Kapitel 28

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Hör auf zu denken und sprich endlich deine Gedanken aus. Sie fressen dich auf wenn du jetzt nicht endlich aussprichst was dir schon so lange auf der Zunge liegt! So lange willst es schon loswerden und das ist langsam mehr als überfällig! Es ist okay, hope. Aber bitte, schalte jetzt mal dein schlechtes Gewissen aus, was hier überhaupt nichts zu suchen hat. Du wandelst nachts hellwach mit Schmerzen durch die Straßen, das ist kein Leben mehr was er dir gibt. Alles was er dir antut.. Gib dir jetzt bitte die Chance, dir helfen zu lassen. Denke nicht fünf mal über deine Wortwahl nach, sondern sprich das aus, was dir als erstes in den Sinn kommt. Denn das ist meistens das Beste. Versuche es. Bitte...!

"Ich denke... Ich glaube, dass er in der Nacht als ich geschlafen habe zu mir gekommen sein muss und mich geschlagen hat. Ich weiß nicht warum ich nicht aufgewacht bin, aber etwas anders kann ich mir nicht vorstellen... "

Da fehlt noch etwas.

"Und... wahrscheinlich hat er mich auch.. vergewaltigt..."

Auch, wenn der Polizist versucht, sich nicht allzu viel anmerken zu lassen, sehe ich seinen fassungslosen Blick. Ich weiß nicht, ob es richtig war. Ich fühle mich noch nicht mal erleichtert oder so, es ist einfach nur ein schreckliches Gefühl... Tränen sammeln sich in meinen Augen und ich senke den Blick. Keine Ahnung warum ich jetzt weinen muss. Der Polizist legt einen Arm um mich und will etwas sagen, doch in dem Moment wird die Tür geöffnet und der Rettungsdienst kündigt sich an. Der Polizist, dessen Name ich mir nicht merken kann, hilft mir auszusteigen und bringt mich noch zu dem Krankenwagen. Als ich gefragt werde, was passiert ist, kann ich nicht reden. Sobald ein Wort meine Lippen verlässt, würde ich anfangen zu weinen und das kann gerade wirklich niemand gebrauchen. Hilfesuchend schaue ich den Polizisten an und er erklärt schließlich ,was ich ihm gesagt habe.

Die Leute kümmern sich um meine Verletzung am Kopf, und als sie mich bitten, die Jacke auszuziehen, wickle ich mich erstmal unsicher aus meiner Decke. Direkt fange ich an zu zittern, wir haben wahrscheinlich nur wenige Grade über dem Gefrierpunkt.

"Ich glaube wir sollten das im Krankenhaus machen", meint eine Frau und legt mir wieder die Decke über die Schultern.

Nach wenigen Minuten kommt der ältere Polizist wieder zu mir und erklärt mir, dass wir erst ins Krankenhaus fahren und sie danach weiter mal schauen, wie sie weiter vorgehen. Ich nicke und will aufstehen, doch der Polizist erklärt mir, dass wir mit dem Krankenwagen fahren. Ein bisschen komisch finde ich schon, dass er mit mir hier drin fährt, anstatt mit seinem Kollegen im Polizeiauto, aber okay, mir soll es nur recht sein. Ich... vertraue ihm ein wenig.

Ich weiß nicht warum, aber das einzige was ich im Moment fühle, ist Angst. Angst, was mit mir passiert, Angst, was mit meinem Vater passiert, Angst vor dem Moment, in dem ich ihn sehe, Angst vor allem.

-

Im Krankenhaus werde ich direkt von einem Arzt untersucht, meine Wunden werden genäht und alles verarztet, und als später die Polizisten dazukommen und meine Verletzungen- nur an den Armen- sehen, sind sie fassungslos. Der jüngere der beiden dreht sich um und versucht, ich weiß nicht, vielleicht sich abzulenken. Als er sich wieder zu mir umdreht, hat er Tränen in den Augen. Wegen mir? Doch nicht wirklich oder? Jetzt weinen andere schon wegen mir... Das ist nicht gut.

Wegen deinem Vater.

"War das alles dein Vater?", fragt mich der andere Polizist.

Ich nicke vorsichtig.

"Ich... kläre mal kurz was mit der Leitstelle", sagt der jüngere Polizist und verlässt fluchtartig den Raum.

"Hat er dir noch mehr zugefügt? Darf ich mir das alles mal anschauen?"

Langsam lasse ich die Decke von meinen Beinen fallen und stehe auf. Ich fühle mich sehr unwohl, ich meine ich stehe in Unterhose und Top vor einem Polizisten und er sieht meine ganzen Verletzungen. Bis auf die Strimen auf meinem Rücken... Er wollte doch alles sehen oder?

