Genervt sah ich auf die Uhr die über der Tür hing.
Zwei Minuten dann wäre ich vom Unterricht erlöst.
Die anderen fingen schon an ihre Sachen zu packen und ignorierten dabei gekonnt unsere Lehrerin, die andauernd sagte, dass sie ruhig sein sollten und der Unterricht erst beendet sei, wenn sie das sage.
Natürlich interessierte das niemanden, als es schließlich klingelte und alle nach draußen rannten.
Ich nahm meinen Rucksack und war froh, als ich endlich an der frischen Luft war und tief durchatmen konnte.
Keine Sekunde hatte ich mich heute auf den Stoff konzentrieren können, da Pepe die ganze Zeit in meinem Kopf rum spukte.
Einerseits hatte ich ein schlechtes Gewissen, weil er ja nichts dafür konnte - immerhin war es ja meine Idee gewesen. Andererseits hätte er mich ruhig vorwarnen können und mich nicht so schocken brauchen.
Außerdem wollte ich mich, nachdem ich ihn gesehen hatte, erst recht nicht mehr zeigen. Er würde mich hässlich finden und mich hassen.
Und wenn er wüsste, dass ich schwul bin, würde er vermutlich auch nicht mehr mit mir reden.Mit hängenden Kopf verließ ich den Schulhof und trabte den anderen hinterher, die zur Bushaltestelle liefen. Im Bus bekam ich natürlich keinen Platz ab und stellte mich deshalb an die Tür und hielt mich mit einer Hand fest.
Draußen zog die Stadt an mir vorbei und wieder einmal wünschte ich mir unsichtbar zu sein. So wie früher. Nicht beachtet zu werden empfand ich als einiges angenehmer, als rum geschubst und gemobbt zu werden.
An meiner Haltestelle stieg ich aus und wollte möglichst schnell nach Hause laufen, als mir plötzlich ein Arm um die Schulter gelegt und ich in den Schwitzkasten genommen wurde.
"Na kleiner? Ich dachte ich begleite dich mal nach Hause. Kleine Mädchen werden nämlich oft entführt und dann vergewaltigt. Und das wollen wir doch nicht, oder?", fragte Kai und rubbelte mir mit seiner Faust über den Kopf.
"Lass mich los!", rief ich und versuchte mich irgendwie zu befreien. Zu meiner Verwunderung ließ er mich wirklich los.Leider hatte ich damit nicht gerechnet und flog so mit dem Gesicht zu erst zu Boden. Fluchend rappelte ich mich auf und hielt mir meine Stirn.
"Oh das tut mir leid. Ich wusste ja nicht, dass du so schlechte Reflexe hast.", lachte er fies und boxte mir gegen meine Schulter, sodass ich ein paar Schritte rückwärts taumelte.
"Warum kannst du mich nicht in Ruhe lassen?", giftete ich ihn an, bereute es aber schon im nächsten Moment, als er mich am Kragen packte und ausholte. Ich kniff die Augen zusammen und wartete den Schlag ab. Doch er kam nicht.
Langsam blinzelte ich und sah Kais Faust kurz vor meiner Nase in der Luft schweben. Er starrte mich hasserfüllt an und ich bekam Angst, dass er doch nochmal ausholte.Stattdessen ließ er mich mit einem Blick auf meine Stirn fallen. Ich landete unsanft, schaffte es aber auf den Füßen zu bleiben.
"Du solltest dich um deine Stirn kümmern.", sagte er und ich starrte ihn verwundert an. Machte er sich etwa Sorgen?
"Na verzieh dich schon.", schnauzte er mich jedoch im nächsten Moment schon wieder an.Das ließ ich mir nicht zweimal sagen und so schnappte ich mir meine Tasche und rannte nach Hause.
Dort angekommen, schloss ich die Haustür auf, schmiss meine Schuhe und Tasche in die Ecke und rannte schnell in mein Zimmer.
Haare raufend ließ ich mich schließlich auf mein Bett fallen.Warum konnte ich nicht einfach normal sein?