Kapitel 7: Nur ein paar Räume weiter

724 73 3
                                    

Am nächsten Morgen, nach einer unruhigen Nacht wurde Stegi von klappernden Geräuschen geweckt. Sie klangen dumpf an sein Ohr. Er schlug die Augen auf. Wo war er? Alles sah so unbekannt aus. Das Bett auf dem er geschlafen hatte, war so weich, dass er halber darin versank und man konnte sich nur schwer darauf bewegen. Rechts von ihm war eine Glaswand die einen atemberaubenden Ausblick auf eine Pflanzenlandschaft bot und auf der anderen Seite waren gigantische Ansammlungen von Gegenst... Ach ja, da war ja was. Er sah an sich herunter. Alles beim Alten. Natürlich was hatte er erwartet? Probleme lösen sich nicht von alleine. Wie konnte er nur so naiv gewesen sein? Mit einem leeren Blick sah er nach draußen. Außerhalb des Fensters rankte eine Pflanze hoch, ihre Blätter ragten vor die Scheibe und waren teilweise so groß, man hätte sie als Teppich oder Decke benutzen können und man konnte jede einzelne Ader sehen. Dennoch waren ihre Stängel so dick wie Äste und gaben den Eindruck als könnte sie nichts zerstören. Die Welt dahinter war so faszinierend, man konnte sich gar nicht daran satt sehen. Es erinnerte ihn ein wenig an seine letzte Bergsteiger Tour und an den Anblick in's Tal. Es war wie eine Traumwelt, er hatte das noch nie so betrachtet, aber es war doch wirklich wunderschön.

Wieder dumpfes Klappern: Es hörte sich nach einem Toaster an. Aus der Küche?

Es musste Tim sein, Tobi lag noch schnaufend im Bett. Seine Atemgeräusche könnte man über 10 Meter hören. Das laute Blubbern des Wasserkochers lief, er sah ihn vor seinem inneren Auge und konnte fast jede Bewegung im Kopf nachahmen, die Tim machte. Mit seinen noch unfrisierten, wuscheligen Haaren am Morgen und der Jogginghose die er meistens trug. Was würde er jetzt dafür geben dort zu sein. Aber selbst wenn er wollte, das Fensterbrett war viel zu hoch um herunter zu springen, er hätte sich sämtliche Knochen gebrochen. Wie blöd musste man denn auch sein um einen Schlafplatz auszusuchen, von dem man nicht alleine wieder herunter kommt?

„Mhm mhm mhmmmhmm", er vernahm ein Summen aus der Küche.

Es war eine Melodie, die er nicht kannte, aber sie war doch sehr schön. Wenn Tim sich unbeobachtet fühlte, konnte er bestimmt ziemlich gut singen. Er hätte ruhig im TS mal ernst machen können.

Er schloss noch einen Moment die Augen und hörte einfach nur zu.

„Was machst du da?" hörte er plötzlich eine (für ihn) extrem laute Stimme neben sich, was ihn sofort hochschrecken ließ. Tobi hatte sich neben ihn gebeugt als er gesprochen hatte.

„Deggah, erschreck mich nicht so!", er war komplett abgelenkt gewesen, „Tim macht gerade Frühstück. Er hat sogar schon Tee gemacht."

Tobi richtete sich wieder auf. „Das hörst du? Da sind zwei geschlossene Wände zwischen hier und der Küche."

„Pssscht", entgegnete Stegi ihm sofort und legte verärgert einen Finger vor die Lippen, "Du kannst ruhig zu ihm gehen. Ich warte solange und bring mir was mit!"

Als Tobi den Raum verließ ärgerte sich Stegi leicht darüber, dass er so stampfte. Musste der Typ so einen Lärm machen? Danach lauschte er der Unterhaltung der Beiden.

„Guten Morgen Tim".

„Ahhh, morgen Tobi". War Tim eben zusammengezuckt oder wieso hatte er so oft aufgetreten?

„Dass du schon auf bist. Hast du mal auf die Uhr geguckt?", lachend öffnete Tobi einen Schrank und nahm etwas klirrendes heraus.

„Ja, ich weiß. Konnte irgendwie nicht schlafen. Hast du das gestern nicht auch seltsam gefunden? Zuerst bleibt er für Stunden weg und dann mietet er sich irgendein Hotelzimmer ohne uns etwas zu sagen?"

„Du meinst Stegi? Du kennst ihn doch, er war wahrscheinlich einfach nur wieder schusselig und aufgebracht durch eure ... Argumentation vorher und da hat er es vergessen."

„Machst du dir denn gar keine Sorgen?"

„Natürlich mach ich das! Aber er ist ja wohl alt genug und ich vertraue darauf, dass er die richtigen Entscheidungen trifft."

~ Tobi, du weißt doch genau, dass ich euch hören kann. Willst du, dass ich mich noch schlechter fühle? ~

Er sprach weiter: „Und wenn er uns braucht, dann bin ich sicher, dass er weiß, dass er sich auf uns beide verlassen kann."

~ Das weiß ich doch. Wenn es nur darum ging, hätt ich Tim doch schon längst alles gesagt. ~

Er zog sich wieder die dünne Decke über den Kopf. Er wollte von dem allem nichts mehr hören und von dieser Fremden Welt nichts mehr sehen. Wie lange sollte das noch so weiter gehen?

Nach kurzer Zeit kam Tobi dann auch zurück. Er hatte ihm ein Stück Tost abgeschnitten und eine dünne Schicht Marmelade darauf geschmiert. Trotzdem war das Toastbrot immer noch viel zu groß und zu dick, er konnte es kaum mit zwei Händen umgreifen, aber Stegi hatte so einen Hunger inzwischen bekommen, dass es ihn nicht störte.

Schließlich machten sie sich wie geplant auf den Weg Richtung Höhle.

Tim hatte wirklich schlecht geschlafen, die ganze Nacht hatte er sich denn Kopf zerbrochen. Natürlich hatte er am Morgen wieder versucht Stegi anzurufen, aber offenbar war sein Handy ausgeschaltet. Was echt ungewöhnlich war, weil er es sonst immer bei sich hatte. Hatte er etwa sein Ladegerät vergessen? Er ging in das Zimmer von Stegi und fand dort wie erwartet das Ladekabel auf dem Nachttisch.

...

Direkt neben seinem Geldbeutel, in dem sich sämtliche Karten und sein Ausweis befand.

Wie konnte er ein Hotelzimmer mieten ohne den Geldbeutel dabei zu haben? Dies ließ nur zwei Schlüsse zu: Entweder Stegi hatte einen gefälschten Ausweis, was recht unlogisch war oder er hatte ihn angelogen. Enttäuscht ließ er seine Hände sinken. War der Streit für ihn wirklich so schlimm gewesen, dass er ihn anlügen musste oder wieso vertraute er ihm so wenig? Er wollte gerade mit Tobi darüber reden, als er merkte, dass dieser das Haus verlassen hatte. Tobi hatte auch heute früh so untypisch und sorglos reagiert. Es konnte doch nicht sein, dass er wusste wo Stegi wirklich war, oder? Und warum konnten sie es ihm dann nicht erzählen? Was hatte er ihnen getan? Er ging zur Tür hinaus und sah grad noch Tobi, wie er um die Ecke Richtung Strand bog. Er beschloss ihm nach zu gehen.

Große Gefühle für ein kleines Herz - StexpertWo Geschichten leben. Entdecke jetzt