Eifersucht

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Nach der Schlossführung waren wir noch Mittagessen und jetzt kurz nach eins saßen wir in Raphaels Zimmer zur Lagebesprechung. Raphael hatte die geniale Idee für Leslie eine Karte vom Schloss anzufertigen. Also ging er Stück für Stück das Video durch und skizzierte detailliert die Räume einzeln auf Papier. Anschließend legte er pro Etage die Skizzen in die richtige Anordnung und fotografierte es auf Leslies Handy und anschließend auf seins.
Damit sie uns bei der Schnitzeljagd mitteilen konnte, wo sie war, nummerierte er die Räume durch. Leslie würde dann im Schloss an der Schnitzeljagd teilnehmen, während wir uns draußen im Schlossgarten verstecken würden um ihr per SMS Tipps zu geben. Allmählich kam ich mir vor wie in >Vermächtnis der Tempelritter<.
Schließlich waren wir fertig und ich wollte Gideon suchen, um mit ihm über die Entscheidung zu sprechen. Aber er war nirgends. Dann fiel mir ein, dass ich im Sani-Raum nachsehen könnte. Gid war jedoch nicht im Sani-Raum. Dafür aber Will. Ich entschuldigte mich kurz für die Störung und wollte schon wieder die Tür schließen.
"Komm doch bitte nochmal kurz rein, Gwendolyn." Etwas überrascht kam ich seiner Bitte nach.
"Sicher kannst du dir denken, warum ich mit dir sprechen will."
"Hat es irgendwas damit zu tun was Grace im Schloss zu mir gesagt hat?" Er nickte.
"Ich wollte dir nur noch mal sagen, dass es uns viel bedeuten würde, wenn ihr euch dazu entschließen könntet. Wir mögen euch vier echt gern und wir haben schon sehr lange auf diese Chance gewartet. "
Mir war nicht so recht klar, was ich antworten sollte.
"Will, ich muss das alles noch mit Gideon besprechen. Und ich muss mir selber erst noch über ein paar Dinge klar werden."
Er sah mich forschend an.
"Du meinst, du bist dir noch nicht sicher, ob deine Beziehung zu ihm Bestand haben wird."
Himmel nochmal! Konnte er Gedanken lesen?
"Woher weißt du davon?"
"Das war nicht schwer zu erraten. Gid hat mir erzählt, dass ihr erst vor kurzem zusammengekommen seid und davor eher wie Hund und Katze wart. Aber wenn ich euch zusammen sehe, habe ich nicht den geringsten Zweifel, dass ihr wie füreinander geschaffen seid."
Ich konnte ihn nur verblüfft anschauen.
"Wie kommst du darauf?"
"Man muss nur sehen wie ihr euch gegenseitig anseht, wie eure Augen strahlen, und wenn ihr zusammen tanzt, sieht man zwischen euch sofort diesen besonderen Zauber, der nur sehr wenigen Paaren vergönnt ist. Nenn es von mir aus eine Art Seelenverwandtschaft, aber es ist definitiv was Besonderes. Ich glaube nicht, dass du je wieder einen Jungen finden wirst, der dich so abgöttisch liebt wie Gideon."
Bei seinen letzten Worten war mir ganz warm ums Herz geworden, denn er hatte die ganzen Zweifel die mein Herz in den letzten Tagen gequält hatten weggefegt.
Ich weiß nicht warum ich plötzlich das unbändige Verlangen spürte ihm dafür um den Hals zu fallen, aber ich tat es. Aus Erleichterung und Glück. Und ich mochte Will wirklich gern. Es war als würde ich nach langer Zeit nach Hause kommen und meinen Vater umarmen. Und irgendwie gehörte er ja scheinbar um viele Ecken zu meiner Familie.
Gerade, als ich in Wills Armen lag, hörte ich eine Tür ins Schloss fallen, doch als ich mich umdrehte war da niemand. Ich löste mich von Will, dankte ihm nochmals herzlich und ging zu meinem Zimmer.
Für den Rest des Nachmittags legte ich mich am See neben Leslie und Raph unter einen Baum und schlief ein.
Um vier weckte mich Les und wir brachten unsere Sachen ins Zimmer. Dann gingen wir duschen - ich zuerst, danach Leslie und Raph - zusammen(!). Okay! Also hatte sich da offensichtlich doch schon einiges abgespielt...
