Kapitel 13

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Natürlich begrüßt du Mich. Ich gehe zumindest nicht. Nicht freiwillig. Ich gehe erst, wenn es dir wieder gut geht. Und komm mir jetzt bloß nicht mit 'mir geht's doch gut, was habt ihr denn alle', denn das ist gelogen. Ich bin du. Ich kenne deine Gedanken, deine Gefühle. Ich kenne dich. Vergiss das nicht.

Das wird ja immer toller. Was habe ich nur angestellt? Erst Herr becker, dann Doktor Riflin und jetzt sie? Langsam wird das wirklich ein bisschen zu viel...

Es war schon vorher zu viel. Nur dein Vater ist zu viel. Wenn er nicht wäre, würde es dir gut gehen.

Ahja, und deiner Meinung nach soll ich ihn umbringen oder was?

Gar keine schlechte Idee! Aber dann würde man dich einsperren und nicht ihn. Du musst einfach nur jemandem erzählen, was hier abgeht.

Hier geht gar nichts ab.

Ja eben, das ist ja das Problem. Du isst nichts, du gehst nicht raus, du redest nicht, du lachst nicht, du weinst noch nicht mal richtig. Das einzigste was hier abgeht, ist er. Und das ist nicht grade gut.

Und was ich dir sagen wollte, du musst nicht mit mir laut reden. Ich höre deine Gedanken, also denk doch einfach mit mir.

Nein das werde ich nicht tun. Ich werde mich jetzt verarzten.

Und wie oft willst du das noch tun? Bis er dich umbringt oder was!? Verdammt hope, du machst das nicht mehr lange mit! Gast du dich mal im Spiegel angeschaut? Du schaust aus wie ein wandelndes Skelett! Wie viel wiegst du!? 40 Kilo? 35? Bei einer Größe von 1,67! Dein Körper besteht aus Narben und Wunden, genau wie deine Seele! Du bist kaputt, merkst du das nicht? Sogar dein Lehrer sieht es, warum bist du so blind!? Du musst etwas tun! Wehre dich! Rufe die Polizei, geh zu Doktor Riflin, öffne dich Herr Becker oder David! Mache irgendetwas, aber schweige nicht! Das ist das schlimmste was du tun kannst!

Ihre Worte machen mich so verdammt wütend. Ja, vielleicht bin ich nicht mehr so ganz. Vielleicht schädigt er mir, vielleicht gehe ich kaputt. Aber ich habe mir das doch nicht ausgesucht! Ich kann mich nicht gegen ihn wehren! Er ist der Stärkere, er hat die Macht, ER!
Vor lauter Wut nehme ich den bestmöglichen Gegenstand und schmeiße ihn gegen den Spiegel. Sofort zerbricht er in 1000 kleine Teile.

Wie deine Seele...

VERSCHWINDE AUS MEINEM KOPF!!!

Nein, ich werde dich nicht alleine lassen. Ich werde dich nicht sterben lassen. Es tut mir leid.

Warum ist das Leben so gemein!? Als ich mich in dem übrig gebliebenen Spiegel ansehe, rollen Tränen über meine Wangen. Tränen die sagen, ich kann nicht mehr. Tränen die sagen, ich will das nicht mehr. Tränen, die meine Gedanken ausdrücken. Tränen, die meinen Schmerz spiegeln. Ich lasse mich an der wand herunterrutschen und lege meinen Kopf auf meine Oberschenkel. Die Stille wird durch leise Schluchzer unterbrochen.

Es ist okay das du weinst, hörst du? Lass es raus. Aber irgendwann musst du auch die Worte rauslassen, die dir schon so lange auf der Zunge brennen. Du musst es erklären. Irgendjemandem. Versprich es mir. Wir schaffen das zusammen.

Als meine Zimmertür aufgeht, hebe ich meinen Kopf an. Als seine Stimme ertönt, fange ich wieder wie Espenlaub an zu zittern. Aber er will mir nur sagen, dass ich diese Woche zu Hause bleiben werde. Es sei zu gefährlich. Na super. Noch mehr Zeit zum Nachdenken. Vielleicht darf ich Hausarbeiten erledigen... Und genau das ist auch meine Aufgabe. Ich soll mich umziehen und runterkommen. Lange hat er mir das nicht mehr gesagt. Jetzt werde ich endlich in irgendeiner Weise gebraucht.

Unten angekommen zählt er mir auf, was zu tun ist. Küche aufräumen, Erdgeschoss staubsaugen, Bad putzen und Wäsche machen. Hört sich wenig an im Vergleich zu sonst. Endlich habe ich etwas zu tun.

