Kapitel 33

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"Danke... dass du sagst dass alles gut wird. Auch wenn man das nur so sagt." 

Irgendwann muss David runter gehen und ich bleibe liegen. Ich drehe mich auf den Rücken, sodass ich an die Decke starre. Bello liegt vor dem Bett auf den Boden. Ich erinnere mich daran, dass David mal gesagt hat dass man ihn gut als Kopfkissen benutzen kann. Also lege ich mich zu ihm auf den Boden, den Kopf neben ihn. Meinen Kopf auf ihn zu legen ist mir dann doch zu heikel... Als er sich plötzlich bewegt, will ich schon aufspringen, doch er legt sich nur näher an meinen Kopf und kuschelt mit mir. Ich dränge die Tränen zurück und schmiege mich auch enger an ihn. Er ist so ein unglaublich tolles wesen...
Es ist komisch... Einerseits sehne ich mich nach dieser Nähe und dem Kontakt, andererseits muss ich mich zusammenreißen, nichz aus solchen Situationen zu flüchten und mich von allen Menschen zu isolieren.

Kurze Zeit später klopft es an der Tür und Marcos Kopf erscheint. Als er mich da so liegen sieht, lächelt er mich an.

"Er ist ein toller Hund, nicht wahr?"

Traurig lächle ich. Ja das ist er...

"Mir gibt er sehr viel kraft wenn wir so liegen wie du jetzt mit ihm."

"Ja das stimmt..."

"Darf ich mich setzen?", fragt er und deutet auf das Bett.

"Natürlich..." Ich setze mich auch auf, bleibe aber auf dem boden neben Bello.

"Ich wollte dich fragen, was du von dem Vorschlag hältst, mal einen Psychotherapeuten aufzusuchen. Wir haben genug Unterlagen um uns mal zu informieren."

"Ich weiß nicht... Was macht der denn dann? Ich habe keine ahnung warum das gut sein soll..."

"Dort kannst du üben und lernen, mit dem Erlebten gut oder besser umzugehen. Darüber reden mit einer am Anfang fremden Person kann gut tun und viel helfen. Wenn du das machen möchtest, werden wir uns einen aussuchen und dort ein erstes Gespräch haben, das dann darüber entscheidet wie es weitergeht. Also ob du weiterhin dorthin möchtest oder nicht."

"Also.. redet man dort?"

"Ja, unter anderem. Man kann dort auch verschiedene Übungen machen. Aber es ist unfassbar wie stark du dich zeigst nachdem du das erlebt hast und ich glaube dass dir das helfen würde. Wenn das nicht so ist, kann man das jederzeit abbrechen. Vielleicht überlegst  du es dir einfach und sagst mir dann Bescheid."

Ich möchte mir das aber gar nicht überlegen. Wenn er denkt, dass es gut sein könnte, wird das schon so sein. Ich kann mir sowieso nicht vorstellen wie da sein wird..

"Ist schon gut, versuchen kann man das ja mal. Und wenn Sie... wenn du denkst, dass es gut ist, dann können wir es machen."

Vorsichtig lächelt er mich an und sagt: "Schön dass du mir vertraust. Wollen wir gleich mal durchschauen?"

"Das kannst du entscheiden, es ist mir egal."

Als er nach ein paar Minuten aufsteht, streicht er mir über den Kopf und geht nach unten. Ich merke, dass ich anfange, ihn nicht mehr als "Herr Becker" oder "Marco" zu mögen, sondern viel mehr als Eltern- Ersatz. Ich weiß nicht, wie es sich anfühlt, Eltern zu haben, aber alleine diese Berührungen die von ihm ausgehen, geben mir so ein wohliges Gefühl. Es hat lange genug gedauert, dass ich das zulasse und nicht zurückschrecke, aber ich habe schon lange vertrauen zu ihm aufgebaut. In der Schule hat das schon angefangen, als er sich immer um mich gekümmert hat und mir helfen wollte, auch wenn ich die ersten eineinhalb Jahre ihm nicht die Wahrheit gesagt habe.
Apropos schule, eigentlich könnte ich langsam mal wieder gehen... Nur weil das alles hier ein bisschen komisch läuft, bin ich immernoch ein normales Mädchen das Schulpflicht hat.

Abends gehe ich runter und frage Marco, ob ich morgen wieder in die Schule gehen kann.

