Kapitel 29

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"Nicht viel, er ist beim Jugendamt schon bekannt und die Polizei war schon mal bei ihnen wegen Ruhestörung und Verdacht auf hG."

"Dieser Verdacht hat sich dann ja bestätigt..."

"Malorie, wir müssten jetzt zu deinem Vater fahren und ein paar Sätzen mit ihm... reden. Ich kann dir versprechen ,dass er auf keinen Fall auf freiem Fuß bleibt und heute werden wir ihn auch mit ins Gewahrsam nehmen. Die Frage ist, ob du dich bereit erklärst, mit uns zu ihm zu gehen. Dann könnten wir sehen, wie er auf dich reagiert und wie er mit dir redet, wie er mit dir umgeht. Wäre das okay für dich?"

"Okay, ja..."

Ich würde ihm sowieso noch mal vor die Augen treten müssen. Und um ihnen zu zeigen, dass ich mir kein bisschen davon ausgedacht habe, mache ich das sogar- mehr oder weniger- gerne. Sie werden mich beschützen. Zum ersten mal habe ich ein gutes Gefühl dabei..

Nach ein paar Abklärungen mit dem Arzt gehen wir gemeinsam zum Auto und fahren los. Mehr als eine halbe Stunde fahren wir, bis wir da sind. Bin ich wirklich so viel gelaufen?? Als wir ausstiegen, hören wir laute Schreie aus dem Haus, die Haustür steht offen. Vorsichtig gehe ich hinter den Polizisten bis zum Eingang, dort wird mir gesagt, ich soll warten bis sie mir bescheid sagen. Gott, was ist hier passiert? Vor allem, wer ist da mit meinem Vater drin!? Hoffentlich ist nichts passiert...

Nach ein paar schrecklichen Minuten des Wartens und Schreiens, kann ich dazu kommen. Vorsichtig schaue ich um die Ecke in das Wohnzimmer und sehe als erstes meinen Vater, mit Handschellen gefesselt, zwischen den Polizisten stehen. Als er mich sieht, fängt er plötzlich an, sich zu wehren und herumzuzappeln und herum zu schreien. Ängstlich gehe ich wieder ein paar Schritte nach hinten. Als mein Blick auf unsere Couch fällt, sehe ich plötzlich Herr Becker mit einer blutigen Lippe dort sitzen.

"Oh Gott was ist passiert?", flüstere ich und gehe zu ihm.

"Nichts schlimmes, es tut kaum weh. Geht es dir gut?"

"Ja, es ist alles in Ordnung."

"Malorie, kennst du diesen Mann?", fragt mich der jüngere Polizist.

"Ja, das ist mein Lehrer. Alles gut."

"So,", sagt der ältere an meinen Vater gewandt, "ich verhafte sich wegen sexuellen Missbrauchs minderjähriger, schwerer Körperverletzung, Freiheitsberaubung und Verletzung des Sorgerechts."

"Wir bringen ihn zum Streifenwagen, wir sind gleich wieder da."

Ich setze mich auf die Couch neben Herr Becker und atme tief ein. Mein Vater wurde grade verhaftet. Unglaublich.

"Wie kam das denn?", meint Herr Becker lächelnd und stupst mich leicht an. Ein wenig stolz, doch traurig zugleich, erzähle ich ihm die Geschichte und als ich fertig bin, nimmt er mich glücklich in den Arm.

"Ich bin stolz auf dich", flüstert er mir in mein Ohr. Tränen sammeln sich in meinen Augen. Er ist stolz auf mich...

"Danke..."

Als die Polizisten wieder kommen, erklären sie mir- oder besser uns- wie es jetzt weiter gehen wird. Ich soll, wenn es mir ein wenig besser wird, auf die Wache kommen und eine Anzeige machen wenn ich es möchte. Aber sie sagen, dass er mit meiner Aussage für lange Zeit ins Gefängnis kommt. Ich weiß noch nicht, was ich machen soll. Aber irgendwie werde ich mich schon entscheiden. Ich darf bei Her Becker vorerst wohnen, aber wir sollen uns mit dem Jugendamt in Verbindung setzen. Ich bedanke mich sehr oft bei den Polizisten, und als sie gehen wollen, umarmen sie mich sogar und wünschen mir gute Besserung. Lächelnd senke ich den Blick.

