gras klebten an meinem Gesicht, als ich mich mühsam wieder aufrichtete.
Noch bevor ich mich richtig erheben konnte, spürte ich etwas Hartes und Kaltes an meinem Schädel. „Bleib liegen", knurrte eine tiefe Männerstimme hinter mir. Panik durchströmte mich, als ich die Hände in die Höhe hob. „Bitte... ich habe mich verlaufen", stotterte ich, während ich versuchte, nicht zu zittern.Der Mann drückte das Objekt - es fühlte sich wie eine Waffe an - fester an meinen Kopf. „Kein Wort mehr. Wir dulden hier keine Einbrecher." „Ich bin kein Einbrecher!", platzte ich heraus. „Ich bin mit Robert hier!" „Hier gibt es keinen Robert", fauchte er und leuchtete mir mit einer Taschenlampe ins Gesicht. Das grelle Licht zwang mich, die Augen zusammenzukneifen. „Robert Callaghan", versuchte ich zu erklären, „wir sind für Kennas Geburtstag hier." Sein Gesichtsausdruck veränderte sich. Er ließ die Taschenlampe sinken und nahm das Eisen von meinem Kopf. „Bobby? Du bist Bobbys Freundin von der alle reden? Verdammt, das tut mir leid." Er streckte mir die Hand hin. „Du bist nicht mehr auf der Callaghan-Ranch. Dies hier ist die Mendoza-Ranch."Zögernd nahm ich seine Hand, und er half mir auf. Sein Gesicht war ernst, aber weniger feindselig. Er gab mir einen fetten Stoff um den Schlamm aus meinem Gesicht zu wischen. Dann griff er nach seinem Funkgerät. „Rach, ich habe hier jemand Verirrtes. Nordöstlich des Hauses. Vermutlich von der Callaghan-Ranch."
Das Funkgerät knisterte, und eine rauchige Frauenstimme erklang. „Ist denen wieder ein Schaf entwischt?" Der Mann lachte leise, sein Tonfall vibrierte vor belustigter Grobheit. „Nicht ganz, ich habe ein junges Küken vor mir." Seine Stimme wurde wärmer, fast flüsternd. Der Mann vor mir war viel älter als Robert - mindestens zwanzig Jahre älter, mit grauschwarzem Haar und einem Bart, der ihn noch massiger wirken ließ. Er war ein Berg von einem Mann, dessen bloße Präsenz den Raum beherrschte. Ich hatte noch nie jemand wie ihn gesehen. Unter anderen Umständen, vielleicht in einer anderen Welt, hätte ich ihn mehr als nur attraktiv gefunden. Aber in diesem Moment bevorzugte ich den weniger stämmigen, aber dennoch kräftigen Robert, einen Englischprofessor mit der sanften Stimme und den durchdringend schönen grünen Augen, die er hatte.„Bring sie in einen der Ställe", antwortete die Stimme der Frau zurück, „wir bringen sie morgen zurück." „Rach", murmelte der Mann, zögerte. „Vielleicht solltest du sie dir vorher ansehen." „Dann bring es zum Haus." Als der Mann sich in Bewegung setzte, spürte ich plötzlich, wie meine Beine nachgaben. Ohne Vorwarnung verlor ich das Gleichgewicht und fiel erneut, diesmal härter, mit dem Gesicht in den Matsch. Der Schmerz zuckte durch meine Wangen, während sich die Kälte der Erde an meine Haut drückte. „Autsch", entkam mir ein leises Wimmern, mehr vor Scham als vor wirklichem Schmerz. Der Mann blieb stehen und sah mich an, seine Augen glimmten in der Dunkelheit. „Sie sind wirklich viel zu tollpatschig, Miss." Bevor ich protestieren konnte, hob er mich hoch, als wäre ich federleicht. „Halt! I-ich kann laufen!" Meine Stimme klang atemlos, mehr überrascht als empört. „Unsinn. Hier kann ich Sie nicht allein herumlaufen lassen; Sie könnten in eine Bärenfalle treten." „Bärenfallen?" Ich schluckte schwer. Er summte bestätigend. „Ich kann nicht zulassen, dass ein so hübsches Mädchen wie Sie ein Bein verliert. Vorallem nicht die kleine Freundin von Bobby " Seine Worte waren wie eine bizarre Mischung aus Freundlichkeit und