Er drückt mich vorsichtig von ihm weg und schaut mich an. "Was!?", fragt er fassungslos.
"Das ist mein Zimmer", wiederhole ich kleinlaut.
"Wie jetzt... Du.. schläfst hier? Auf dem Boden? Hast keinen Schrank, kein Schreibtisch, kein Bett, kein Tageslicht, nichts!?"
Ich nicke und senke meinen Blick auf den Boden.
"also hatte mein Papa recht... Hope, sagst du mir bitte, ob er dich geschlagen hat?"
"Habe ich doch schon unten gesagt", weiche ich der Frage aus. "Aber bitte behalte das erstmal für dich, okay? Ich bin dabei, mich zu überreden, dass ich mich öffne und irgendjemand sage, was los ist, aber ich brauche noch ein bisschen Zeit... Bitte, gib sie mir.."
Er seufzt nur, doch dann nickt er und nimmt mich wieder in den Arm.
"Weißt du, was die da unten reden?", frage ich ihn irgendwann.
"Nicht genau, aber sie denken dass hinter diesem Streit mehr steckt, also dass er dich öfter schlägt aber ohne eine Bestätigung können sie nichts machen. Ich weiß nur, dass sie sich mit dem Jugendamt in Verbindung setzen wollen und dich lassen sie für heute in Ruhe... Also sie wollen nicht nochmal mit dir reden.."
"Na wenigstens eine gute Nachricht..."
Wir halten uns weiterhin in den Armen, und in dieser Zeit kann ich meine Gedanken nicht von ihm losreißen. Ich bin so unglaublich froh und dankbar, dass ich ihn habe. Dass er mit mir redet und zu mir hält...
"David?"
"Ja?"
"Danke dass du da bist..."
"Nein, ich danke dir. Dass ich da sein darf, dass du mich an dich heran lässt. Du bist ein wundervolles Mädchen hope und du glaubst gar nicht wie schön ich es finde, dass wir uns damals im Wald getroffen haben. Es hätte keinen schöneren Platz geben können, an dem ich dich hätte treffen können. Und auch, wenn du ein bisschen schüchtern bist und zurückhaltend bist und oft nicht weist was du machen sollst... Ich mag dich genau so. So wie du bist ist es gut. Was auch immer du erlebt hast, es hat dich nicht nur leiden lassen. Es hat dich stark gemacht und du bist daran gewachsen. Ein Mensch muss leiden, um zu lernen, dass man anderen Menschen kein leid zu fügen soll. Weil diese Menschen wissen wie es ist, zu leiden. Ich wünsche mir, dass ich noch lange bei dir bleiben darf. Dass ich dir helfen darf, wobei auch immer. Dass du mir etwas über dein Leben erzählst. Ich wünsche mir, dass ich an deiner Zukunft teilhaben darf. Denn du bist die schönste Person, die ich je kennenlernen durfte. Und dafür Danke ich dir", flüstert er diese wunderschönen Worte und gibt mir einen leichten Kuss auf meinen Haaransatz.
Als ich meine Augen schließe, entwischt eine kleine Träne. Solche Worte habe ich noch nie gehört, noch nie hat jemand so etwas schönes zu mir gesagt.
~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~David's Pov
Mein Vater und ich sitzen wieder zu Hause im Wohnzimmer auf der Couch und sind beide in unseren Gedanken versunken. Ich kann nicht glauben, dass er recht hatte... Am Anfang, als er uns gesagt hat, dass bei einer seiner Schülerinnen etwas nicht stimmt und er denkt, dass sie zu Hause in irgendeiner Weise missbraucht wird, war ich sogar sauer auf ihn. Wie konnte er einem Menschen vorwerfen, den er vielleicht ein oder zwei mal gesehen hat und ihn überhaupt nicht kennt, dass dieser Mensch, die eigenen Eltern, ihr Kind missbraucht!? Aber als ich sie damals im Wald gesehen habe, da dachte ich als erstes, etwas trauriges in ihren Augen zu sehen. Und etwas zerbrechliches. Als sie bei uns war, habe ich ihr angemerkt, dass sie mit der Situation total überfordert war. Vor dem Fernseher hat sie sich erschreckt und hat sofort das Zimmer verlassen als er angegangen ist. Sie ist so dünn und still. Und heute, als sie mir verraten hat, dass das ihr Zimmer ist... Mit nichts drin... da habe ich gemerkt, dass mein Papa recht hat. Das war noch lange nicht alles... ich glaube, sie muss Viel einstecken und ich hoffe so sehr, dass es nicht zu schlimm ist. Dass diese Ohrfeige wirklich nur eine Ausnahme War und dass das Zimmer auch mal anders aussieht... Ich hoffe so so sehr dass es ihr einigermaßen gut geht..
