Endlich Ferien

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Nach vier Wochen war es endlich soweit. Der heiß ersehnte Ferienbeginn kam. Onkel Falks Ferienanlage war an einem Badesee gelegen und bestand aus 15 kleinen Holzhäuschen mit je 3 Zweibettschlafzimmern, Dusche, WC und einem kleinem Aufenthaltsraum. Im Haupthaus gab es eine Kletterwand, mehrere Tischtennisplatten, ein kleines Kino, einen Sportplatz, eine Küche mit Speisesaal, einen Behandlungsraum für Erste Hilfe und eine Minigolfanlage. Außerdem hatten hier alle vom Personal ein Einzelzimmer. Am See gab es einen Bootsverleih für Ruder- und Tretboote. Aber der eigentliche Knaller war das Abenteuer- und Spukschloss im Wäldchen neben dem See. Dort konnte man durch Teilnahme an verschiedenen Spielen und Wettbewerben drei Übernachtungen im Schloss mit dem dortigen Küchenservice und verschiedenen Extras gewinnen.
Die Fahrt ins Camp verlief ruhig. Aber irgendwie wurde ich das Gefühl nicht los, dass Onkel Falk wegen irgendwas ein schlechtes Gewissen hatte. Er machte ein Gesicht, wie ich, wenn ich eine schlechte Schulnote nach Hause brachte. Außerdem war er wortkarg und rutschte auf seinem Sitz hin und her.
Als wir ankamen, wurde mir klar, warum er so nervös war. Und nun wurde ich es auch.
"Was macht Gideons Mini hier, Onkel Falk?"
"Na ja... ähm..." Stotterte er etwa? "Du weißt doch, dass Gideon vor zwei Wochen die Ersthelferausbildung gemacht hat, weil er nächstes Jahr Medizin studieren will. Und da ich für die nächsten vier Wochen noch einen Sanitäter gebraucht habe, weil John Miller sich den Knöchel verstaucht hat, ist Gideon spontan eingesprungen."
"Wie nobel von ihm!" meine Stimme triefte vor Sarkasmus.
"Hör mal, ich weiß, dass ihr euch nicht besonders gut versteht. Aber versucht doch wenigstens jetzt in den Ferien mal euer Kriegsbeil zu begraben." Moment: Hatte Gideon mich nicht vor vier Wochen bei der Unterhaltung mit Leslie über unsere Ferienpläne gestört? Was, wenn er alles mitbekommen hatte? Mir schwante böses...
"Kann es sein, dass Gideon bevor du ihn angeheuert hast von meinem Aufenthalt hier etwas mitbekommen hat?" fragte ich mit einer Spur von Misstrauen.
"Schon möglich... Wieso?" Das konnte doch jetzt bitte nicht sein Ernst sein. Versuchte Falk hier allen Ernstes eine Familienzusammenführung zu inszenieren? Dass das Ganze nicht auf Falks Mist gewachsen war, ahnte ich zu diesem Zeitpunkt allerdings noch nicht.
"Aber Falk! Er wird versuchen mich zu ärgern und zu provozieren so oft er nur kann." Außerdem würden die ganzen weiblichen Feriengäste sich extra eine Verletzung zuziehen nur um von ihm behandelt zu werden. Aber das sagte ich Onkel Falk lieber nicht. Er sollte nicht auf die Idee kommen ich sei eifersüchtig.
"Also Gwendolyn, ich rede nochmal mit ihm. Und ich verspreche dir er wird sich zusammenreißen."
"Na schön."
Es war ja eh schon zu spät. Der Aufenthalt war gebucht und ich musste da jetzt durch.
Als Falk ausgestiegen war meinte Leslie nur grinsend: "Na das kann ja was werden..."
Falk war im Hauptgebäude verschwunden und kam nach ein paar Minuten mit Gideon im Gefolge wieder heraus.
Offensichtlich hatte er schon etwas zu ihm gesagt, denn Gideon begrüßte uns mit einem freundlichen Lächeln. (Gideon lächelte ?! Und er war freundlich?!) Er half uns sogar mit dem Gepäck. Leslie und ich sahen uns erstaunt an, so als hätten wir gerade gesehen wie ein Gorilla Messer und Gabel benutzt.