Unheimlichkeit, und mein Herz pochte schneller, während er mich auf die Veranda eines Hauses trug, das dem Callaghan-Haus ähnelte. Eine junge Frau, vielleicht Mitte zwanzig, mit dunklen Augen, die mich an Stella erinnerten, saß dort. Als sie uns sah, weiteten sich ihre Augen. „Das ist kein Küken", murmelte sie leise. „Das ist eine Mädchen." Der Mann setzte mich sanft ab, aber mein Bein schmerzte, als es den Boden berührte. „Verzeihung, Chefin", sagte er, ohne echte Reue in seiner Stimme. „Sie sagt, sie sei Bobbys Freundin." Die Frau, die nun auf uns zuging, musterte mich mit einem kritischen Blick. „Bobby? Ja. Paulie hat erwähnt, dass er nach Hause kommt." Ihr Tonfall war jetzt nachdenklich, als sie mich weiter begutachtete. „Sie sind Bobbys Freundin? Nun, dann sollten wir Sie nicht länger hier draußen frieren lassen." Sie winkte dem Mann zu. „Arthur, hol ihr eine Decke, während ich Samantha anrufe." Arthur verschwand im Haus, und die Frau, die sich als Rachel vorstellte, zog ihr Telefon heraus und wählte eine Nummer. „Guten Abend, Samantha. Ja, mir geht's gut, danke. Du wirst nie raten, was passiert ist... Nein, kein Schaf. Eine junge Frau. Mhm." Ich konnte Mrs. Callaghans aufgeregte Stimme durchs Telefon hören, während sie Rachel berichtete, dass Robert mich verzweifelt suchte. Rachel legte auf, gerade als Arthur mit einer Decke zurückkam. Er legte sie mir um die Schultern, und die Wärme ließ mich erleichtert aufatmen. „Komm, ich fahre dich zurück", sagte Rachel sanft und führte mich zu einem alten Pickup, der im Mondlicht schimmerte. Mein Knöchel schmerzte bei jedem Schritt, aber ich sagte nichts. Es war nicht das erste Mal, dass ich Schmerzen ertrug, und es würde nicht das letzte Mal sein. „Ich bin übrigens Cathrine", sagte ich, als wir uns ins Auto setzten. „Wir haben schon von dir gehört." Ihre Stimme war warm, fast tröstlich. Im Inneren des Wagens bemerkte ich eine Wackelkopffigur einer hawaiianischen Tänzerin, die auf dem Armaturenbrett stand. Ein schüchternes Lächeln spielte um meine Lippen. „Danke, dass du mich zurückfährst, Rachel." „Natürlich", sagte sie und lenkte den Wagen vorsichtig über den Feldweg. „Die Callaghans sind gute Nachbarn. Immer eine Freude, der Familie des Sheriffs einen Gefallen zu tun." Ihr Tonfall war freundlich, aber da schwang eine leise Ironie mit, die ich nicht ganz einordnen konnte. „Kennst du die Callaghans schon lange?", fragte ich, um das Schweigen zu füllen. Rachel lächelte, während sie den Blick auf die Straße richtete. „Mein ganzes Leben. Kimberly und ich sind zusammen zur Schule gegangen. Als Kinder habe ich dort viel Zeit verbracht." Wir fuhren nur wenige Minuten, die beiden Ranches lagen nicht weit auseinander. Als wir das Tor der Callaghan Ranch passierten, sah ich Robert auf der Veranda auf und ab gehen. Sobald er uns entdeckte, rannte er los, die Sorge in seinen Augen war deutlich zu sehen. Er öffnete die Tür, und bevor ich irgendetwas sagen konnte, schlang er seine Arme um mich. „Du kannst doch nicht einfach so verschwinden, ohne es jemandem zu sagen", murmelte er, und seine Stimme vibrierte vor Sorge. Ich legte meine Arme um seinen Hals und flüsterte leise: „Tut mir leid, Dad." Er schmunzelte leicht und hob mich vorsichtig aus dem Truck. „Kenna hat mir erzählt, dass du nach mir gesucht hast." „Ich wollte sicherstellen, dass es dir gut geht", sagte ich sanft und drückte ihm einen Kuss auf die Wange. Rachel trat um das Auto herum, ihre Augen waren auf meinen Knöchel gerichtet. „Sie hat sich den Knöchel