"Wenn du das möchtest.. Aber du musst nicht, es ist mitten in der Woche, möchtest du nicht lieber noch dieses Wochenende anwarten?"

"Nein... es wird sich in diesen paar tagen sowieso nichts ändern. Und umso länger ich weg bleibe, desto mehr Stoff verpasse ich.."

"Okay, wie du möchtest. Dann rufe ich jetzt in der Schule sein und sage Bescheid, dass wir morgen wieder kommen."

Stimmt, das hatte ich total vergessen... Marco blieb die ganzen Tage mit mir zu Hause und ging nicht in die Schule...
Als er wieder kommt, sagt er mir, dass wir einen Termin bei einem Therapeuten in ein paar Tagen haben.
"Dadurch, dass die Polizisten mit der Praxis geredet haben, ging das ein bisschen schneller als normalerweise."

Na toll. Jetzt bin ich schon eine Extrawurst...  Morgen soll Frau Valenta uns besuchen um zu besprechen wie es weitergeht... 
~~~~~~~~~~~

Seit zwei Wochen gehe ich nun schon wieder in die Schule. Ich werde weiterhin bei David, Marco und seiner Frau wohnen und dafür ich bin ich ihnen unfassbar dankbar. Andere Lehrpersonen hätten mich noch nicht mal angesprochen, was mit mir los ist. Ich habe das auch nicht erwartet, aber Marco... Er ist ein so guter Mensch. Er hat nicht nur dafür gesorgt, dass ich von meinem Vater wegkomme... Es hat so viel Geduld gebraucht, bis ich mich ihm öffnete. Er ist immer nett geblieben, er hat mich zu ihm nach hause geholt! Er hat alles für mich getan. Und noch viel mehr. Als nach dem Gerichtstermin feststand, dass mein Vater eine Haftstrafe von 12 einhalb Jahren bekommt, hat Marco mich nicht fallen lassen. Manchmal dachte ich, sein Ziel wäre einfach nur dafür zu sorgen, dass er weggesperrt wird. Aber danach hat er mich ib den Arm genommen und mich gehalten, bis ich wieder sicher auf meinen eigenen Beinen stand. Seine Familie möchte mich adoptieren und als eigene Tochter ansehen. Das macht mich so unglaublich glücklich. Ich werde einen Vater haben. Sogar einen bruder, david. Und eine richtige Mutter. Mit meiner leiblichen Mutter möchte ich vorerst keinen Kontakt haben. Ich will das alles hinter mir lassen. Sie hat sich sechzehn Jahre nichz um mich gekümmert, und ich möchte mich jetzt erst mal auch nicht um sie kümmern. Es ist mir egal, was andere darüber denken. Sie erinnert mich zu sehr an ihn und ich möchte erst mal mein eigenes Leben auf die Reihe bekommen... Ich gehe auch bald zu der Therapeutin, den die Polizisten uns vorgeschlagen haben. Und David wird bei dem ersten Gespräch dabei sein. Es wird ein sehr langer Weg, aber mit Unterstützung, die ich die ganze zeit bekomme, kann ich es schaffen. Irgendwie. Und wenn ich wieder an einem Punkt angelangt bin, an dem ich nicht mehr weiß was richtig und was falsch ist, wird auch bello für mich da sein. Er ist mir so unglaublich sehr an mein Herz gewachsen und gibt mir so viel Kraft. Ich hätte niemals gedacht, dass es so starke Bindungen zwischen Tier und Mensch gibt. Aber jetzt bin ich selbst Zeuge davon geworden.
Ich bin mir nicht sicher, ob ich David als Bruder absehen werde oder als Freund. Unsere Bindung wird von Tag zu tag stärker. Aber wir sind genau genommen keine Geschwister, also was auch immer sich zwischen uns entwickelt, es wird in Ordnung sein. Hauptsache, er bleibt für immer bei mir. Dank Marco, Angelina und David habe ich so viele Möglichkeiten, die ich bei meinem Vater nicht hatte. Ich kann die Schönheit der Welt entdecken. Samt Uhren Schattenseiten. Ich kann anderen Menschen helfen, ich darf schmecken, riechen und sehen. Auch, wenn es mir noch so unglaublich schwer fällt, das alles zu verarbeiten, werde ich immer weiter arbeiten. Für meine Familie.

~Ende~

Gefangen im eigenen zu HauseWo Geschichten leben. Entdecke jetzt