Kapitel 12

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Bekomme ich eigentlich noch einen anderen Satz zu hören, als dass ich mir helfen lassen muss? Vielleicht will ich das gar nicht! Vielleicht ist es das Beste, wenn ich bei ihm bleibe.
Meine Güte, von meiner Meinung und Laune bekommt man Schleudertrauma.

"Mir geht es gut, okay? Sie sollen sich keine Sorgen machen. Mit mir ist alles okay. Was mit meinem Körper passiert ist immernoch meine Sache. Vielleicht sieht er nicht mehr so schön aus, aber ich werde nicht geschlagen."

Mit den Nerven am Ende drehe ich meinen Kopf weg, damit er meine Tränen nicht sieht. Als die Tür auf einmal wieder aufgeht, riecht es nach sehr gutem Essen. Das bringt mich dazu, wieder in diese Richtung zu schauen. In der Tür steht eine Krankenschwester mit einem Tablett in der Hand. Mein Magen fängt laut an zu knurren und sie übergibt mir mit einem Lächeln auf den Lippen das Tablett. Darauf steht eine Suppe, zwei Scheiben Brot, ein Joghurt, eine Obstschüssel und Wasser. Das ist mehr, als ich in der letzten Woche gegessen habe!
Dr Riflin sagt noch etwas, dann verlässt er das Zimmer und ich mache mich über das Essen her.
Endlich wird mein Hunger gestillt. Und verdammt, es schmeckt so unglaublich gut! Noch nie habe ich so etwas leckeres gegessen...

Als ich kurz vorm Einschlafen bin, weil ich doch ganz schön kaputt von dem heutigen Tag bin, knallt plötzlich die Tür auf und mein Vater steht in der Tür. Sein Gesicht ist rot vor Wut und sein Arm zittert. Sofort steigt die Angst in mir auf und ich wende den Blick ab.
Wie hat er mich gefunden?
Weiß er, was passiert ist?
Hätte ich Doktor Riflin nicht doch die Wahrheit sagen sollen?
Was passiert jetzt mit mir?
Wird er mich mit nach Hause nehmen?
Wird er mich erklären lassen, warum ich hier im Krankenhaus liege?
Hat Herr Becker ihn wieder angerufen? Oder jemand anderes?

Bevor ich etwas sagen kann, habe ich schon seine Hand im Gesicht. Mein ganzer Körper zittert vor Angst. Vor einer halben Stunde habe ich mir noch gesagt, dass es das beste ist, wenn ich bei ihm bleibe, und jetzt spiele ich nur dem Gedanken, abzuhauen. Wäre es nicht das beste? Ich wäre fort von ihm, ich würde ihn nicht mehr belasten und sterben würde ich bei diesen Temperaturen auch. Es wäre das Beste, oder nicht?

Bevor mehr passieren kann, steht Doktor Riflin im Zimmer und mustert den Mann, der vor ihm steht, ganz genau. Hoffentlich hat er die Backpfeife nicht gesehen...

"Und wer sind sie, wenn ich fragen darf?", fragt er ganz gelassen.

"Das Selbe könnte ich Sie fragen", sagt mein Vater- nicht ganz so gelassen wie der Arzt.

"Das ist einfach,ich bin ihr behandelnder Arzt. Und sie?"

"Ihr Vater", zischt er mit zusammengebissenen Zähnen. "Warum zum Teufel befinde ich mich im Krankenhaus!? Malorie gegenüber im Krankenbett?"

"Sie ist in der Schule zusammengebrochen, wahrscheinlich weil ihr Kreislauf zusammengebrochen ist. Sie ist stark untergewichtig und eine Krankenschwester hat mir von ihren Verletzungen erzählt. Können sie mir dazu Auskunft geben?"

"Was kann ich dafür wenn das Mädchen nichts essen will!? Die Verletzungen kommen vielleicht vom Hinfallen, was weiß ich! Interessiert mich nicht, wenn sie mich jetzt entschuldigen würden."

Er kommt auf mich zu und zieht mich grob aus dem Bett.

"Entschuldigung, was machen sie da?"

"Ich nehme sie mit, nach was siehts denn aus?"

"Es wäre wirklich besser, wenn ihre Tochter noch 2, 3 Tage zur Überwachung hierbl..."

"Nein, wir gehen. Schönen tag."

Er nimmt meine Sachen in die eine hand, meinen oberarm wird von seiner anderen Hand umgriffen, und schon sind wir aus dem Zimmer. Bis wir im Auto sind, wird nichts geredet. Nichts gesagt. Ich habe Angst vor dem, was kommen wird. Was wird überhaupt kommen? Schläge? Oder zwingt er mich wieder zu etwas anderem? Oder... oder schlägt er mich ins Koma? Oder tot?

