Kapitel 38

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Aya lehnte im Türrahmen, während Iwaizumi Milch in den Milchaufschäumer füllte. Die Kaffeemaschine mahlte derweil schon die Bohnen zu feinem Pulver.
Ihr fiel jetzt erst die Größe der Küche auf. Sie war wirklich klein. Schon fast putzig, aber hatte genug Platz - zumindest für Menschen mit normalen Kochkünsten.

»Also Samu würde hier glaub ich durchdrehen«, meinte Aya amüsiert und Iwaizumi musste auflachen.
»Ja, es ist nicht die größte Küche. Aber...sie tut was sie soll.«

»Ich finde sie perfekt. Bei Samu habe ich immer noch nicht raus, wo ich was finde. Zu viele Schränke und Schubladen«, lächelte Aya und nahm eine der Kaffeetassen entgegen, die Iwaizumi ihr reichte.
Das letzte Mal hatte sie eine schlichte weiße Tasse, doch heute - heute lächelte sie Godzilla von der Tasse aus an, mit dem passenden Spruch "Coffee first - Destruction later". Mit einem belustigten Blick sah Aya zu Iwaizumi hoch, der gerade seinen ersten Schluck aus einer Tasse nahm, die mit einem Volleyball und dem Spruch "Best Ace" bedruckt war. Diese war wohl noch aus seiner Schulzeit.

»So bestes Ass, was zerstören wir denn nach unserem Kaffee«, sagte sie scherzhaft und nahm auch einen Schluck.
Der Kaffee ist fantastisch.

»Ich hatte gerade keine anderen Tassen«, lachte Iwaizumi verlegen. »Das waren mal Geschenke.«

»Wie kannst du diese bunten Tassen überhaupt deinen Gästen unterschlagen? Von nun an will ich meinen Kaffee bei dir nur noch aus dieser Tasse«, grinste Aya, wandte sich ab und schlenderte Richtung Couch im Wohnzimmer.

»Ich glaube, das krieg ich hin.« Schmunzelnd folgte Iwaizumi ihr ins Wohnzimmer. Sie hatte es sich in der rechten Ecke vom Sofa gemütlich gemacht, saß halb auf ihrem einen Bein und zog das zweite an ihre Brust. Ihre linke Seite lehnte an der Rückenlehne, sodass sie zu Iwaizumi gewandt war, der sich in die andere Ecke der Couch setzte.

»Erinnere mich später daran, dass ich deine Jogginghose und dein T-Shirt noch in meinem Rucksack habe«, meinte Aya nach einigen Sekunden der Stille.

»Ach, stimmt ja.« Iwaizumi hatte schon völlig vergessen, dass sie noch seine Sachen hatte. »Wie läuft es inzwischen seit letztem Wochenende zwischen dir, Suna und Osamu?«

»Gut...gut...fast wieder normal.« Ayas Lächeln erreichte nicht ganz ihre Augen. »Danke für die Fahrt heute. Das habe ich irgendwie gebraucht.«

»Freut mich, wenn ich helfen konnte. Ist gerade alles nicht so einfach bei dir, oder?« Iwaizumi tastete sich langsam vor. Wenn Aya nicht darüber reden wollte, war es ok für ihn, aber er wollte es zumindest versuchen.

»Ne...leider gar nicht. Aber gut, Trennung, Jobwechsel, neuer Wohnort und das alles auf einen Schlag ist auch nicht so leicht, obwohl sich vieles zum Besseren entwickelt hat. Eigentlich. Ich habe immerhin wieder Kontakt zu meinen Jungs und hab euch kennengelernt und dank dir so einen tollen Job bekommen.«
Iwaizumi erkannte, dass Aya diese Punkte ihrer Aufzählung gut finden sollte, doch etwas bedrückte sie dennoch daran. Er sagte erstmal nichts. Ayas Blick ging ins Leere und ihr Daumen fuhr gedankenverloren immer wieder über das Godzilla-Motiv auf der Tasse. Als sie wieder Iwaizumi ansah, waren ihre Augen glasig.
»Doch auch, wenn ich weiß, dass alles sich zum Besseren wendet, frage ich mich, wie ich davor nicht sehen konnte, dass es nicht gut war. Mir ging es gut. Ich war eigentlich mit Naoto glücklich - dachte ich. Doch mir wird durch die Trennung und die vergangenen letzten Woche immer mehr bewusst, wie viel doch falsch lief. Immer mehr Erinnerungen ploppen in meinem Kopf auf, die eigentlich nicht in Ordnung waren. In denen er irgendwas an mir kritisiert hat. Bis ich selbst automatisch, nach seiner Ansicht nach, richtig gehandelt habe. Bei euch allen kann ich so sein wie ich bin. Ich muss mich nicht verstellen, verrenken oder darf mir anhören, dass ich wieder nicht passe. Und ich frage mich ,wie ich das bei Naoto nicht sehen konnte. Ich hätte diesen Typen geheiratet, wenn ich ihn nicht mit einer anderen erwischt hätte. Wahrscheinlich sollte ich ihm sogar dankbar sein für das...«

