Kapitel 8

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Ich blickte in Giannis eisblaue Augen, die mich irgendwie besorgt ansahen. Ich drehte mich weg. Ich wollte ihn nicht ansehen. Aus Reflex verpasste ich ihn einen sanften Stoß, um ihm wegzuweisen, doch er ging nicht weg. Was wollte er bitte? Ich saß wie versteinert da und brachte keinen Ton raus. Ich versuchte etwas zu sagen, doch ich schaffte es einfach nicht. Meine Augen waren in seinen gefesselt. Es fühlte sich an als würden seine Blicke tief in mich hineinsehen. Er starrte mich genauso wortlos an wie ich ihn. Seine Augen blitzten auf und zeigten eine Seite in ihm, die ich nicht erkennen konnte. Was war nur los? Gianni nahm sich einen Stuhl und setzte sich gegenüber von mir hin. "Verschwinde!", fauchte ich ihn mit zittriger Stimme an. "Ich lass dich nicht alleine wenn du so aussieht", gab er mir ruhig und irgendwie provuzierend zurück. Ich funkelte ihn böse an. "Was erwartet du dir jetzt? Wir kennen uns doch eigentlich garnicht. Nicht richtig. Auserdem hast du mich die ganze Zeit über ignoriert und und bist mir aus dem Weg gegangen. Kannst du nicht jetzt auch einfach abhauen?", warf ich ihn an den Kopf. Meine Tränen fingen wieder an zu rinnen. Mehr und mehr. Schweigend saßen wir da. Ich blickte zum Fenster hinaus, nur um nicht in deine fesselnden Augen sehen zu müssen. Die Schneeflocken wollten, gleich wie meine Tränen, nicht aufhören vom Himmel zu fallen. Geschätzte 10 Minuten saßen wir regungslos da. Niemand sagte etwas und auch wenn ich es nie zugeben würde, ich war froh, dass ich nicht alleine war. Irgendwan brach Gianni das schweigen. "Und was ist nun so viele Tränen wert?", fragte er mich leise. Seine Frage klang nicht neugierig. Nicht als würde er es aus Mitleid fragen oder um sich selber besser zu fühlen. Ich zuckte mit meinen Schultern und meinte nur: "Versteht du sowieso nicht." Obwohl ich nichtmal wusste, wie seine Familienlage zuhause war. Gianni sah mich an. Er blickte mir direkt in die Augen, als könnte er meine Gedanken ständig ablesen. Alles kribbelte in mir. Meine Füße wurden wärmer und mein Herz pochte noch immer viel zu schnell. Doch ich konnte nicht sagen, ob es von dem Telefonat mit meiner Mutte oder Gianni war. "Weist du, ich kann dir ja auch etwas von mir erzählen.", fing er an zu reden. Ich zuckte nur mit den Schulter. Wieso sollte er wollen, dass ich etwas über ihn weis? Er warf mir einen erwartungsvollen Blick zu. Doch dann stand er plötzlich auf und verließ den Raum.
In dem Moment als ich dachte, er würde sowieso nicht mehr zurückkommen öffnete sich die Türe und ich hörte seine Schritte näher kommen. In seiner Hand hielt er zwei Tassen Kakao mit viel Schlagobers. Er stellte die Tassen auf den kleinen Tisch zwischen uns ab. "Trink das. Das ist gut.", meinte er aufmunternt. "Danke" murmelte ich. Irgendwie war ich ihm wirklich dankbar. Nach einer zweit fing ich an zu reden. "Sind deine Eltern eigentlich noch zusammen?" Er schüttelte den Kopf. Er wollte etwas sagen und setzte zum Reden an. Tat es dann aber doch nicht. Er sah zum Fenster raus und fing an zu erzählen: "Meine Eltern waren nie zusammen. Meine Mutter verließ ihn als ich noch ein Baby war. Meinen Vater sah ich das letzte Mal vor 3 Jahren. In Italien. Er lebt dort noch. Wir sind von Italien hier her gezogen. Deswegen auch mein Name. Gianluca eigentlich. Naja. Aber es ist halb so schlimm." Ich hörte ihm aufmerksam zu. Sein Gesichtsausdruck wurde ernster, als er in knappen Sätzen seine Familienlage schilderte. Als er fertig war zuckte er gleichgültig mit seinen Schultern. "Und deine? Sind sie gerade in einer Scheidung?", fragte er weiter und richtete seine Blicke auf mich. Ich nickte und fing an zu erzählen. Alles. Das ich zuerst von der Scheidung nichts wusste und, dass meine Mutter ohne mich zu fragen mit mir umzog. Zu einem Mann den ich nicht kannte und an einen Ort an dem ich noch nie gewesen bin. Es tat gut darüber zu reden. Hin und wieder kullterten mir kleine Tränen hinunter, dich selbst die verschwanden irgendwann. Ich erzählte auch, dass ich Angst hatte meinen Vater nie mehr zu sehen. Und Angst hatte, irgendwann alleine dazustehen. Gianni verstand mich. Wir redeten weiter. Über Gott und die Welt. Über alles. Ich konnte mit ihn über Dinge reden, über die ich normal nichtmal mit Hannah reden konnte. Er verstand meine Familiensituation, weil seine meiner ähnlich war. Hannah's Familie war perfekt. Sie und ihre Eltern verstanden sich prima.

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