"Was fällt dir ein!? Wie kannst du ins Krankenhaus gehen!? Ich dachte ich habe mich klar genug ausgedrückt! DIR GEHT ES GUT! Das ist ja nicht mal gelogen! MIR geht es schlecht. Wegen dir! Du kleines nichts. Warum tue ich mir das an!? Wie konntest du mich nur so hintergehen!? Ich will eine Erklärung. Jetzt. Sofort."

Ich liege zusammengerollt im Kofferraum und höre mir seit einer Weile seine Schreie an. Ich bin mir unsicher,ob ich antworten soll oder nichz, wahrscheinlich wäre er wegen beiden Sachen wütend.

Plötzlich geht der Kofferraum auf und er steht vor mir.

"LOS, erklärs mir!"

"Ich... ich bin einfach umgekippt. Und im Krankenhaus aufgewacht. Ich habe dem Arzt nichts erzählt, Sir. Er dürfte keinen Verdacht schöpfen. Ich hätte mich besser zusammenreißen müssen, entschuldigen sie."

Wieder bekomme ich eine Backpfeife. Aber wahrscheinlich ist sie berechtigt. Ich habe ihn hintergangen. Ich War im Krankenhaus, an dem ort, den er mir immer am meisten verboten hat. Ich habe ihn in erst durch Herr Becker, und jetzt durch Doktor Riflin in Schwierigkeiten gebracht. Es tut mir leid.

Als wir im Haus sind, schleppt er mich wie zu erwarten in den Raum. Ich bin immernoch so schwach, ich weiß nicht, ob ich dabei nicht wieder abtauche... Obwohl mir das eigentlich am liebsten ist, dann spüre ich die schmerzen nur hinterher.

Wie immer verkrieche ich mich in die hinterste Ecke des Raumes. Znd wieder gehen die Schreie los. Ich kann das nicht mehr hören. Plötzlich erklingt eine Melodie in meinem Kopf. Aus dem Film in der schule. Ich habe sie zwei mal gehört, zum ersten mal in meinem Leben spielt sich Musik in meinem Kopf ab und es ist so wunderschön. Leise Summe ich sie mit, und mein Vater merkt es nicht. Zu meinem Glück. Ich versuche, sein Bild zu verdrängen. Versuche, David zu sehen. Falle vollkommen in Trance und erinnere mich an die wenigen Stunden im Wald mit ihm. An den Schnee, an den see, an ihn. An seine worte. An seine Augen. An seine Stimme. Ich schalte komplett ab. Blende Vaters Schreie aus, meine Umgebung und meine Schmerzen. Ich sehe nur ihn. Nur David.

Ich bin erst wieder in der Realität angekommen, als ich in meinem dunklen Zimmer liege. Ich schmecke Blut und jetzt fühle ich auch die schmerzen. Mein Auge pocht, meine Lippe auch und meine Rippen schmerzen höllisch. Langsam stehe ich auf und erinnere mich an nichts. Ich Sar im krankenhaus, wurde von ihm abgeholt und dann ist nur noch David da. Wie konnte ich so sehr abtriften!? Das geht doch nivht, ich habe nichts mitbekommen! Es fühlt sich an, als hätte ich geschlafen und geträumt, aber ich War doch wach! Oder?

Ich beschließe, mir nicht länger Gedanken darum zu machen, und gehe ins Bad. Ich sehe zu meiner Erleichterung nicht ganz so schlimm aus wie sonst. An meiner Schläfe blute ich ein bisschen, mein Auge ist lila, meine Lippe dick und mein Bauch hat nicht Och mehr blaue Flecken und Prellungen abbekommen, aber im großen und Ganzen geht es noch. Zum Glück. Ich könnte es schaffen, mit ein wenig Talent und Glück, was ich bekanntlich nicht so viel habe, es für die Schule gut genug zu überschminken. Ich muss es schaffen, sonst habe ich ein gewaltiges problem. Er macht ess mir aber wirklich nicht leicht. Er will dass ich allen zeige wie gut es mir geht und prügelt mich blau.

Aber ich muss es nicht verstehen. Außerdem ist es okay.

Hör auf, dir ständig einzureden, dass es okay ist. Das ist es nämlich nicht. Nimm ihn nicht ständig in schutz.

Langsam glaube ich, verrückt zu werden. Erst bekomme ich nichts von seinen Schlägen mit, und jetzt zeigt dich plötzlich wieder meine imaginäre Stimme. Früher, als ich noch jünger war, habe ich immer mit uhr geredrt, damit ich nicht vereinsame. Und jetzt ist sie plötzlich wieder da. Ich weiß nicht, ob ich sie begrüßen oder verscheuchen soll.

Gefangen im eigenen zu HauseWo Geschichten leben. Entdecke jetzt