✬•Beschissene Träume und Sahne

106 9 21
                                    



Ich erblickte eine karge, unebene, dunkle Landschaft. Ich brauchte einige Momente, bis ich realisierte, dass ich auf dem Mond war. Prüfend blickte ich an mir herunter. Komisch...

Ich hatte weder einen Raumanzug an, noch normale Kleidung. Ich war barfuß und betrachtete stirnrunzelnd das Kleid, dass eine Mischung aus grau, blau und silbern war. Ich drehte meinen Kopf und erstarrte. Zierliche, wunderschöne Flügel zierten meinen Rücken. Ungläubig und schweratmend dachte ich nach. Tausend Fragen schossen mir durch den Kopf. Wieso sah ich so aus wie eine Märchenfigur? Warum gefiel mir das Kleid so? Ich hasste doch normalerweise Kleider und Röcke!

Und vor allem: Warum atmete ich auf dem Mond, als ob es das normalste der Welt war?

,,Luna!", ertönte es plötzlich hinter mir.

,,Mum?", ruckartig drehte ich mich um. ,,Mum!" Ich rannte auf sie zu und schloss sie in die Arme. Egal ob es ein Traum war oder nicht, ich wollte die Zeit mit ihr ausnutzen. ,,Ja, meine Sternschnuppe. Ich kann nicht hier bleiben, deswegen machen wir es kurz, da ich nicht weiß, wann die Wachen bemerken, dass ich traumwandle", sie löste sich von der Umarmung und mich an.

,Neptuanische Wachen halten mich gefangen, das hast du ja gestern erfahren. Behalte die Kette aus dem Kästchen, es ist ein Familienerbstück und so werde ich immer bei dir sein, Schatz" Mum hielt kurz inne. ,,Luna, ich kann kaum glauben, dass ich das jetzt sage. Aber ich habe bis jetzt alles ausprobiert, du bist meine letzte Hoffnung"

Sie blickte mich mit ihren grauen Augen traurig an. ,,Meine Welt, dein neues zweites zuhause, Luna, droht ins Chaos zu stürzen. Marabella findet ihre Schönheit wichtiger als das Mondvolk. Sie hat sich sowieso schon immer um ihr Aussehen gekümmert" Sie schnaubte abfällig.

,,Luna, deswegen habe ich Shiny zu dir geschickt. Du musst wenigstens meine Heimat retten. Ich kann von mir aus auch auf Neptun verrotten, aber nicht das Mondvolk. Ich weiß, Shiny ist nicht immer einfach, aber sie ist die beste Mondfee, die ich kenne und wohl auch noch die ehrlichste und die einzige, der ich meiner Tochter anvertrauen kann." Meine Mutter sah mich flehend an. ,,Ich wünschte, ich hätte dich aufwachsen sehen, aber Chris war zum Glück da. Er weiß, ob du Allergien hast oder wann du spätestens ins Bett musst, was deine Lieblingsfarbe ist und wie du am liebsten Eis essen gehst" Ich überlegte.

,,Ich werde mich morgen entscheiden, okay?", antwortete ich vorsichtig. Sie sah mich verständnisvoll an. Plötzlich überkam mich das Gefühl, als hätte ich mich seit Ewigkeiten auf der gleichen Stelle gedreht und ich fasste mir etwas verpeilt an die Stirn. ,,Überleg es dir gut! Das Königreich zu retten, sich mit einem Neptuaner anzulegen die andere", warnte sie mich. Dann wurde alles schwarz und ich stürzte in eine unendliche Tiefe.

★⭐︎

,Aufwachen!", brüllte eine Stimme ganz nah an meinem Ohr. Ich blinzelte und fuhr augenblicklich hoch.

,,Mann, Shiny musstest du so laut schreien, dass man denkt ein Monster wäre hinter dir her? Mein Gott ich hab sogar deinen widerlichen Mundgeruch gerochen!!", jammerte ich. Shiny sah mich

neugierig an. ,,Und wonach?",fragte sie. ,,Nach Schokolade? Nach Mondfrüchten? Oder... heiliger Mo, Mondkekse?"

Sie sah verträumt zur Decke hinauf. Ich stöhnte genervt auf. und ließ mich zurück auf mein Kissen fallen. ,,Das willst du gar nicht erst wissen", murmelte ich und dachte dabei angewidert an den wohl ekelhaften Gestank, den ich je gerochen hatte.

,,Okay, ich geh ja schon Fundputz meine Zähne", erwiderte sie genervt. ,,Aber um eins klarzustellen: Ich bin keine Zahnfee, das wäre noch widerlicher als mein Mundgeruch. Im ernst, stell dich nicht so an!" Sie flog aus meinem Zimmer in die gegenüberliegende Kammer. ,,Shiny, das ist nicht das Bad!", rief ich ihr hinterher. ,,Da sind Bettdecken und Handtücher drin"

,,Ich we-eiß!", sagte Shiny dümmlich und flog wieder in mein Zimmer. ,,Ich wollte nur wissen, ob du wach bist und nicht gleich wieder einpennst!", redete sie sich heraus. Ich grinste.

★⭐︎

Beim Frühstück sagte ich kein Wort zu Dad. Wir waren alleine, denn anscheinend hatte Shiny auf eine sehr gründliche Zahnreinigung bestanden. Dad hatte mir immer noch nicht die ganze Wahrheit erzählt und das enttäuschte mich. Klar, es war nicht ganz fair, da er ja gerade erst seine Erinnerungen zurück erlangt hatte, aber etwas verschwieg er mir und ich fand das ganz und gar nicht wirklich in Ordnung. Das log sonst nie, wenn er mir etwas verschwieg hatte er einen guten Grund, doch dieses Thema war nicht einfach etwas einigermaßen Normales, sondern es ging um Mum.

,,Luna-Schatz, was ist los?!", fragte er besorgt. Ich knallte das Brötchenmesser auf den Tisch.

,,Gar nichts, ich hatte diese Nacht nur einen bescheuerten Traum, Shiny raubt mir den letzten Nerv und ich habe das Gefühl, dass du mir etwas verschweigst, was ich sowieso in spätestens einer Woche herausfinden werde" giftete ich, packte meinen Teller in die Spülmaschine und verkroch mich in meinem Zimmer.

Dort wartete schon Shiny auf mich.

Konnte es kaum erwarten.

,,Du, ich muss dir was sagen...", piepste sie. ,,Ich hab die langen, gelben Dinger aus dem Gefrierfach gegessen...", sagte Shiny kleinlaut. Aha. Ich kuschelte mich auf mein Bett und starrte Löcher in die Decke. Plötzlich legte sich Shiny auf meine Schulter und nach fünf Minuten brabbelte sie nur noch im Tiefschlaf.

★⭐︎

Ich dachte den ganzen Tag darüber nach, ob ich das ,,Mondvolk" in Stich lassen sollte oder half, indem ich meine Mutter befreite, meine Tante vom Thron stürzte und das ganze Volk wieder happy sein würde.

Die Entscheidung war leicht: Ich werde egoistisch und feige auf der Erde bleiben und meine Mutter nie wieder sehen.

Was?

Um mich ein bisschen besser zu fühlen fertigte ich eine Top-5-Liste an, mit allen Bedenken und Fragen, die ich hatte:

1. Ich würde Mum nie wieder sehen

2. Hatte das mit Mondvolk usw. auch Auswirkungen auf die Erde?

3. Was würde Dad tun?

4. Wenns schief ging, würde ich immer wissen, dass ich alle im Stich gelassen hatte

5. Was würde Dad sagen, wenn er davon erfuhr? Ganz sicher nicht stolz sein!

Was machte ich jetzt nur?!

Ich schlurfte zur Küche und schaute auf die Uhr.

15:31 blinkte mir in roten Zahlen entgegen.

Es waren Ferien und ich war um neun Uhr ins Wohnzimmer gegangen, um die sozialen Netzwerke kurz zu checken und um mich über den aktuellen Stand der Astrologie zu bringen. So etwas wollte ich später mal machen. Irgendetwas mit Astrologie.

Also war ich seit sechs Stunden und fünf Minuten auf und hatte mir den Kopf zerbrochen, damit ich mich endlich mal entscheiden würde. Müde machte ich den Kühlschrank auf, dass Shiny Sprühsahne an die Kühlschrankregale schmierte während sie das weiße Zeug aß, war mir so ziemlich egal.

Gerade wollte ich nach einem Jogurt greifen, als Shiny schmatzend anfing.

,,Weißt du, die angeblich jetzige Königin ist fies, egoistisch, selbstverliebt, zum kotzen, mega anstrengend und gehört ins schwarze Loch!

Na ja und da dachten sich die, die davon wissen, dass es Tunglið noch gibt- also das ist nur eine ganz kleine Organisation, vielleicht fünfundzwanzig Leute - dass du sie befreien kannst, denn du bist ihre Tochter und hast besondere Kräfte. Keine Sorge, die kriegst du erst, wenn du siebzehn bist.

Du kannst entscheiden ob du dich traust. Oder, ob du ein feiges Glympho bist!"

Ich wusste nicht, was ein Glympho war, aber ermutigen tat es schonmal gar nicht. Shiny konnte wohl keine fünf Sekunden still sein.

Okay, Luna, du sagst es. Jetzt.

Ich holte tief Luft, aber trotzdem kam nur ein kleines, piepsiges ,,Ich mach' es. Ich werde meine Mum befreien. Hoffentlich"

Fragend sah Shiny mich an. ,,Was hast du gesagt?", fragte sie dumpf, da sie das ganze weiße Zeug noch im Mund hatte. ,,Ich mache es", sagte ich mit etwas festerer Stimme. Eine Weile hatte es gedauert, aber die Entscheidung wurde gefallen. In dem Moment, als ich Shiny mit Sahne erblickte.

Die Unsterblichkeit des Universums | MONDREIHE | PAUSIERTWo Geschichten leben. Entdecke jetzt