Kapitel 18

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Eine ganze Weile lang saß ich noch im McD und habe nachgedacht, aber dann musste ich gehen. Ich weiß nicht ob ich das schaffe... Er hat mir alles gegeben um zu überleben... Er war die einzige Person, die ich richtig kannte, mit der ich in irgendeiner Weise Kontakt hatte. Ich weiß, dass er mich nicht gut behandelt. Aber trotz allem... ich weiß nicht, ich fühle mich ihm etwas schuldig. Irgendwas ist da, aber ich weiß nicht was es ist...
Ich bin mir nicht sicher, dass ich mich gegen ihn stellen kann. Trotz allem liebe ich ihn doch irgendwie...

Ich muss dich mal kurz unterbrechen. Ich möchte dich noch etwas fragen. Was bedeutet für dich Liebe?

Ich kann nicht gut Begriffe definieren.

Versuche es.

Liebe bedeutet für mich, für einander da zu sein. Über die Fehler der Person die man liebt hinwegzusehen und sie so zu akzeptieren wie sie ist... Mit der Person alles durchmachen zu können und sich bei ihr gut zu fühlen. Reicht das?

Ich sage dir jetzt einen Satz und du denkst darüber mal nach. Es mag ja sein, dass du ihn liebst. Wegen einem unvorstellbaren Grund, aber okay. Die Frage ist, ob er dich liebt. Ist er für dich da? Akzeptiert er dich? Schenkt er dir Liebe, Aufmerksamkeit und Zuwendung? Liebevolle Zuwendung?

Du meinst... Er liebt mich nicht?

Ich liebe ihn als Vater, nicht als Person. Du meinst, er liebt mich gar nicht? Auch nicht als Tochter?

Er akzeptiert dich nicht, das hat er dir oft genug gesagt und gezeigt. Warum solltest du ihn in Schutz nehmen? Schau, was er aus dir gemacht hat.

Ein Wrack...

Ich bin hin und her gerissen zwischen 'Hilfe holen' und 'den Mund halten'. Ich weiß was richtig ist, aber eigentlich wäre beides richtig. Oder falsch. Hilfe holen ist für mich eigentlich besser, aber den Mund halten ist auch nicht falsch... Die Frage ist, ob er oder ich wichtiger ist...
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Die Sonne geht gerade auf und ich liege noch immer auf der Bank im Park. Hier bin ich wohl gestern abend einfach eingeschlafen... Heute ist Montag und seit Minuten überlege ich, ob ich in die Schule gehen soll oder nicht. Ich habe keine Schulsachen mit und sehe vermutlich auch nicht so toll aus, aber wenn ich nicht hingehe und jemand zu Hause anruft, habe ich noch einen Viel größeren Salat... aber wenn mein Vater in der Schule auftaucht weil er mich sucht, bin ich auch ziemlich am Arsch.

Ach was solls, in der Schule kann er mir nichts antun. Ich will nicht, dass Herr Becker plötzlich bei ihm klingelt oder so. Ich kann ja die letzte Stunde schwänzen damit ich ihm nicht begegne falls er zur Schule kommt.

Kurze Zeit später stelle ich enttäuscht fest, dass ich das ganze Essen verloren habe... Na super. Und Geld habe ich natürlich auch keins.
Aber ich bin ja schon mehr oder weniger gewöhnt, wenig zu essen. Für ein paar Tage wird es schon gehen...

Als es spät genug ist, laufe ich zur Schule in der Hoffnung, dass mein Vater dort nicht aufkreuzt.

Als ich in dem Flur hinter der Tür stehe, kommt David auf mich zu. Sofort breitet sich ein Lächeln auf meinem Gesicht aus. Ich habe ihn ganz schön vermisst... Er breiter die arme aus und umarmt mich für eine lange Zeit. Und es tut so gut. Es fühlt sich an, als würde er mich zusammen halten, als würde ich mich an ihm festhalten können. Mit einem Lächeln auf den Lippen flüstere ich 'hey...'

