Kapitel 12: Denkst du vielleicht, das macht mir Spaß?

647 74 1
                                    


Stegi fand den Film gegen Ende hin nicht mehr so interessant. Er hatte sich für ihn zu voraussehbar entwickelt und sowas konnte er gar nicht leiden. Er spürte den Atem von Tim im Nacken. Er drehte sich um. Offenbar war sein Freund schon eingeschlafen. Echt der Wahnsinn was für ein Interesse er für seine eigenen Ideen aufbrachte.

War er ihm eigentlich schon die ganze Zeit so nah gewesen? Jetzt hatte er eine einmalige Gelegenheit. Er kroch näher heran und richtete sich dann vorsichtig auf. Da Tim sich im Schlaf etwas seitlich gedreht hatte war er jetzt auf einer Höhe mit seinem linken Auge. Seine Wimpern waren so lang. Er hielt kurz inne und strich ihm dann mit einer Hand leicht und zärtlich über die Wange. Seine Haut war weich und von der Sonne in Sardinien noch mehr gebräunt als ohnehin schon. Er hielt den Atem an.

Plötzlich schlug Tim sein Auge auf.

Stegi bekam so einen Schreck, dass er ein paar Schritte nach hinten torkelte.

Er rutschte auf der abgerundeten Lehne aus und fiel in Richtung Boden. Dieser lag viel zu tief. Tim war noch zu sehr im Halbschlaf um schnell zu reagieren. Er streckte seine Hand aus und Stegi sah sie noch, als er fiel. Er versuchte sie zu erreichen, doch es war viel zu spät. Er stieß sich den Kopf an der Tischkante.

Vor Schmerz biss er die Zähne zusammen und rief nur: „Au, fuck", als er auf seine Hand starrte, die die von Tim umgriffen hielt. Dem Anderen ging es genauso, beide starrten einige Sekunden unbeweglich auf ihre sich umgreifenden Hände. Bis Tim plötzlich in schallendes Gelächter ausbrach.

Stegi begann zu realisieren was passiert war und in welcher unschicklichen Position er da zwischen Tisch und Sofa eingeklemmt saß. Er rappelte sich unbeholfen auf. Bei dem Versuch wurde ihm aber schwindelig, doch Tim hielt ihn fest, damit er nicht umfiel. Diese Orientierungslosigkeit war wirklich nervig.

Der Blonde hielt sich mit einer Hand den Kopf und blickte ihn dann an.

„Hey, was geht?"

„Geht es dir gut?", fragte ihn Tim.

„Ja, alles klar."

„Also, dir tut nichts weh?"

„Nein, bis auf meinen Kopf. Es passiert immer so schnell, dass ich gar nichts spüren kann."

„Hmmm", er trat einen Schritt zurück, um ihn besser ansehen zu können, ließ dabei aber seine Hand nicht los. Als Stegi den eindringlichen Blick bemerkte und sein Auge noch von vorhin wiedererkannte, spürte er, wie er leicht rot wurde:

"Mensch Tim, mir geht es gut. Hauptsache du lachst natürlich erstmal! Es ist richtig lächerlich."

„Aber siehst du, mein Plan hat funktioniert!", er grinste triumphierend, „ Jetzt wissen wir also, dass eine Form von Adrenalin das bei dir auslöst."

„Ja, aber das lag nicht an deinen Horrorfilmen, du bist selbst dabei eingeschlafen! Und heißt das nicht, dass es jederzeit wieder passieren kann?", fragte Stegi unbehaglich.

„Das ist doch super! Stell dir mal vor wir bauen das aus, so dass du das kontrollieren kannst. Was man da nicht alles machen könnte!" Er schien sichtlich begeistert.

„Denkst du vielleicht, das macht mir Spaß?! Du hast es noch nie selbst erlebt. Wie hilflos man sich fühlt, wenn alles was für dich vertraut ist, plötzlich gefährlich und fremd wird. Ehrlich, ich will, dass es nie wieder passiert. Aber dafür ist es wahrscheinlich zu spät."

Er wandte sich von Tim ab und ging aus dem Zimmer. Er wollte jetzt etwas alleine sein. Davor prüfte er aber noch die Funktionalität seines Handys in seiner Hosentasche. Nur zur Sicherheit.

Tim war verwirrt, wieso wollte Stegi nicht lernen diese Fähigkeit zu kontrollieren? Sah er nicht ein, wie unglaublich das Alles war? Er hatte so viele Ideen, die er ausprobieren wollte, aber ihre Zeit war begrenzt, sie würden bald wieder zurückfliegen und sein Freund war immer noch total unsicher. Er würde sich für morgen etwas einfallen lassen um ihn wieder aufzulockern und dann das Thema in einer günstigen Situation nochmal ansprechen.

Große Gefühle für ein kleines Herz - StexpertWo Geschichten leben. Entdecke jetzt