Danke für eure Besserungswünsche! Es geht mir zwar noch immer nicht perfekt, doch es ist nach einer gut geschlafenen Nacht etwas besser. :)
Ravely
Argwöhnisch betrachte ich Harry, wie er jede Sekunde mehr Farbe aus seinem Gesicht verliert, während er telefoniert.
„Was?", keucht er mit aufgerissenen Augen ins Handy. „Ein Autounfall?"
Ich werde hellhörig. Ein Autounfall? Sofort pumpt mein Herz schneller. Um wen geht es da?
„Ich werde sofort losfliegen", spricht er wieder und steht auf, Emerald sieht ihn genauso sorgsam an. „Morgen Nachmittag werde ich da sein – Ja – Okay, halte mich auf dem Laufenden." Er legt auf und wählt eine neue Nummer in seinem Handy.
„Was ist los?", taste ich mich vorsichtig ran.
„Meine Mutter", erzählt er hektisch und wischt sich durchs Gesicht, während er sich das Handy erneut ans Ohr hält. „Sie – Hallo, Steven? – Du musst mir einen Gefallen tun und mir einen Flug noch heute nach England besorgen – So früh wie möglich."
Ich schnappe entsetzt nach Luft. Seine Mutter? Und ein Autounfall? O, nein. Seine Mutter hatte einen Autounfall und liegt im Krankenhaus. Anne, die arme Anne. Harry wird wieder nach England zu ihr fliegen, das steht fest.
„Ravely", unterbricht Harry noch mit dem Handy am Ohr meine Gedanken.
Ich blicke erwartungsvoll auf.
„Soll ich für dich auch ein Ticket buchen?"
„Ja", sage ich reflexartig und bereue es kein Stück. Ich liebe Harry noch immer und ich werde ihm auch jetzt beistehen, genauso wie ich ihm bei Tammy beistand. Es fühlt sich an, wie eine Pflicht.
Er lächelt etwas und sagt dann Steven, dass er zwei Tickets buchen soll. Sofort gehe ich hektisch zu einem Regal und fülle eine Tasche mit allem, das ich so brauchen werde. Ich packe erst mal für zwei Tage, denn mehr passt sowieso nicht in die Tasche. Jetzt werde ich tatsächlich mit ihm nach England fliegen. Ich würde mich darüber freuen, doch der Grund ist mehr als traurig. Ich hoffe, Anne geht es gut. Es wäre grausam, wenn sie ... Ich will gar nicht daran denken.
Während Harry und ich mit dem Taxi zum Flughafen fahren, rufe ich schnell Zayn und gebe ihm Bescheid, dass er sich um Emerald kümmern muss und ich die nächsten Tage nicht zu den Seminaren kommen werde, da ich in England sein werde. Ich habe ihm nicht von Anne erzählt, weil ich nicht wüsste, wie Harry sich dabei fühlen würde.
Er ist die ganze Zeit extrem angespannt, tippt während der Fahrt nervös auf seinem Knie rum und spielt sich nachdenklich an der Unterlippe. Ich kann ihn verstehen. Er ist tausende von Kilometer von Zuhause entfernt, während seine Mutter im Krankenhaus liegt. Diese Entfernung muss ihn gerade sehr belasten.
Um neun Uhr sitzen wir auch schon im Flugzeug nach England, in der ersten Klasse. Harrys Flugangst macht alles nur schlimmer, jede Minute wird er noch nervöser und seine Erkältung macht nichts besser. Er tut mir nur noch leid.
Als ich beobachte, wie er wieder so hektisch auf seinem Knie rumtippt und seinen Blick beinahe ängstlich durch das Flugzeug gleiten lässt, halte ich es nicht mehr aus. Ich lege meine Hand auf seine und halte seine Finger ruhig. Er sieht mich nahezu erschrocken an.
„Du musst dich beruhigen", spreche ich ihm liebevoll zu und schließe meine Finger in seine, die er sofort ergreift. „Versuch am besten zu schlafen ... Du kannst nicht die nächsten neun Stunden mit so einer Hektik hier sitzen."
Er verkrampft sein Gesicht und starrt auf unsere Finger, antwortet mir aber nicht. Da ist wieder diese Falte zwischen seinen Brauen.
Sachte fahre ich mit meinem Daumen über seinen Handrücken. „Versuch es wenigstens ... Bitte", flehe ich, weil ich es nicht mag, wenn er sich so viele Sorgen macht. Wenn er schläft, kann er sich ausruhen.
„Selbst wenn ich wöllte, kann ich hier nicht schlafen. Wir sitzen in einem beschissenen Flugzeug", murrt er.
Ich seufze unglücklich. O, Harry. „Ich habe Schlaftabletten mitgenommen."
Er lacht bitter auf. „Vergiss es. Ich nehme so einen Scheiß nicht."
„Bitte", sage ich leise. „Die nächsten neun Stunden werden sonst reine Folter für dich."