"Was überlegst du?", reißt mein Papa mich aus den Gedanken.
Ob ich es ihm mit dem Zimmer erzählen darf? Sie wollte, dass ich es niemandem erzähle... Ich habe es ihr versprochen, aber er will doch nur das beste für sie... aber Versprochen ist versprochen...
"Ich glaube dass du recht hast..."
"Mit was?"
"Dass... ich weiß nicht, am Anfang dachte ich nur, dass sie eben ein bisschen schüchtern ist. Mir War klar, dass sie traurig ist. Aber jeder Mensch muss etwas im leben durchmachen oder nicht? Ich dachte, sie hat gerade vielleicht eine Krise Oder keine ahnung, aber.... jetzt glaube ich dir, dass da mehr dahinter steckt."
Sie ist nicht zerbrechlich... sie ist schon längst zerbrochen...
"Hast du auch gesehen, wieviel Angst die vor ihrem Vater hatte? Ich finde es schrecklich, wie viel Angst er ihr macht. Sie konnte nicht sagen was Sache ist. Sie hätte es heute tun können, dann hätten die Polizisten ihn sofort mitgenommen und sie hätte wieder mit zu uns gehen können. Ich verstehe nicht, warum sie nichts gesagt hat..."
"Lass ihr zeit papa..."
"Wieviel Zeit denn noch!? Sollen wir warten, bis sie tot geprügelt wurde oder was? Wer weiß, wie lange das schon geht! Sie muss etwas sagen, sonst kann ihr niemand helfen..."
"Hör auf ihr Vorwürfe zu machen. Siehst du denn ihren Fortschritt gar nicht? Sie hat einen Freund, mich. Sie redet mit mir. Und von dir hat sie sich auch helfen lassen. Zum ersten mal. Sie hat hier gewohnt, wenn auch nur für kurze zeit. Aber es ist nicht ihre Schuld dass ihr Vater sie gefunden hat. Was habt ihr Lehrer uns letztens beigebracht? Dass man solchen Menschen wie ihr Zeit lassen muss und sie nicht unter Druck setzen darf. Wenn sie etwas sagt, verrät sie immernoch ihren Vater. Egal was er ihr angetan hat. Sie hat doch nur Angst. Aber ich weiß, dass sie kurz davor ist uns zu sagen was mit ihr passiert. Mache das vertrauen nicht kaputt. Ihr vertrauen ist wertvoller als kein anderes."
"Du hast recht. Mir geht das so nah... Es berührt mich so sehr... Wie kann ein Vater sein Kind schlagen... unfassbar. Ich bin so froh dass ich so nicht bin."
"Und ich erst..."
Mit einem leichten Lächeln nimmt er mich in den Arm. Manchmal sagen meine Freunde, dass wir kein normales Vater-Sohn-Verhältnis haben. Sie meinen,unsere Gespräche wären so anders. Selbst wenn das so ist, ich bin verdammt froh dass es so ist. Ich bin verdammt froh, dass ich so unbeschwert mit meinem Papa reden kann.
DU LIEST GERADE
Gefangen im eigenen zu Hause
RandomMein Name ist Malorie, das bedeutet Unglück. So werde ich jedenfalls von meinem Vater genannt, in der Schule werde ich Hope gerufen, weil niemand meinen richtigen Namen kennt und ich bezweifle, dass ich in Wirklichkeit Malorie heiße. Mein Vater hass...