"Wo warst du denn? Was ist passiert, dass du im Krankenhaus warst!? Und wie ist es überhaupt dazu gekommen? Und warum bist du jetzt schon wieder in der Schule??"

"Hey, alles gut... Ich bin nur zusammengeklappt, aber der Arzt hat mich wieder aufgebaut und mir geht es gut, wirklich. Ist nichz so schlimm. Hatte wohl einfach zu wenig gegessen..."

"Ja warum isst du denn auch nichts? Du bist doch schon so dünn..."

"Das passt schon, mach dir bitte keine Sorgen.."

Nach einer kurzen Stille, sagt er:

"Kann ich dich mal was fragen?"

"Klar, immer."

"Aber du darfst das nicht falsch aufnehmen oder so, versprichst du mir das? Du sollst nicht sauer auf mich sein."

Lächelnd hebe ich eine Hand in die Luft und meine nur: "Indianerehrenwort."

Egal was er mich fragen will, sauer kann ich ihm nicht sein. Niemals.

"Okay ähm... Also ich weiß nicht, aber.. kann es vielleicht sein dass du so dünn bist, weil du nichts essen möchtest? Dass du eben darauf verzichtest, weil du dich dünner mehr magst?"

"Was!?"

Mit einem Mal ist mein Lächeln wie weggewischt. Ich habe wirklich andere Probleme, als mich um meine Figur zu kümmern. Und ich finde es wirklich nicht schön, wenn man jeden meiner Knochen sieht!

"Das ging mir Grade nur durch den Kopf... und wenn das so ist,dann möchte ich das wissen, bitte."

"Nein, natürlich nicht! Ich habe gar keinen Kopf dafür, mir Sorgen über meine Figur zu machen. Also ... da gibt es nichts was du wissen musst."

"Da bin ich aber beruhigt... A propo Sorgen machen... Ähm... Mein Vater will mit dir reden. Ich soll dich zu ihm bringen wenn ich dich sehe."

"Herr Becker?"

Er nickt nur und geht los, also Folge ich ihm. Was will er jetzt schon wieder von mir hören?

Die Wahrheit. Kannst du dich nicht mehr an deine Sätze von letzter Nacht erinnern? Auf die Frage, wie es dir geht, hast du dir Herr Becker vorgestellt.
Ich würde ihm in die Augen schauen, mit Tränen in den Augen und nach ein paar Sekunden würde ich flüstern Mir geht es nicht gut.
Das hast du gesagt. Und wenn er dich gleich fragt, dann ist es vielleicht langsam an der Zeit, diesen Satz aus dir rauszulassen.

Ich bin aber noch nicht so weit

Und wann bist du es? Wenn su wieder bei deinem Vater bist? Wenn er dich nochmal missbraucht und geschlagen hat?

Hör auf. Lass mir einfach noch ein bisschen Zeit.

Als David mich zu ihm gebracht hat und ich die Tür hinter mir geschlossen habe, bittet Herr Becker mich, mich hinzusetzen. David bleibt neben mir stehen und mavht keine Anstalten, uns alleine zu lassen. Aber eigentlich ist mir das nur recht, er gibt mir die Sicherheit, die ich jetzt brauche. Wir sind in seinem Büro und anscheinend liegt ihm irgendetwas auf dem Herzen. Ich sollte nicht gemein sein, nicht zickig antworten. Er macht sich Sorgen um mich, weil er will, dass es mir gut geht. Es wäre nicht fair, ihm gegenüber unhöflich zu sein. Er gibt sich mühe, und das finde ich auch schön.

"Hallo hope, wie geht es dir?"

Ich schaue ihm in die Augen. Ich könnte... wenn ich wollte... und ich sollte... dann hätte ich... soll ich? Will ich? Kann ich?

Nein...

Nicht jetzt.

Nicht heute.

"Gut, danke."

Gefangen im eigenen zu HauseWo Geschichten leben. Entdecke jetzt