Harry nimmt seine Hand aus meiner und verschränkt die Arme. „Nein und damit hat sich die Sache."
Traurig nehme ich meine Hand wieder zurück und nicke verständlich, sehe aus dem kleinen Fenster neben mir, wo ich noch die Startbahn sehen kann mit den paar Lichtern. Ich wünschte, er würde einfach schlafen, denn dann könnte ich auch beruhigt schlafen. Ich bin sehr müde, doch ihn seelisch hier allein zu lassen, könnte ich nicht.
„Na gut", seufzt Harry nach einer Weile und ich sehe ihn an. „Gib mir schon diese scheiß Tabletten."
Ich grinse etwas zufriedener und hole aus meiner Tasche gleich zwei Schlaftabletten. Ich überreiche sie ihm und er nimmt sie mit angewidertem Gesicht.
„Gleich zwei?", fragt er.
„Sie sind nicht besonders hochdosiert und du bist größer als ich, deswegen würde eine nicht wirken", erkläre ich und reiche ihm gleichzeitig den Wasserbecher, den mir vorhin die Stewardess gegeben hat.
„Das geht so was von gegen meine Prinzipien", meckert er und nimmt den Becher.
„Du wirst nicht die ganzen neun Stunden schlafen, vielleicht höchstens sechs oder sieben. Sie sind wirklich nicht sehr stark, aber sie beruhigen dich und du musst dich einfach beruhigen."
Er atmet tief ein und aus und legt sich die beiden weißen Tabletten auf die Zunge, dann spült er sie runter. Das Flugzeug beginnt sich zu bewegen und Harry ergreift erschrocken meine Hand.
Ich schmunzle etwas amüsiert. „Keine Angst", rede ich ihm fürsorglich zu. „Ich bin da, wenn du wieder aufwachst."
Er lehnt sich in den Sitz zurück und schließt die Augen, lässt meine Hand jedoch nicht los. „Ich weiß." Nach einer Weile, fragt er: "Wieso hast du eigentlich Schlaftabletten?"
"Ich schlafe nicht gut", sage ich wahrheitsgemäß. "Und wenn ich mal die Chance habe, lange und ausgiebig zu schlafe, möchte ich auch schlafen können, ohne jede Stunde aufzuwachen."
Mit gerunzelter Stirn sieht er mich an. "Was heißt das du schläfst nicht gut?"
"Es ist nichts schlimmes", erkläre ich und lächle beschwichtigend. "Ich habe nur ständig Angst, wenn ich schlafe, irgendwo zu spät zu kommen oder die Arbeit zu verschlafen und daher können Schlaftabletten manchmal nachhelfen."
Er nickt und sieht wieder weg. "Verstehe ... Ich dachte schon, du hättest Albtraume. Wie ich."
Sofort schwindet mein Lächeln, wenn ich an seine Träume denke. "Hast du sie noch?"
"Nein", seufzt er und schließt wieder die Augen. "Zum Glück."
Als wir ganz oben im Himmel angekommen sind, sehe ich, dass er eingeschlafen ist, denn sein Atem ist regelmäßig und beruhigter als vorhin. Ich nehme meine Hand aus seiner und nehme die dunkelblaue Decke aus dem Sitz vor uns und lege sie über ihn, beobachte seine Lippen, wie sie sich synchron zu seinem Atem bewegen. Da ich mir sicher bin, dass er nicht aufwachen wird, fahre ich mit meinem Finger über die warme Haut seiner Wangen, streiche ihm eine lockige Haarsträhne hinters Ohr.
Ich habe solch ein Deja-vu. Vor einem halben Jahr noch habe ich ihm beim Schlafen zugesehen, nachdem Tammy operiert wurde und heute ist seine Mutter der Grund, wieso ich ihn in den Schlaf zwingen muss, damit er nicht die Fassung verliert. Er hat das alles nicht verdient. Er hat gar nichts hier von jemals verdient gehabt, Harry ist so ein guter und toller Mensch. Genauso wie Anne. Sie hat diesen Unfall nicht verdient, absolut nicht. Ich hoffe für jeden, dass es ihr gut geht, wenn wir morgen in England sind.
Endlich hat Harry sein Geld und sein Buch wieder und schon das. Kaum sind wir wieder ... wir, passiert so Etwas. Ob das wieder ein Zeichen vom Schicksal ist? Ich weiß es nicht.
Ich kuschle mich an Harry, damit auch ich wohlig einschlafen kann. Ich hoffe einfach, dass wir fast den ganzen Flug schlafen werden. Wenn er bei mir ist, schlafe ich so gut, das hat mir in den letzten Monaten gefehlt.
DU LIEST GERADE
Forever Collide 3
Fanfiction"Es ist hart ohne jemanden zu leben, der sich einst wie Zuhause anfühlte." Wird das Schicksal Raven und Harry wieder zusammenführen? Wird ihr so Etwas weiter bestehen? written by @articulair