Nachdem ich mit dem Bad und Staubsaugen fertig bin und gerade die Spülmaschine ausräume, kommt er plötzlich in die Küche und setzt sich.

"Das Jugendamt kommt vorbei, herzlichen Glückwunsch, du hast es geschafft."

Warum geschafft? Ich wollte es doch gar nicht! Ich will mich nicht verstellen müssen! Nicht schon wieder.

"Am Wochenende."

"Wa...warum? Ich.. dachte, es... es wäre geklärt", frage ich zögerlich.

"Durch den Krankenhausbesuch. Becker und Riflin haben nochmal angerufen. Und ich War am Ende meiner Kräfte wegen dir und konnte sie nicht überzeugen dass alles in Ordnung ist. Ich hab Mädchenzeug gekauft, Schminke und so. Mach das am Wochenende damit du so aussiehst wie jeder andere auch. Klamotten bring ich dir wie immer. Morgen und am Sonntag eventuell kommen sie. Also... benimm dich , kapiert?"

Schnell nicke ich, Räume die restlichen Sachen auf und gehe schnell in den Wäscheraum. Wieso hat Herr Becker das gemacht? Er weiß doch , dass es so nur schlimmer wird. Als die Haustür ins Schloss fällt, atme ich erleichtert auf. Er ist weg. Ich bin alleine im Haus.
Nachdem ich mit der Wäsche und somit mit meinen Aufgaben fertig bin, merke ich, wie hungrig ich schon wieder bin.

Theoretisch...

Klappe. Ich will deine Theorie nicht hören.

Jetzt hörs dir doch erstmal an, du kannst dann immernoch ablehnen. Er ist aus dem Haus. Du hast ihm geholfen. Also hast du dir eine Belohnung verdient. Gehe in die Küche und hole dir etwas zu essen, das alles kannst du dann in deinem Bad verstecken. Außerdem hilfst du damit auch ihm, denn so hast du immer etwas zu essen bevor du umkippst. So bringst du ihn znd dich nicht mehr in Schwierigkeiten. Los, mach es einfach. Ein bisschen Obst, ein bisschen Brot, ein paar Süßigkeiten. Sei kein Angsthase.

Vielleicht hast du doch recht. Wenn ich immer etwas zu essen habe, kann ich nicht mehr umkippen. Vielleicht würde ich sogar etwas zunehmen und so die Sorge von Herr Becker nehmen. Okay, nur ganz wenig. Und ganz schnell.
Leise tapse ich nach oben. Obwohl er weg ist, habe ich eine Heidenangst. Zitternd verschaffe ich mir einen Überblick, was es hier alles gibt. Vieles kenne ich nicht, auCh nicht vom aussehen. Deshalb schnappe ich mir ein bisschen obst, eine Tafel Milka- was auch immer das ist-, ein paar Scheiben komisches, weißes, weiches, viereckiges Brot und aus dem Kühlschrank und aus einem der Hochschränke noch ein paar wenige Sachen. Hoffentlich fällt das nicht auf....

Wird es nicht, das ist soviel wie dieses Schwein an einem Tag frisst. Und jetzt husch husch in dein zimmer.

Gedacht, getan. Im Bad verstecke ich das alles in dem einzigsten Regal, welches aus zwei Fächern besteht, unter den Handtüchern. Gerade als ich mich an meine Zimmerwand lehne, höre ich Schritte auf der Treppe. Er ist wieder da.

"Geh nach unten."

Schnell mache ich mich auf den weg nach unten und setze mich auf den kalten Boden. Die Couch ist verboten für mich. Erst am abend schickt er mich wieder in mein Zimmer. Die ganze Zeit hat er gehämmert und ich weiß nicht was getan, aber vielleicht will ich es auch nicht wissen. Vielleicht hat er meinen Boden mit Stacheln übersäht. Oder einen Draht angebracht.

Hör mal auf durchzudrehen Schatzi. Geh mal lieber schauen, was er wirklich gemacht hat.

Vorsichtig und langsam gehe ich die Holztreppe nach oben. Mein Vater ist noch in meinem Zimmer, also darf ich nicht falsch reagieren. Als ich die Tür öffne, verschlägt es mir die Sprache. Ich halte den Atem an. Was soll das?

Mein Zimmer sieht aus wie ein zimmer. Es befindet sich ein Bett darin. Und ein kleiner schrank. Ein Tisch. Und ein Teppich liegt vor meinem Bett. Das Fenster ist nicht mehr verriegelt. Mein zimmer wird beleuchtet. Es hängen Poster von irgendwelchen Leuten an der wand. Es ist wunderschön. Ein Traum. Ja, es ist einfach nur ein Traum.

Gefangen im eigenen zu HauseWo Geschichten leben. Entdecke jetzt