»Stopp, stopp, stopp, stopp...stopp«, unterbrach sie Iwaizumi mit einer Handbewegung. »Sag so etwas nie wieder, ok? Wer fremdgeht, hat Null Komma Null Dankbarkeit verdient.«

»Aber...«

»Kein, aber. Das ist einfach das Letzte. Hör zu...« Iwaizumi griff nach ihrer Hand, die ausgestreckt auf der Rückenlehne lag. »Es ist nicht alles schwarz und weiß. Du warst mit ihm glücklich. Du warst bei ihm eine Variante von dir. Wo dir jetzt bewusst wird, dass du diese Variante nie wieder sein willst. Sei nicht so streng zu dir selbst und zweifel nicht alle Erinnerungen mit ihm an.«

Aya blickte schweigend auf ihre und Iwaizumis Hand. Seine Wärme strahlte beruhigend auf sie aus, und sie spürte, wie die Tränen, die sie zurückgehalten hatte, sich einen Weg an die Oberfläche bahnten.
Iwaizumi sprach weiter, seine Stimme war ruhig, aber bestimmt.
»Es ist ganz normal, dass du jetzt all diese Dinge hinterfragst. Und ja, vielleicht hast du in manchen Momenten nicht gesehen, was dir jetzt so klar erscheint. Aber das heißt nicht, dass du damals blind warst. Manchmal sehen wir nur das, was wir sehen wollen, weil es einfacher ist, und das ist auch okay. Das Wichtigste ist, dass du jetzt einen Schritt nach vorne machst. Und das tust du bereits.«

Aya biss sich auf die Unterlippe, kämpfte mit den Worten, die in ihrem Kopf kreisten.
»Aber... was, wenn ich das wieder mache? Was, wenn ich mich wieder für jemanden so verstellen und verändern lasse?« Ihre Stimme zitterte leicht, als sie ihre Gedanken laut aussprach.

Iwaizumi drückte ihre Hand fester, als wollte er seine Überzeugung auf sie übertragen.
»Aya, du hast aus der Situation gelernt. Du weißt jetzt, worauf du achten musst, und das bedeutet, dass du nicht mehr dieselbe Person bist wie damals.« Er hielt inne, ließ seine Worte wirken. »Vertrauen ist schwer, besonders wenn man verletzt wurde. Aber du wirst wieder lernen, dir selbst zu vertrauen – und anderen.«

Aya nickte langsam, obwohl die Zweifel noch immer tief in ihr nagten. Doch irgendetwas an Iwaizumis Worten drang zu ihr durch. Vielleicht war es seine ruhige Art oder die Tatsache, dass er sie nicht drängte, sondern einfach da war – fest und verlässlich.
»Danke...«, murmelte sie schließlich, ihre Stimme kaum mehr als ein Flüstern. »Ich weiß nicht, ob ich das alles ohne euch durchstehen könnte.«

»Musst du ja auch nicht. Aber du bist stärker, als du denkst«, erwiderte Iwaizumi sanft und schenkte ihr ein aufmunterndes Lächeln. »Es wird immer jemand hinter dir stehen und das meine ich so. Du brauchst wahrscheinlich nur ein Wort schreiben und Oikawa würde im nächsten Flieger sitzen. Also lass dir von niemandem einreden, dass du nicht gut genug bist. Du bist gut so wie du bist."

Aya atmete tief ein und ließ den Moment auf sich wirken. Bei der Aussage über Oikawa musste sie leicht lächeln, da er wahrscheinlich wirklich so reagieren würde. Sie hatte Rückhalt bekommen, ohne danach verlangt zu haben. Iwaizumi löste seine Hand langsam, als wollte er ihr die Entscheidung überlassen, die Nähe zu beenden oder zu halten. Und für einen kurzen Moment hielt Aya seine Hand noch fest, ließ nochmal die Wärme und die Ruhe auf sich wirken.
Dann ließ sie los und fuhr sich einmal durch die Haare, während sie ein Lächeln aufzusetzen versuchte.
»Also...«, begann sie, um die Stille zu brechen. »Ich glaube mein Kaffee ist nun kalt.«

Iwaizumi lachte leise, froh über den Stimmungswechsel. »Ich mache uns schnell zwei neue Tassen.«
Aya nickte, und während er sich erhob, um zur Küche zu gehen, folgte sie ihm mit dem Blick. Eine vertraute Wärme breitete sich in ihr aus, eine, die aus Freundschaft und Vertrauen wuchs. Es war eine leise, aber wichtige Erinnerung daran, dass es manchmal die kleinen, beständigen Gesten sind, die uns wieder auf festen Boden bringen.


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Schritt für Schritt (Iwaizumi x OC)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt