Kapitel 34

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Ich öffnete meine Augen. Hannah?, schoss es mir durch den Kopf. Was tat sie da? Wieso lag ich in meinem Bett? Ich spürte wie mir kalter Schweis von der Stirn rann. "Alles okay?", fragte sie mich besorgt. "Ja was sollte sein?", gab ich ihr zurück. Müde richtete ich mich auf und erkannte das meine Bettwäsche am Boden lag. Hannah hockte mit erschrockenem Gesicht neben mir. "Wie soll ich sagen? Du hast geschrien, aber ich konnte nicht verstehen was. Du hast deine Bettwäsche weggestrampelt. Ich machte mir Sorgen", berichtete die mir. Der Traum. Es fiel mir wieder ein. War das alles nur ein Traum gewesen? Alles? Ein Gefühl das sich wie Enttäuschung anfühlte, breitete sich in mir aus. Doch dann erinnerte ich mich an das Mädchen und ich war froh, dass Hannah mich geweckt hatte. Verdammt. Wieso musste ich auch genau jetzt von ihm träumen? Jetzt wo wir sowieso keinen Konakt hatten. "Danke fürs wecken", murmelte ich ihr entgegen und zerrte meinen müden Körper ins Badezimmer. Ich verspürte ein schmerzhaftes Ziehen im Bauch. Hunger? Oder einfach nur Bauchweh? Ich warf mir einen Blick im Spiegel zu und verzog mein Gesicht zu einer Grimassen. Ein Mädchen mit großen dunklen Augenringen und zerzausten Haare starrte mich an. Ihr Blick war leer. Ihre Augen verspürten nichts, nichts außer einer großen Portion Leere. Ich musterte mich. Meine Schulterknochen waren gut erkennbar, gleich wie mein Schlüsselbein und meine Oberschenkel waren dünner denn je. Innerlich fühlte ich mich trotzdem dick. Dick und Fett. Es fühlte sich an als würde ich eine Last von einem 200-Kilo-Menschen mit mir mit schleppen. Und bei jedem Schritt nimmt er an Gewicht zu. Genervt von mir selbst, wand ich mich von meinem Spiegelbild ab und gab mich einer wärmenden Dusche hin.
Das warme Wasser fühlte sich wie eine Masage für meine Haut an. Es tat gut, den kalten Schweis meines Albtraums abzuwaschen. Heute war bereits Freitag. Neuer Tag neues Glück? Um ehrlich zu sein, hatte ich keine Lust mich in die Klasse zu setzten und der ewigen Predigt des Lehrers zu folgen. Aber es blieb mir wohl nichts anderes übrig. Ich trocknete mich ab begann meine Haare zu Föhnen. Die Motivation mich zu schminken verflog ebenfalls. Ich verdeckte nur schnell meine dunklen Augenringe und verschwand wieder im Zimmer. Die wärmende Frühlingssonne wurde von Tag zu Tag stärker und ich entschied mich für eine jeansfarbene Boyfriendhose, kombiniert mit einem einfachen schwarzen Tanktop und meinem großen schwarz-weiß-rot karrierten Schal. Meine braunen Haare hingen glatt, aber voluminös bis zu meiner Brust. Ich warf mir ein gequältes Lächeln im Spiegel zu, schnappte mir meine Tasche und machte mich auf den Weg. Beim Frühstück gab ich mich mit einem Kaffe und einem Apfel zufrieden. Mehr brachte ich sowieso nicht hinunter. Wortlos saß ich neben Malis, Hannah und Julian und folgte ihrem Gespräch. Ich spürte Julians fragende Blicke auf mir, doch ignorierte sie. Früher oder später würde er mich sowieso zur Rede stellen. Als sie fertig gegessen hatten folgte ich ihnen zur unserem Klassenzimmer.