"Und? Wollen wir nach Hause? David wird sich freuen, dass ich dich mitbringe!"
~~~

Mit den Nerven völlig am ende sitze ich in dem mir schon bekanntem Zimmer auf dem Bett und drücke mir mit beiden Händen ein Kissen an die Brust. Ich fühle gerade so einen schrecklichen Schmerz und ich weiß nicht warum. Ich hätte mir so sehr gewünscht, dass es mir jetzt besser geht. Aber wie konnte ich nur so dumm sein? Ich meine... das alles habe ich immernoch erlebt. Nur, weil mein Vater jetzt verhaftet ist, kann ich das ganze noch lange nicht vergessen...
In einer Stunde muss ich noch mal ins Krankenhaus fahren. Danach müssen wir zur Polizei, um meine Akte oder so abzugeben damit sie sehen, was für Verletzungen ich habe. Fotos sollen auch geschossen werden. Irgendwie ist das alles so komisch.... Nicht schlecht, aber auch nicht gut.

Was dachtest du denn? Dass du jetzt normal wirst oder was? Du kannst das alles schlecht vergessen, ich meine du hast sogar Albträume und du denkst an nichts anderes, den ganzen Tag lang.

Ja... ich weiß. Ich hasse es.. Ob ich eine Aussage gegen ihn machen will, muss ich mir auch noch überlegen. Und diese Familie möchte auch erfahren, was passiert ist. Was er mit mir gemacht hat. Sie halten ihre Neugierde im Hintergrund und haben noch kein einziges mal nachgefragt, aber sie wollen es wissen. Sie verdienen es aber auch, alles zu erfahren. Ich weiß nur nicht, wie ich anfangen soll... Ich bin niemand für sie. Ich habe erst recht keine rechte hier, dass ich sie um ein Gespräch bitten darf oder so.
Plötzlich steckt David seinen Kopf in mein zimmer und fragt, ob er reinkommen darf. Er weiß auch noch gar nicht, was los ist. Wir sind hier angekommen und Herr Becker hat mich direkt zu diesem Zimmer geführt, um mich ein bisschen zu beruhigen. Angelina und David hat er in diesem Moment nicht beachtet. Er selbst weiß auch nicht wirklich, wie ich gelebt habe...

Ich klopfe neben mich, also kommt er herein und setzt sich zu mir. Ich weiß nicht, was er mittlerweile weiß, also warte ich ab,bis er etwas sagt.

"Ist etwas passiert? Mein Vater möchte, dass du es uns erzählst und nicht er. Weil du entscheiden sollst, wieviel du uns erklärst und was nicht."

Ich lächle leicht. Das ist lieb von ihm. Und irgendwie ist es für mich ein Vertrauensbeweis.

"Mein Vater wurde gerade verhaftet...", flüstere ich leise.

"Was? Echt? Das ist.. gut, oder?"

"Ja, ich denke schon. Ich weiß nicht, ich versuche mir einzureden, dass es gut ist. Dass er es verdient hat und so. Aber.. er ist doch immernoch mein Vater..."

"Natürlich ist er das und das wird er auch immer bleiben, auch wenn ich mir wünsche dass ich es ändern könnte. Ich weiß nicht, was er dir angetan hat, aber was es auch ist, er gehört ins Gefängnis. So viel habe ich mitbekommen."

Ich seufze. Warum bin ich nur so ein sensibler Mensch... Marco, David und Angelina wissen wirklich nicht in was ich da rein geraten bin. Und sie haben wirklich das recht, es zu erfahren.

Und du weißt, dass sie sich dafür interessieren weil sie dir helfen wollen. Du würdest sie nicht nerven oder belasten. Wahrscheinlich belastet es sie viel mehr, wenn sie nicht wissen was Sache ist. Ich glaube, du kannst es ihnen erzählen. Ohne einen schlechten Gedanken.

Ja, ich glaube es auch. Sie haben mir so oft geholfen und mir auch vertraut und so viel für mich gemacht. Ich sollte es tun. Ich wei§ nur nicht, wie...

"David? Kannst du mir dabei helfen, euch alles zu erzählen?"

Gefangen im eigenen zu HauseWo Geschichten leben. Entdecke jetzt