Kapitel 8: Ich will nicht mehr

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Schließlich erreichten Tobi und Stegi den altbekannten Felsspalt. Stegi war es deutlich mulmig an diesem Ort zumute. Trotzdem war er fest entschlossen. Er musste einfach alles Mögliche tun um wieder vor Tim treten zu können, das war was jetzt zählte.

„Bist du sicher, dass es hier war?" holte Tobi ihn aus seinen Gedanken.

„Ja, bin ich. Es könnt' ein bisschen eng für dich werden, aber am Ende geht es in so eine Art Raum mit Podest in der Mitte und Zeichnungen an den Wänden. ... Er würde nicht einfach verschwinden, oder? Also der Raum. Das wäre ja unrealistisch, oder?"

„Jetzt bleib mal klar im Kopf, wenn das die Höhle ist, von der du geredet hast, dann wird auch noch alles so sein wie es war. Wir sind hier schließlich nicht in irgendeinem Märchen oder so."

„Nein", Stegi sah an sich herunter und fasste sich dann nachdenklich am Arm, „sind wir nicht".

Dann trat Tobi aus dem engen Gang heraus und fand den beschriebenen Ort. Fasziniert sah er die Zeichnungen an den Wänden an, wie alt sie wohl schon sein mussten? Aber gleichzeitig erinnerten sie ihn an die Kritzeleien seiner 5 jährigen Cousine.

„Da, bei der großen Figur hab ich mich gestochen."

Tobi folgte mit den Augen in die Richtung in welche sein Freund zeigte.

„An der Stelle wo das Herz sein müsste ist eine Art Loch."

Tobi prüfte die besagte Stelle skeptisch: „War ja klar, dass du wieder da rein greifen musstest. Ich kann da drin aber auch gar nichts erkennen."

„Lass mich mal sehen!"

Tobi ging einen Schritt zurück und hob den kleinen Stegi hoch.

Er sah in den Schlund hinein, konnte aber auch nichts als Schwärze erkennen. Jedoch war die Öffnung immer noch größer als er selbst. Wenn er das letzte Mal bis hinten hinein greifen konnte, sollte er doch diesmal selbst bis hinten hinein gehen können. Sollte er es versuchen?

„Schieb mich doch mal bitte 'n bisschen näher ran."

„Was hast du vor?"

„Ich will mir das mal genauer ansehen."

„Was? Nein, mach das nicht, wer weiß was da drin ist."

„Ach, da kann gar nichts passieren, also komm."

Letztendlich half er ihm dann doch, während Stegi vorsichtig ins Innere ging. Es war stockduster da drin, der einzige Lichteinfall kam von dem Eingang durch den er gekommen war und dieser wurde größtenteils durch seinen eigenen Schatten verdeckt. Es herrschte komplette Stille, draußen hörte er nur Tobi unruhig von einen Fuß auf den Anderen treten.

„Du, ich geh mal kurz raus. Hier drin wird's mir zu stickig!", hörte er ihn rufen. Er drehte sich kurz um und sah wie Tobi auch gleich Richtung Ausgang verschwand.

~ Na gut. Ich wird' eh nicht lange brauchen. ~

Währenddessen war er die ganze Zeit weiter gelaufen und als er sich wieder zurück drehte, blieb er plötzlich ruckartig stehen, da etwas Langes, Spitzes direkt auf ihn zeigte. Wäre er noch einen Schritt weiter gegangen, er wäre fast hinein gelaufen. Erschrocken ging er wieder einen Schritt zurück. As er sich umsah bemerkte er, dass das anscheinend nicht die einzige derartige Formation gewesen war. Der Gang wurde nach hinten hin immer schmäler und überall von den Wänden und von der Decke ragten Meter lange Stacheln ihm entgegen. Das konnte doch keine natürliche Formation sein!

Während er eine dieser längeren Formationen untersuchte war Tobi draußen angekommen. Während ihm die frische Meeresbrise ins Gesicht blies, begann er sich zu strecken. Irgendwie hatte er sich da drin unwohl gefühlt, es war ein mulmiges Gefühl gewesen, als dürfte er dort nicht sein. Aber er würde trotzdem gleich wieder hinein gehen, schließlich konnte er seinen Freund ja nicht alleine da lassen. Somit drehte er sich wieder herum, doch sein Gesicht fror ein, als er eine andere ihm sehr bekannte Person den Hang hinauf stapfen sah. Sein Gesichtsausdruck war mehr als nur verärgert, er war stink sauer.

Tobi überlegte, ob er noch schnell abhauen könnte, aber selbstverständlich hatte er ihn gesehen.

„Ti-Tim, hey. Was machst du denn hier?"

„Komm mir nicht damit! Du bist derjenige der einfach ohne was zu sagen abgehauen ist."