"Heute sind Sie aber wieder ganz schön in ihren Gedanken versunken, Fräulein Litter", holte mich mein Musikprofessor aus meinen Gedanken. Müde hob ich meinen Kopf und als er meinen schwachen Blick sah, wand er sich von mir ab. Mir doch egal, was er von mir denkt. Die Stunde schien nicht zu vergehen. Ich begann die Sekunden zu zählen, die ich noch hier verbringen musste und endlich ertönte die Klingel zum Unterrichtsende. "Luisa, bitte bleib noch einen Augenblick hier", forderte mich mein Professor emotionslos auf. Was habe ich denn jetzt angestellt? Wenn ich zu viel rede, und bekomme Ärger, und wenn ich schweige ebenfalls? Wobei ihm mein Schweigen noch weniger zu passen schien. Auserdem hatte ich andere Sorgen als Mozart und Shakespeare. Ich atmete tief durch. Doch was brachte mir es? Ich musste ja hier sein und auch aufpassen. Langsam ging ich Schritt für Schritt aufs Lehrerpult zu. "Ich habe sie heute beobachtet und ich bin der Meinung, ihre geistige Abwesenheit und körperliche Schwäche hat einen anderen Hintergrund als Desinteresse", er sah mich mit hochgezogenen Augenbrauen prüfend an. Was bitte will er von mir?! "Ähhm. Ähh. Ich weis nicht sorecht..was wollen sie jetzt für eine Antwort hören?", stotterte ich ein wenig überrascht vor mir her. "Nichts. Ich wollte sie darauf hinweisen, dass wir eine Schulpsychologin haben, die dir zuhören kann und wird. Ich möchte mich nicht in die privaten Angelegenheiten meiner Schüler einmischen. Doch es fiel mir sehr stark auf.", redete er weiter. Ich hörte nur die Hälfte. Psychologin?! "Dann bitte mischen Sie sich nicht in die privaten Angelegenheiten an! Ich brauche weder einen Psychologen, noch jede andere Art von Hilfe!", entgegnete ich entmutig, drehte mich um und verlies den Raum. Was bildete er sich ein? Ich brauchte keine Psychologin. Wieso denn? Ich überdrehte die Augen und ging den ganz entlang in meine nächste Klasse.
Plötzlich spürte ich zwei Hände an meiner Taille. Sie zogen mich ein Stück zurück und in eine kleine Seitenniesche. Wer verdammt..?!, doch weiter konnte ich nicht denken. Ich wurde umgedreht und geküsst. Diese Lippen kamen mir nur allzu bekannt vor. Ich deückte mich etwas weg und sah in Giannis geheimnisvolle Augen. "Hallo Hübsche", begrüßte er mich. "Wie gehts dir?", erkundigte er sich weiter. Seine Stimme blieb flüsternd, so als wäre es verboten sich mit mir zu treffen. "Naja. Unser Musikprofessor will mich zur Psychologin schicken. Ich bin müde und habe eigentlich keine Lust mehr. Aber sonst gut. Dir?", entgegnete ich ihm. Er zog mich ein Stück näher an sich ran. Ich spürte seine Wärme. "Jetzt bist du bei mir. Mir gehts gut", flüsterte er mir ins Ohr, und küsste mich erneut. Er fuhr mir mit seiner Hand durch die Haare und strich mir eine Sträne zurück. Seine blauen Augen strahlten. Ichbspürte einen kleinen Schmetterling in mir hochflattern. Aber nur einen Kleinen. Was war mir los? Müde seufzte ich. Noch 4 Stunden, dann war endlich Mittag. Dann werde ich höchstwahrscheinlich abgeholt und konnte zu Mama. Doch bei dem Gedanken, in das selbe Haus, in dem Valentin schlief, zu schlafen, wurde mir etwas flau. Ich wollte ihn nicht sehen. Nicht nach diesem Traum. Ichbsah hoch und Gianni schenkte mir ein aufmunterndes Lächeln. "Komm", meinte er liebevoll. Er nahm meine Hand in seine und zog mich hinter sich her. Ich stolperte ihm unbeholfen nach. Ich spürte die verwunderten Blicke meiner Mitschüler im Rücken, als ich mit Gianni vorbeiging. Hand in Hand natürlich. Vor der Klasse drückte er mir einen Kuss auf die Lippen. Einen Schnellen. So als ob er ihn möglichst schnell hinter ihn bringen wollte.

"Luiiiisa Schätzchen! Hieer!", meine Mutter schrie meinen Namen über den gesamten Hof und winkte mir freudig zu. Ich überdrehte meine Augen und schnappte mir meinen Koffer. Es waren zwar nur 3 Tage die ich mach Hause konnte, doch ich wollte sie ausnutzen. "Luisa. Wir fahren heute schon weg. An das Haus am See. Zuhause ist schon alles Gepackt. Wir fahren jetzt gleich hin." Die überrumpelten Neuigkeiten meiner Mutter verärgerten mich etwas. Ich wollte ein ruhiges Wochenende zuhause? "Ich hab keinen Bikini", gab ich ihr freudlos zurück. "Den gehen wir kaufen, dort gibt es bestimmt ein Kaufhaus", versuchte meine Mutter mich etwas aufzumuntern, während sie meine Koffer einlud. Müde setzte ich mich auf den Beifahrersitz. Ein letzter Blick aus dem Fenster vor dem Wochenende. Da sah ich Giannis Haarschopf. Er drehte sich um und suchte jemanden. Ich schloss nochmal die Türe auf und sprang aus dem Auto. "Luisa?", meine Mutter zuckte zusammen. Ich sprintete auf Gianni zu und umarmte ihn von hinten. "Was machst denn du noch hier Luisa?", fragte er überrascht. "Ein 'schön dich zu sehen und viel Spaß am Wochenende' hätte auch gereicht", gab ich ihm schnippisch zurück. Er ignorierte meine zickigen Worte und umarmte mich. "Ach Luisa", seufzte er. Er wich einen Schritt zurück und blickte mir tief in die Augen. "Muss ich mir Sorgen um dich machen?" , fragte er etwas verlegen. "Nein wieso?" - "Wegen deinen Aufpasser" Valentin? Er drehte sich um, ohne einen Kuss, und stieg in das Auto seines Vaters ein. Er hatte die selben Gesichtszüge wie er. Einen etwas ernsteren Blick. Traurig blickte ich ihm nach. Was war das denn für ein Abgang? Wollte er es dramatisch gestalten oder wie? Fast kullerte mir eine Träne die Wange hinunter, aber ich riss mich zusammen. Für ihn durfte ich keine Tränen mehr verschwenden. Nicht für diese Aktion. Diesen Abgang.
Ich wunk Hannah und Malis nochmal zu und stieg zurück ins Auto. Ich war etwas erleichtert endlich von diesem scheiß Internat wegzukommen. Endlich. Doch war es besser mit Valentin, seinem Vater und meiner Mutter zu ihrem Haus am See zu fahren? Ich rollte genervt meine Augen. Wieso musste genau mir soetwas passieren? Bevor meine Mutter noch ein Gespräch beginnen konnte, stöpselte ich mir meine Kopfhörer ins Ohr und kramte nach meinem iPod. Natürlich erzählte ich ihr nicht von dem Gespräch mit meinem Musikprofessor und ich versuchte das ganze Internat zu verdrängen. Ich bemerkte die fragenden Blick meiner Mutter und machte meine Musik aus. "Was?", fragte ich sie etwas genervt. Sie zog die Augenbrauen hoch, setzte an um etwas zu erwidern und lies es dann doch wieder. Müde lehnte ich mich etwas zurück und schloss meine Augen.

Als ich etwas später wieder munter wurde, war meine Mutter auf der Suche nach einem passenden Parkplatz. "Wo sind wir?", fragte ich skeptisch. "In einem Einkaufszentrum. Valentin hat es mir empfohlen.", antwortete sie glücklich. "Wie geht es dir meine Kleine?", fragte sie mich weiter. Ich erwiderte ihr Lächeln. "Gut. Und dir?" - "Ich bin etwas hungrig. Dein Bauch hat vorhin auch geknurrt. Lust auf etwas zu essen?", fragte sie freudig weiter. Ich bewunderte meine Mutter für ihre positive Ausstrahlung die sie tagtäglich von sich gibt. Ich nickte unzufrieden.

-H. ♡

Wild-OneWo Geschichten leben. Entdecke jetzt