Als er unsere Reisetaschen abgestellt hatte, machte er sich allerdings schnell aus dem Staub - zum Glück!
Leslie und ich bezogen unserer Zimmer. Eines der beiden anderen Zimmer war schon bewohnt von Sally und Tina, die uns gleich sympathisch waren. Als sie sich uns vorstellten, meinten sie, sie seien schon eine Woche hier und wenn wir Lust hätten, würden sie mit uns die Anlage erkunden. Beide hatten im letzten Jahr auch schon ihre Ferien hier verbracht und waren so begeistert, dass sie das unbedingt nochmal machen wollten.
"Es war so geil letztes Jahr!" schwärmte Tina. "Viel besser als die langweiligen Strandurlaube, die unsere Eltern immer mit uns gemacht haben." Ich sah sie fragend an. "Sally und ich sind Zwillinge, aber wie du siehst: nicht aus einem Ei."
"Und woher kommt ihr?"
"Aus der Nähe von Edinburgh. Wir gehen beide ab Herbst in die 10. Klasse." Also waren wir im gleichen Jahrgang. Sally schien eher der ruhigere Typ zu sein. Sie sprach nicht viel und benahm sich nicht auffällig. Tina dagegen war quirlig und abenteuerlustig. Sie war etwa 1m70 - worum ich sie beneidete - und hatte halblange, rotblonde Locken und graublaue Augen.
Sally hatte langes, kastanienbraunes, glattes Haar und tiefgründige braune Augen. Mit ihren 165 cm war sie etwa so groß wie ich.
"Und was machen wir heute?"
"Das ist das tolle hier. Eigentlich kann jeder machen, was er will. Im Haupthaus gibt es einen Plan, in dem man sich für verschiedene Aktivitäten anmelden kann. Ihr tragt einfach eure Namen auf den entsprechenden Listen bis zu einem Tag vorher ein und notiert euch auf eurer Faltkarte, woran ihr teilnehmen wollt. Es gibt verschiedene Kurse, Spiele, Wettbewerbe, Wanderungen, Partys am Strand mit Lagerfeuer und im Haupthaus mit Karaoke und Tanz. Außerdem ist jeder mal zum Küchendienst zum Aufräumen eingeteilt."
"Was hat es mit dem Schloss auf sich?" fragte Les. Sie liebte geheimnisvolle Orte.
"Ach ja, das Schloss... Das ist natürlich der absolute Hammer. Es sieht aus wie aus dem Märchenbuch - drinnen wie draußen. Aber seht euch nach Einbruch der Dämmerung vor...
"Wieso?"
"Es spukt in dem alten Kasten."
"Du willst uns hochnehmen!"
"Nein, es ist mein voller Ernst."
"Das nehme ich dir nicht ab. Komm schon, Tina."
"Glaubt was ihr wollt. Aber sagt nicht ich hätte euch nicht gewarnt."
Leslie und ich sahen uns mit einer Mischung aus Unglauben und Faszination an.
Als Sally sich an mich wandte, erschrak ich beinahe. Sie hatte für ein 16-jähriges Mädchen eine ungewöhnlich tiefe Stimme. Sie sah mich durchdringend an.
"Wer war der Junge, der eure Taschen hergebracht hat?" Sie hatten ihn gesehen? Ich sah sie perplex an.
"Das war Gideon, ein Namensvetter und entfernter Verwandter von mir. Aber wenn ihr schon eine Woche hier seid, müsstet ihr eigentlich wissen, dass er den Sanitäter-Dienst von John Miller übernommen hat."
"Nein. John Millers Unfall war vor zwei Wochen. Aber Gideon ist erst seit heute hier. Ist er dein Freund?"
"Nein, wie kommst du denn darauf?" fragte ich sie entsetzt.
"Er hat dich so merkwürdig angesehen..." Leslie grinste. Wieso grinste sie jetzt bitte? Langsam wurde ich wütend.
"Jetzt fang du nicht auch noch an, Sally!"
"Schon verstanden. Also wir gehen jetzt zu eurer Begrüßungsansprache, danach zeigen wir euch alles und anschließend gibt es Mittagessen."

Und einmal Ferienlager...Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt