Kapitel 293 - Hellblauer Schmetterling

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Ravely

Vier Tage sind vergangen, seit dem Brand in meiner Wohnung seit der Trennung von Harry. Und ich werde von Tag zu Tag depressiver, weil ich mich noch nie so leer gefühlt habe, jetzt wo ich Harry mal wieder verlassen habe. Auf Grund dessen, weil es sich immer mehr so anfühlt, als würde ich einen riesigen Fehler machen. Mein Kopf kämpft mit diesem Nein und Ja seit Tagen und bisher habe ich noch keine Antwort gefunden.

Ich starre oft auf mein Handy und bin kurz davor Harry anzurufen, so wie er es mir angeboten hat, doch im letzten Moment lege ich es weg. Warum, weiß ich nicht. Aus Angst davor, dass er Recht haben könnte? Ich will nicht diejenige sein, die alles vermasselt und der Grund für all das ist, was uns in den letzten Monaten wiederfahren ist.

Der Schaden in meinem Apartment wurde auf achttausend Dollar geschätzt und das hat mir den Boden unter den Füßen weggerissen. Achttausend Dollar, die ich nicht habe. Meine Versicherung wird nicht viel bezahlen, weil der Unfall fahrlässig war. Aber das habe ich wohl verdient. Denke ich. Mein Mieter hat mir ebenfalls eine Frist gegeben, bis ich die Wohnung verlassen muss.

Deswegen fahre ich heute am 29. Dezember mit Zayn zu meinem Apartment, um meine restlichen Sachen zu holen. Die letzten Tage war ich mit Emerald nur bei ihm. Die Stimmung im Allgemeinen ist sehr angespannt, weil ich durchgehend schlechte Laune habe und selten mit mir reden lasse, weil ich solche Gewissenskämpfe in mir umhertrage. Es war noch nie so schwer, wie in den letzten Tagen, weil mich einfach eine unerklärliche Schuld belastet.

„Du hast Post", sagt Zayn, als ich die Tür aufschließe und greift in meinen Briefkasten.

„Nimm sie mit hoch", sage ich und schließe die Tür hinter uns. Wahrscheinlich Rechnungen und anderen Kram, mit dem ich mich jetzt nicht auseinander setzen möchte.

Wir schlurfen die Treppen nach oben und ich schließe widerwillig auch meine Wohnungstür auf. Ich will hier nicht rein. Dieser Geruch von Zerstörung liegt noch in der Luft.

„Rechnungen", sagt Zayn, als er durch die Post guckt und wir ins Wohnzimmer gehen.

„Wer hätte das gedacht", murmle ich und versuche meinen Blick von der verbrannten Küche abzuhalten. Ich öffne ein Fenster, weil es mehr als stickig ist.

„Und", sagt Zayn jetzt mit überraschtem Unterton. Er reißt schnell einen Brief auf. Von wegen Briefgeheimnis. Beinahe hektisch entfaltet er den dunkelblauen Zettel darin und scannt die Zeilen. „Eine Einladung."

Gleichgültig gehe ich zu meinem Kleiderschrank und lege die Kleider in meinen mitgebrachten Koffer. „Oh, wow. Wofür? Für die Klapse?"

„Nein. Für eine Lesung." Er kommt – den Blick noch immer auf den Zettel gerichtet – zu mir. „Oh, mein Gott. Harry hält eine Lesung hier in New York und lädt dich dazu ein."

Schnell reiße ich ihm den Zettel aus der Hand und betrachte ihn. Tatsächlich. Harry hält eine Lesung im Works Bookstore für Als wir unendlich waren. Das ist ja Wahnsinn. Ich freue mich unheimlich für ihn, er hat es mehr als verdient.

„Und wirst du hingehen?", fragt Zayn aufgeregt.

Ich seufze und gebe ihm den Zettel wieder. „Nein." Trübselig setze ich mich auf den Boden und falte meine Klamotten, lege sie in den Koffer.

„Wie nein? Er hat dich eingeladen und das obwohl du so blöd bist."

„Ich bin nicht blöd!"

Zayn verdreht die Augen. „Doch bist du, wenn du nicht hingehst. Siehst du, wie er sich anstrengt? Man, ich wünschte wirklich, dass er schwul wäre, dann würde ich ihm die Sonne auf Erden bereiten, damit er glücklich ist, weil er viel zu perfekt ist. Wieso siehst du das nicht?"

Wiederholt seufze ich. Wieso sehe ich das nicht? Das ist eine sehr gute Frage. Meine Gefühle spielen Achterbahn, ich sehe keine Antwort auf dieses riesige Fragezeichen über meinem Kopf und die Aussicht auf eine Lösung scheint mir immer noch verwehrt. Ich will doch mit ihm glücklich sein, ihm die Sonne auf Erden bereiten, damit wir uns einfach lieben können, doch es ist nicht so einfach. Es soll nicht so sein, das wurde mir oft genug bewiesen und das macht mir einfach Angst. Er hat mich damals zu sehr damit verletzt. Ich bin weiterhin geächtet.

Ich scheine genauso verloren in meinen durcheinander geratenen Gedankengängen zu sein, wie ich in ihm verloren bin.

Gott, wieso kann nicht einfach jemand durch dieses Fenster springen und die komplette Wahrheit sagen? Mir Klarheit verschaffen und mir sagen, was ich tun soll. Ich will endlich komplett glücklich sein. Mit ihm. So wie wir es früher waren und es für die Zukunft planten.

Zayn lässt sich erschöpft von unseren ständigen Diskussionen über Richtig und Falsch auf die Couch fallen und sieht mir beim Packen zu. Doch eigentlich starre ich nur auf die Kleider und wünschte, ich müsste das jetzt nicht tun. Ich würde gerne nochmal in die Zeit zurück springen und alles von vorne erleben.

„Hey, Ly", flüstert Zayn und holt mich aus meinem deprimierenden Denkinhalt.

Ich sehe trostlos zu ihm.

Er deutet auf das offene Fenster.

Ich sehe zum Fenster.

Ein hellblauer Schmetterling fliegt durch den Fensterrahmen, flattert geradewegs ins Wohnzimmer.


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