Unwillkürlich musste ich an Gideon denken. An seine sanften, unbeschreiblich schönen grünen Augen, an seinen makellosen Körper, an seinen verführerischen Geruch und an seine liebevolle Fürsorglichkeit, die mich immer einhüllte und beschützte wie ein warmer Mantel.
Wie gern hätte ich ihn jetzt in meinen Armen gehalten.
Vor zwei Wochen hatte ich ihn noch unmöglich gefunden, und jetzt fehlte er mir schon nach einem halben Tag. Und je mehr ich mich dagegen wehrte, umso stärker wurde das Gefühl, dass ich nie mehr von ihm loskommen würde.
Da mir langsam die Klamotten knapp wurden, beschloss ich nochmal in mein Strandkleid reinzuschlüpfen. Es war aus einem beigen Leinenstoff, leicht tailliert und hatte an der Vorderseite eine durchgängige Knopfleiste, deren obersten ich offenließ damit es nicht zu bieder wirkte. Wie das rote Kleid ging es bis zur Oberschenkelmitte. Dazu trug ich braune Sandaletten mit einem leichten Absatz. Die Haare steckte ich mir zu einem unordentlichen Dutt zusammen.
Im Workshop-Raum 2 waren nun alle versammelt. Nur von Gid war noch immer keine Spur, weshalb sich eine Mischung aus Besorgnis und Enttäuschung in mir breit machte. Raphael sorgte dafür, dass die Tango-Musik aus den Boxen kam. Dann fanden sich die Paare zusammen und begannen ihre Schrittfolgen einzustudieren.
Plötzlich stand Will vor mir. Ich zuckte leicht zusammen, da ich ihn nicht hatte kommen sehen.
"Wenn es dir recht ist, Gwen, werde ich mit dir ein paar Sachen üben."
Es war mir sehr recht. Und da ich keine Lust hatte weiterhin verloren in der Gegend rumzustehen nickte ich erfreut. Will ging mit mir in Tanzposition und begann mich durch den Raum zu führen. Er war wirklich ein hervorragender Tänzer und es machte mir großen Spaß mich im Einklang mit ihm zu bewegen. Die Drehungen und Promenaden gingen wie von allein - ohne dass ich einen Gedanken daran verschwenden musste.
Dann ließ er mich rückwärts in einem fließenden Halbkreis über seinen Arm herunter und zog mich gleich wieder hoch in eine hautenge Halteposition, bei der ich kurz die Augen schließen musste, damit mir nicht schwindlig wurde. Als ich die Augen wieder öffnete und über Wills Schulter hinweg direkt in Gideons Tiger-Augen blickte, hätte ich fast einen Herzinfarkt bekommen. Ich ließ Wills Hände abrupt los.
Will drehte sich um, nickte Gid kurz freundlich zu und verabschiedete sich mit einem Lächeln von uns. Mein Lächeln war mir aus dem Gesicht gewichen. Etwas Bedrohliches lag in Gids Ausdruck. Ich kann nicht einmal genau sagen warum, aber ich hatte plötzlich das Gefühl er würde mich in der Luft zerreißen, wenn ich auch nur einen Ton von mir gebe.
Aus irgendeinem Grund schien er unglaublich wütend auf mich zu sein. Aber er sagte nichts. Kein Wort. Stattdessen zog er mich in Tanzposition und ließ mich dabei die ganze Zeit nicht aus den Augen. Vielmehr stierte er mich an als wollte er mich auffressen.
Dann begann er mich zu führen. Wie hypnotisiert folgte ich seinen unausgesprochenen Anweisungen und ließ mich geschmeidig in alle Bewegungen hinein gleiten. Die ganze Zeit redete er keinen Ton mit mir. Die Spannung zwischen uns war fast unerträglich, aber unserem Tanz verlieh sie auch etwas magisches.
Als es vorbei war, warf Gideon mir einen beinahe verletzten Blick zu, der mir im Herzen weh tat. Was hatte ich ihm nur getan?
Ehe ich mich versah war er verschwunden ohne sich zu verabschieden. Jetzt war ich völlig verwirrt.

Und einmal Ferienlager...Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt