Ich seufzte und vergrub den Kopf in meinem Kissen. ,,Luna, du kannst hier nicht ewig bleiben. Geh wenigstens raus, ein bisschen frische Luft schnappen. Das würde dir gut tun", schlug Shiny vor und setzte sich auf die Lichterkette, die über meinem Bett baumelte. ,,Shiny, vergiss es", erwiderte ich und drehte mich um, sodass ich nicht in ihr verzweifeltes Gesicht sehen musste.
Seit Tagen versank ich in einem riesigen Meer aus Trauer und schaffte es nicht, daraus zu entkommen. Shiny, Life und Mum taten alles, um mich aufzumuntern, doch ich kam einfach nicht von der Trauer los. Ich versuchte noch nicht einmal, von ihr loszukommen. Warum auch? Ich hatte alles verloren. Es gab eine kurze Zeit, als ich anderen die Schuld für das Vorgefallene gab. Shiny, weil sie überhaupt in meinem Garten gelandet hat. Life, weil er mich von der eigentlichen Mission abgelenkt hatte. Mum, weil sie in meinen Träumen herumgespukt ist. Nandin, weil er Mum entführt hatte. Marabella, weil sie die Schreckenskönigin war und der Prophezeiung, weil sie existierte. Aber ich lag im Unrecht, denn ich kam zu dem Schluss, dass ich Schuld war.
Ich hatte Dad nicht gerettet. Ich hätte im Palast bleiben sollen, um den Deal einzulösen und Dad zu schützen. Ich war Schuld, weil ich einen besseren Plan hätte haben können.
Ich hatte alles falsch gemacht.
Eine Träne lief mir über das Gesicht und ich starrte die Wand an.
Während den letzten Wochen hatte ich gelernt, lautlos zu weinen. Denn wenn ich es nicht täte, würden sich alle noch größere Sorgen machen und das wollte ich um jeden Preis vermeiden. Ich verdiente es nicht, dass sich jemand um mich sorgte.
Ich war an allem Schuld. Ich war ein kompletter Fehler.
,,Aber warum? Luna, du kannst nicht einfach dein komplettes Leben hier in deinem Bett bleiben!", rief sie. ,,Du... du kannst nicht dein ganzes Leben verschlafen", fügte sie hinzu.
Ich setzte mich auf. ,,Ach ja? Dann sieh, was ich hier mache! Ich bleibe hier. Aber du kannst es sowieso nicht verstehen, denn wenn ich es richtig verstanden habe, hattest du nie eine richtige Familie. Also komm du mir nicht mit deinem Allwissend-Getue!", zischte ich und funkelte sie wütend an.
Etwas verletzt sah sie mich an. ,,Ich versuche dir hier zu helfen, okay?! Seit Wochen tun wir nichts anderes, als zu versuchen dich aufmuntern und trotzdem kommst du kein wenig auf uns zu. Das kann ich vielleicht gerade so noch verstehen, aber von meiner Familie weißt du gar nichts!", sagte Shiny mit zusammengebissenen Zähnen. Ich wandte mich wieder ab, wahrscheinlich weil in mir das schlechte Gewissen hoch kam. Innerlich musste ich zugeben, dass es fies und unfair von mir gewesen war. Doch nun war es zu spät und ich hatte zu viel Stolz und ich war zu wütend auf meine eigentliche beste Freundin, als dass ich mich entschuldigen würde.
,,Weißt du was, Luna? Ich bin hier fertig. Ich muss mir das nicht länger antun. Dich in der Trauer versinken zu sehen und dich hier rumgehen sehen, als ob du eine leblose Hülle wärst. Du schließt dich nur noch ein und weinst. Hast du auch mal an uns gedacht? Wir alle haben etwas verloren! Ich meine beste Freundin, Life seine erste große Liebe und deine Mutter nicht nur ihre Tochter, sondern auch ihren Ehemann, den sie immer noch nicht gesehen hat! Die Stimme, die in deinem Kopf sagt, dass es keine anderen Möglichkeiten mehr gibt, lügt. Doch... ich weiß nicht mehr, was ich machen soll... Bis bald, Luna. Ich mag dich wirklich sehr" Dann flog sie aus meinem Zimmer mit einer blauen Aura um ihre Flügel, die nur noch lustlos schimmerten. Ich atmete tief ein und aus. Eigentlich hatte sie recht. Eigentlich sollte ich für die anderen da sein. Uns gegenseitig unterstützen und das taten sie auch. Bis auf mich, die sich einschloss und kaum noch redete.
Ich unterdrückte ein Schluchzen und schluckte. Meine Sicht verschwamm, ich kniff die Augen zusammen und versuchte nicht zu weinen.
Ich bin alleine. War es wohl schon immer, nur hatte ich es nie bemerkt. Und jetzt war ich hier, nachdem ich es bemerkt hatte und wusste nicht, was ich tun sollte.
Die Stimme, die in deinem Kopf sagt, dass es keine anderen Möglichkeiten mehr gibt lügt.
Ich schüttelte hektisch den Kopf und konnte die Tränen nicht länger zurückhalten. Sie rannen über meine Wangen, in Sturzbächen und waren nicht aufzuhalten. Ich versuchte Luft zu bekommen, zu atmen, mich irgendwie wiederzubeleben. Doch es klappte nicht. Wie die letzten Wochen, jeden Tag und jede Nacht, die ich durchmachte.
,,Ich bin alleine", wisperte ich, ohne wirklich zu verstehen, was ich da gerade von mich gab. ,,Ich bin... Gott, ich bin verloren" Ich schluchzte auf und versuchte, meinen Blick von den Fotos abzuwenden, die ich fein säuberlich auf meiner Kommode aufgestellt hatte. Auf jedem waren Dad und ich zu sehen.
Ich wusste nicht, was in mich gefahren war, doch mich packte eine ungeheure Wut. Ich schrie auf und schleuderte jeden einzelnen Bilderrahmen gegen die Wand. Einen nach dem anderen. Als die Wut verblasste, merkte ich erst, was ich getan hatte. Ich fuhr mir durch die Haare und die Tränen kamen zurück. ,,Was hab ich getan?", fragte ich entsetzt.
Ich ließ mich erschöpft auf mein Bett sinken und sackte in mich zusammen. ,,Was soll ich jetzt machen?", flüsterte ich.
,,Etwas unternehmen", sagte Life plötzlich hinter mir. Ich hob meinen Blick. ,,Du", zischte ich. ,,Weißt gar nichts"
Er setzte sich neben mich. ,,Oh doch", erwiderte mein Freund. ,,Willst du damit sagen, dass du deinen verdammten Vater für immer verloren hast?! Life... ich", ich atmete geräuschvoll aus und lächelte gequält. ,,Life, ich kann einfach nicht mehr. Ich hab noch nicht einmal die Kraft, mich mit dir zu streiten, okay? Ich hab dazu keine Lust. Lass mich einfach in Ruhe! Ich hab genug. Von allem"
Plötzlich packte er mich an den Schultern und sah mich forsch an. ,,Ich hab auch keine Lust mehr, Luna! Ja, stell dir vor! Aber lass dir eins gesagt sein, wie hart es auch klingen mag: Es geht nicht um dich. Nicht mehr. Denn wir alle sind dabei, jemanden zu verlieren, okay?" Tränen liefen sein Gesicht herunter und er schluchzte auf. ,,Bei Mo, ich bin gerade dabei die Person, die mir am meisten etwas bedeutet zu verlieren! Und es macht mich fertig, dass es ihr eigener Kampf ist und ich ihr dabei nicht helfen kann" Ich schluckte, als er meine Hand in seine nahm. ,,Life, es...", ich stockte. Egal was ich sagen würde, es würde falsch sein. ,,...ist nicht wichtig. Ich bin nicht wichtig. Ich habe versagt, ich habe es nicht verdient und-", meine Stimme brach. ,,Hey", flüsterte Life. ,,Hey. Luna" Er kam mir immer näher, bis seine Lippen meine Haut berührten und dort, wo sie es taten, kribbelte es verdächtig. Ohne es zu wollen, fühlte ich mich viel wohler.
,,Du hast nicht versagt", sagte Life und kam meinen Lippen immer näher. ,,Du hast immer noch die Chance alles wieder gut zu machen. Du hast immer noch die Chance, deinen Vater wiederzusehen"
Dann trafen seine Lippen auf meine. Und das war der Moment, in dem sich alles änderte.
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Willkommen zum zweiten Teil von Mondfee!
Unbedingt den ersten Teil lesen, wenn ihr ihn noch nicht gelesen habt, sonst könnte es schwierig werden💁🏼
PUBLISH/ANFANG:16.04.2017
xxAlice
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Die Unsterblichkeit des Universums | MONDREIHE | PAUSIERT
Fantastik»Ein Mädchen wird in eine komplett andere Welten katapultiert - freiwillig und eher unfreiwillig. Denn Vorteile hat diese auf jeden Fall: Eine Krone - mehr oder weniger, eine neue beste Freundin, echt coole Feenflügel. Das Kleingedruckte: Jede Menge...