Kapitel 5: Über den eigenen Schatten springen

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Was hatte er gerade getan? Er hatte Tim einfach weg gehen lassen und es wurde bereits dunkel. War ihm sein Bild vor Tim wichtiger gewesen, als seine eigene Sicherheit? Er hätte sich selbst ohrfeigen können.

Schluss jetzt mit dem Mist, das konnte sich ja keiner geben! Ja, er war geschrumpft worden, ja er war gerade völlig hilflos, aber deswegen konnte er sich doch trotzdem auf seine Freunde verlassen! Schnell zog er zittrig sein Handy aus seiner Hosentasche. Da hätte er auch ruhig mal eher drauf kommen können. Das alles hier war so lächerlich und surreal. Mit Freuden bemerkte er, dass es noch funktionierte. Sein Finger zappte über die Kontakte, bei Tim blieb er hängen. Er müsste nur noch auf den Hörer drücken. Er wusste, Tim würde sofort abheben. Doch er konnte sich einfach nicht dazu bringen. Schließlich scrollte er weiter bis zu der einzigen Person, an die er sich jetzt noch wenden konnte: Tobi.

Nach einem kurzen Tuten nahm dieser auch gleich den Hörer ab:

„Stegi?? Ist alles klar? Wo zum Henker steckst du?"

„Hey" Seine Stimme zitterte noch vor Aufregung. Als er sich selbst hörte räusperte er sich schnell und sagte gespielt locker: „Gut'n Abend. Jetzt beruhig dich erstmal mir geht's ... gut ... soweit."

„Ah ja, hört sich aber nicht so an."

„Doch, aber sicher. Ich bin am Strand. Wenn du von unserem Haus aus den Weg zur Küste nimmst und dann rechts gehst, bis du an ein paar Klippen kommst, solltest du fast da sein. Aber bitte sag Tim nichts."

„Ach komm, das mit eurem Streit ist doch echt bescheuert. Komm doch einfach her. Tim macht sich wirklich Sorgen."

„Ich weiß", sagte er und legte dann aber eine kurze Pause ein, „Ich kann aber trotzdem nicht."

„ Wieso? Ich seh das gar nicht ein! Du kommst gefälligst zurück und trittst ihm unter die Augen!"

~ Spitzen Vorschlag von dir Tobi, am besten ganz tief unter die Augen. ~

Stegi begann schon leicht verzweifelt zu werden: „Tobi, BITTE! Komm einfach her ich erklär's dir dann, das ist wirklich wichtig."

„ ... Na gut", Tobi schien nicht wirklich begeistert, aber wichtig war, dass er auf ihn hörte und her kam.

„Ok, bis dann", Stegi legte auf und atmete lange aus. Diesmal konnte er sich nicht drücken. Tobi würde kommen.

Und besser er kam schnell, denn die Sonne war bereits komplett hinter dem Horizont verschwunden und Stegi kam es so vor, als würde er die ganze Zeit Geräusche und Bewegungen aus den Büschen wahrnehmen. Sein Unbehagen wuchs stetig. Er hasste sich selbst dafür, dass er Tim solche Sorgen bereitete.

Als er schon richtig begonnen hatte Panik zu schieben, hörte er tatsächlich Fußstapfen im Sand. Obwohl er Tobi nicht sehen konnte, hörte er ihn bereits leise schnaufen. Ein Lichtkegel erschien, er hatte sich also eine Taschenlampe mitgenommen. So dunkel war es zwar auch wieder nicht aber ihm sollte es recht sein. Er wählte erneut Tobis Nummer. Das Klingeln von Tobis Handy begann scheinbar erst nach einer Ewigkeit.

„Stegi, ich glaube ich bin da. Wo bist du?"

„Ja du bist richtig. Jetzt bleib erstmal stehen."

„Hier? Aber wo bist du?"

„Geh drei Schritte zurück", er empfand es als deutlich angenehmer Tobi am Telefon zu sich hin zu dirigieren, als ihm von seiner Position aus zuzurufen und lobte sich selbst innerlich für diese Idee.

„Was? Wieso?"

„Mach einfach."

Der Leuchtturm auf zwei Beinen tat wie ihm geheißen.

Große Gefühle für ein kleines Herz - StexpertWo Geschichten leben. Entdecke jetzt