verstaucht", sagte sie. „Wenn es morgen noch wehtut, solltest du sie zu Lucinda bringen." Robert nickte, seine Augen wanderten zu meinem Fuß, der kaum den Boden berührte. „Wird gemacht. Danke, Rachel." „Bleib doch noch auf ein Stück Kuchen", rief Mrs. Callaghan von der Haustür. Rachel lächelte, winkt zustimmend zu. Robert trug mich die Treppe hinauf, ließ mich vorsichtig ins Badezimmer sinken und begann, mir den Schlamm und Schmutz vom Körper zu waschen. Seine Berührungen waren sanft, fast liebevoll, als er das warme Wasser über meinen Rücken laufen ließ. Trotz der Intimität schien er sich zu beherrschen, mich nur flüchtig zu küssen, während er mir die Blätter aus den Haaren zog. Als er jedoch nackt vor mir stand, sah ich das Verlangen in seinen Augen aufflammen. Er setzte sich hinter mich in die Wanne. Sein Körper sprach Bände, auch wenn seine Worte es nicht taten. „Du brauchst nur ein Wort zu sagen, Kätzchen", murmelte er mit rauer Stimme, seine Hand legte sich unter mein Kinn und zwang mich, ihn anzusehen. Bevor ich antworten konnte, klopfte Kenna an die Tür. „Dad, kannst du dich beeilen? Ich muss mir die Zähne putzen!" Robert seufzte, seine Lippen zuckten in einem enttäuschten Lächeln, als er leise antwortete: „Morgen versuchen wir's nochmal, ja?" Schmunzelnd küsste ich ihn und wir beeilten uns, uns schneller aus der Wanne zu kommen.Rachel saß noch mit Mrs. Callaghan am Esstisch.
„Ich freue mich für sie", sagte Rachel. „Ich erinnere mich noch daran, wie ich mit Kimmy Law and Order, Suits und alles andere geschaut habe. Sie wollte immer Anwältin werden."Robert holte etwas Eis, um meinen Knöchel zu kühlen, während ich mich zu ihnen setzte. „Meine Tante spricht sehr positiv über sie. Sie ist Polizistin und hat oft mit ihr und der Staatsanwältin zusammengearbeitet." Rachel sah mich an, ein flüchtiger Ausdruck in ihren Augen ließ mich für einen Moment erstarren, aber dann lächelte sie. „Die Fälle belasten Kim aber mehr, als sie zugeben möchte", antwortete Robert, setzte sich neben mich und hob mein Bein auf seinen Schoß. „Es wäre schlimmer, wenn es ihr egal wäre." Mrs. Callaghan und Rachel tauschten neugierige Blicke. Keine von beiden wusste, in welcher Abteilung Kim arbeitete. „Was meinst du?"„Sie ist jetzt seit einem Jahr nicht mehr bei der Mordkommission, sondern arbeitet für Bezirksstaatsanwältin Madeline St. James. St. James befasst sich mit Sexualdelikten. Cathrines Tante Diana ist die Lieutenant der Special Victims Unit." Roberts Ton war ausdruckslos.Die beiden Frauen verstummten; es war kein einfaches Thema. Robert schaute weg, konzentrierte sich auf meinen Knöchel und legte den Eisbeutel neu an. Kalt. Der Beutel war extrem kalt. Rachel räusperte sich. „In zwei Tagen haben wir den ersten jährlichen Hoedown. Ihr solltet kommen! Wir feuern Irmies Geburtstag, sie wird stolze einhundert."Bevor wir antworten konnten, stand sie auf, gefolgt von Mrs. Callaghan, die ihr erneut für mein Zurückkommen dankte. Sie verschwanden nach draußen. „Wir sollten auch ins Bett gehen. Ich habe morgen viel für uns geplant. Außerdem triffst du Gemma und Paulie, also wirst du all deine Energie brauchen."Robert stand auf und ich ließ mich von ihm Huckepack tragen.
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Drawn to you
Romance!!!Broken By You ab dem 12.11. Verfügbar!!! Buch 1 der „One with you" Serie Als Cathrine nach New York zurückkehrt, ahnt sie nicht, dass sie sich in einen fast doppelt so alten Mann verlieben wird. Doch ihre düstere Vergangenheit droht sie einzuhole...