„Ah ja, sorry. Ich hätte dir was sagen sollen. Hab einfach nicht dran gedacht."

„Ist mir jetzt auch egal, ich wollte dich noch etwas fragen", er sah ihn direkt an, „Weißt du wo Stegi ist?"

„Hä, was? Was für eine Frage, meinst du nicht ich hätte..." Seine eigenen Worte schossen ihm wieder in den Kopf:

~ Ich werde Tim nicht für dich anlügen. ~

Er brach seinen Satz ab und spürte Tims bohrenden Blick auf sich. Er dachte fieberhaft nach, was er sagen könnte. Er wollte sein Versprechen nicht brechen, aber er wollte auch nicht seinen Freund verraten. Wieso musste er sich nur entscheiden? Verzweifelt warf er einen kurzen Blick Richtung Höhleneingang. Lang genug für Tim.

„Ich verstehe, er ist also da drin."

Tobi biss sich nur auf die Lippe und gab keine Antwort. Daraufhin stieß Tim ihn zur Seite und ging mit geballten Fäusten hinein.

„Hey. Ich weiß, dass du da drin bist, " rief er, als er langsam einen Schritt vor den Anderen setzte. Stegis Herz blieb für einen Moment stehen. Wieso war Tim hier?

„Ich möchte jetzt wissen, was hier für ein Spiel gespielt wird! Und komm mir jetzt bloß nicht wieder mit dieser Hotel Geschichte, die du dir ausgedacht hast."

Fuck. Er hatte ihm also doch nicht geglaubt. Natürlich, schließlich kannten sie einander viel zu gut. Tim war schließlich nicht bescheuert.

Aber es war in Ordnung. Er war bereits in einem sehr guten Versteck und solange Tim nicht direkt zu ihm herein sah würde er ihn nicht finden. Das war gut so, richtig? Er konnte keinen Muskel bewegen, während er gebannt in Richtung des Lichtes starrte.

Als Tim den Raum betrat, sah er niemanden. Verdammt, Stegi war nicht hier und somit hatte er sich mal wieder lächerlich gemacht. Er scannte den Raum ab, aber nein, es gab auch keine weiteren Wege, die irgendwo hin geführt hätten.

„Fuck, wo steckst du?!", er schlug vor Wut mit ganzer Kraft gegen die nächste Wand.

Stegi hörte ein klirren und sah nach oben, die ganzen Nadeln um ihn herum waren von der Erschütterung bewegt worden. Sie würden herunter fallen! Schnell machte er einen Satz nach vorne. Zum Glück war er nicht weiter hinein gegangen und konnte ihnen gerade noch ausweichen. Ein weiterer Schlag ertönte. Der Boden unter seinen Füßen bebte jedes Mal ein bisschen und kleine Krümel bröckelten von den Wänden.

~ Was bildet sich dieser Vollidiot ein? Ich hätte drauf gehen können! ~

Dann wurde es still, anscheinend hatte er sich abreagiert. Gespannt lauschte er, doch bis auf die natürlichen Geräusche um sie herum, passierte nichts. Einen Moment lang sagte Tim noch leise: „Warum?"

Dann seine Schritte auf dem kalten Steinboden. Die sich wieder von seiner ursprünglichen Position entfernten. Stegi realisierte, was passieren würde: Tim würde jetzt wieder gehen, immer noch wütend und verletzt. Er würde ihn vielleicht woanders suchen oder versuchen ihn nochmal anzurufen, falls überhaupt noch ein Funken Vertrauen da war. Doch er würde ihm nicht antworten können, geschweige denn sein Versprechen halten. Tobi würde zurückkommen und sie würden wieder von hier fort gehen. Er würde wieder einen Tag ohne Tim verbringen müssen, wissentlich, wie sehr er ihm dabei wehtat.

„Nein", sagte er leise zu sich selbst, „Ich will das nicht. Ich will das nicht!!!"

Schnell war er auf den Beinen und stolperte der Öffnung entgegen, die ihn noch mit seinem besten Freund verband. Er rutschte dabei aus, da der Boden doch sehr uneben und steil war. Rappelte sich jedoch schnell wieder auf und rannte weiter. Eine leichte Kurve und dann sah er ihn, schon fast am Tunnel angekommen, mit dem Rücken zu ihm, ungefähr drei Meter entfernt.

„Tim! Warte!- "

Dann trat er in mit seinem Fuß ins Leere. Die Spalte, aus der er gekommen war, war zu Ende und er hatte nicht auf den Boden geachtet. Eine Sekunde nicht aufgepasst. Er verlor augenblicklich den Halt und raste dem Boden entgegen. Wie in Zeitlupe sah er noch, wie Tim sich langsam umdrehte. Dann schellte er auf dem harten Grund auf.

Große Gefühle für ein kleines Herz - StexpertWo Geschichten leben. Entdecke jetzt