Plötzlich möchte ich ihm das sogar zeigen. Noch niemand hat mich so gesehen, aber er... er verträgt das bestimmt... Also drehe ich mich um und ziehe mein Top hoch. Kurz bleibe ich so stehen, dann drehe ich mich wieder um und setze mich hin. Mit der Decke verdecke ich meine Narben erneut. Jetzt ist es mir doch unangenehm. Aber langsam bin ich ein klein wenig froh, dass es so gekommen ist, wie es jetzt ist.

Als der Arzt das Zimmer verlässt, setzt sich der Polizist neben mich und bittet mich mit sanfter Stimme: "Ich möchte, dass du mir mal ein bisschen über dein zuHause erzählst. Du hast mixgesagt, dass es dieser Nacht wahrscheinlich zu einer Vergewaltigung und zu Schlägen gekommen ist, aber auch, dass es nicht das erste mal war. Kannst du mir ein bisschen mehr erzählen? Wie oft das vorkommt, warum das so ist, wie du sonst lebst?"

Ich senke den Kopf und sage erstmal nichts... Ich weiß nicht, was ich alles erzählen soll... Ich kann nicht alles sagen, das ist komisch und.. das führt sich nicht gut an. Anstatt weiter auf mich einzureden, lässt er mir meine Ruhe und lässt mich in Ruhe nachdenken. Und ich versuche, dir richtigen Worte zu finden. Aber das werde ich wohl nie schaffen.

"Ich... weiß nicht. Es kommt unterschiedlich oft vor, das kann man nie sagen... Ich weiß nicht, warum er das macht.. Vielleicht einfach nur, weil ich ein Last für ihn bin."

"Was hat er dir schon alles angetan? Welche... Welche Methoden hat er benutzt?"

Von alleine zähle ich die Dinge in meinem Kopf auf und es fällt mir auch gar nicht so schwer, das auszusprechen. Oft habe ich mir ausgemalt, wie es wohl wäre, die Wahrheit zu sagen. Aber ich hätte nie gedacht, dass es irgendwann mal so weit sein würde.

"Er... schlägt mich ganz normal, oder benutzt seinen Gürtel, zieht an meinen Haaren, verbrennt mich mit Zigaretten oder mit dem Bügeleisen, einmal hat er mich im Wald ausgesetzt und obwohl das eine Bestrafung sein sollte, war das meine schönste Zeit... Er... vergewaltigt mich, knebelt mich manchmal, und... na ja, währenddessen verletzt er mich mit Worten, manchmal wirft er auch mit Gegenständen nach mir..."

"So behandelt er dich!? Wie lange schon, hast du gesagt?"

"Das weiß ich nicht genau.. Aber eigentlich, seit ich denken kann. An meine Kindheit kann ich mich nicht erinnern. Einmal konnte ich mich erinnern, dass er mich damals nicht so gut behandelt hat, aber ich weiß nicht, ob es wirklich schon seit einer Geburt ist.. Ich weiß es nicht."

"Und du hast nie etwas dagegen unternommen?"

"Ich konnte nicht... Er ist doch immer noch mein Vater... Eigentlich hat er mir auch verboten, mit anderen zu reden und vor allem irgendjemandem zu erzählen, was zu Hause passiert. Er hat mich eingeschüchtert... Ich habs einfach nie geschafft..."

"Das kann ich mir vorstellen, dass man davon eingeschüchtert ist... Was meinst du damit ,dass er dich nicht mir anderen hat reden lassen? Durftest du nur in die Schule gehen und das wars? Oder durftest du auch nicht in die Schule? Musstest du den Haushalt führen oder ihn irgendwie beschäftigen?"

"In die Schule durfte ich. Manchmal konnte ich einkaufen gehen, aber sonst nichts. Sonst saß ich in meinem Zimmer und... wartete."

"Mhm. Noch mal auf das Thema Essen, viel bekommst du nicht oder?"

"Na ja, es reicht ja wie man sieht..."

"Und wieviele Malzeiten bekommst du? noch wichtiger, was bekommst du zu essen?"

"Brot. Meistens ein oder zweimal am Tag..."

Als der zweite Polizist wieder dazu kommt, möchte er wissen, was jetzt eigentlich los ist.

"Also bis jetzt steht sexueller Missbrauch Minderjähriger, Verletzung des Sorgerechts und schwere Körperverletzung im Raum... Ich glaube, das war auch noch nicht alles... Gibts bei dir etwas neues?"

Gefangen im eigenen zu HauseWo Geschichten leben. Entdecke jetzt