Frühstück mit extras

965 17 0
                                    

Als ich mit Gid in den Speisesaal zum frühstücken ging, saßen Les und Raph bereits da und grinsten uns wissend an. Wir besorgten uns unser Futter und setzten uns zu ihnen an den Tisch.
"Na, Bruderherz, hast du es endlich geschafft meinen Masterplan in die Tat umzusetzen?" fragte Raph grinsend. Ich stutzte.
"Warte - wie war das? Ihr seid Brüder?" Leslie schien das bereits zu wissen, denn sie sah mich nickend an. Na toll! Wieso erfuhr ich eigentlich immer alles als letzte?
"Aber wieso lebst du in Frankreich? Und warum heißt du Bertelin?"
"Unsere Mutter hatte ein Verhältnis mit meinem Stiefvater. Mum und Dad haben sich getrennt, als ich gerade sechs war und sie hatten beschlossen dass jeder einen Sohn behält. Ich glaube man nennt sowas einvernehmliche Scheidung.
Jedenfalls wollte Mum mit Bertelin nach Frankreich, und da Gid schon mit Schule angefangen hatte, wollten sie ihn nicht aus der gewohnten Umgebung rausreißen und haben mich mitgenommen. Als sie geheiratet haben, wurde mein Nachname mit umgeschrieben. Gid und ich haben uns aber in den Ferien immer besucht."
"Und wie war das mit dem Masterplan?" Gid sah Raph etwas erschrocken an.
"Na ja, seit fast drei Jahren jammert er mir die Ohren voll von dem tollen Mädchen, in das er sich verliebt hat und das er nicht haben kann. Und da hab ich ihm halt ein paar Tipps gegeben. Ich hab ihm gesagt, dass er rausfinden soll, was du in den Ferien machst. Als er mir dann gesagt hat, dass er von Falk weiß dass du hier sein würdest, habe ich ihm den Tipp mit der Sani-Tätigkeit gegeben."
Schon wieder Falk! Ich war umgeben von Verrätern!
"Und damit ich ihm ein wenig auf die Sprünge helfen kann, hab ich mich auch gleich hier angemeldet. Als ich dich dann gesehen hab, war mir sofort klar, dass ihr zusammengehört."
Das wurde ja immer besser.
"Dass ich hier allerdings selber auch so einen Volltreffer" er sah zu Leslie "lande hätte ich nicht gedacht." Leslie schmunzelte und warf ihm einen zwinkernden Blick zu. Dann fiel ihr etwas ein.
"Gwen, du musst mir unbedingt noch von der Sache im Schloss erzählen."
Ich wurde kreidebleich. Gid auch.
"Les ich weiß nicht..."
"Oh, aber ich weiß! Wir haben uns doch immer alles erzählt. Und Raph wird es auch für sich behalten, nicht wahr?" sie sah ihn fragend an. Er bestätigte.
Ich sah zu Gid. Dann begann zum Glück er die ganze Geschichte zu erzählen...
Als er geendet hatte, sah Les uns fasziniert an. Raph schien noch seine Zweifel an der Sache zu haben.
"Ich muss unbedingt dahin und diese Elisabetha ausfragen. Wir haben definitiv zu wenig Informationen."
Meine Leslie. Kein Geheimnis ist vor ihr sicher.
"Ja, aber da gibt es einen Haken: Sie hat gesagt, dass sie sich nur zeigt, wenn zwei Menschen, die eine besondere Verbindung miteinander haben, allein vor ihrem Brunnen auftauchen. Und ich vermute, es muss um Mitternacht sein, weil sie da aufgetaucht ist."
Leslie lächelte geheimnisvoll.
"Das sollte kein Problem sein..." Sie sah Raph an. Ihm klappte die Kinnlade runter als er begriff.
"Du hast schon verstanden, Raph! Heute Nacht um kurz nach elf! Entweder es klappt oder wir haben Pech gehabt. Also?"
Raph hatte kaum eine Chance, nein zu sagen. Also war es beschlossen.

Heute Morgen fand ein Instrumental-Musikwettbewerb im Speisesaal statt. Daher blieben alle nach dem Frühstück einfach sitzen und warteten gespannt auf den ersten Auftritt. Die Wettbewerbsteilnehmer, zu denen auch Gid und Raph gehörten, gingen nach vorne zur Bühne und bereiteten ihre Instrumente vor, während Will zu ihnen kam und sich mit jedem einzelnen kurz unterhielt und dann zum Rednerpult trat.
Seine Ansprache war wie immer kurz und eindrucksvoll. Dann ging es los. Ein Mädchen mit einer Panflöte trat auf die Bühne. Es war sehr schön, aber zum Schluss kam sie ein paar Mal vom richtigen Ton ab. Trotzdem applaudierten alle begeistert.
Raphael war der nächste. Ich hatte gar nicht gewusst, dass er Gitarre spielen konnte. Und er war phantastisch. Les und mir blieb der Mund offen stehen. Wir gingen zur Bühne, und als er die letzten Takte verklingen ließ, stürmte Les auf ihn zu und umarmte ihn, während das Publikum tobte.
Es folgten ein Saxophonist und ein Posaunen-Duo. Sie waren nicht schlecht, aber an Raphs Auftritt kamen sie nicht ran.
Gideon saß schon am Flügel, als die zwei Posaunisten sich noch verbeugten. Er wartete, bis Ruhe im Saal einkehrte. Raph war mit Les zu mir gekommen und nun warteten wir gespannt. Als Gid anfing zu spielen, spürte ich in mir wieder dieses seltsame Vibrieren wie es seine Stimme manchmal bei mir auslöste.
Er spielte die Instrumentalversion von >Promise me< von Beverley Craven. Es klang so herzzerreißend, dass die Wasserschleuse an meiner Tränendrüse undicht wurde.
Er bekam rasenden Beifall. Ich ging zu ihm auf die Bühne wo er noch immer am Flügel saß, beugte mich zu ihm hinab und küsste ihn. Er brummte leicht, als ich mich schon nach kurzer Zeit von ihm löste.
"Hmm... Du weißt, dass du da später noch 'ne Zugabe drauflegen musst?"
Meine Mundwinkel zuckten nach oben und ich nickte.
"Wenn ich mich nicht schon so hemmungslos in dich verliebt hätte, wäre das jetzt der Moment gewesen. Du warst phantastisch!" Er strahlte und seine Augen funkelten mich an.
Gid und Raph gewannen gemeinsam den Wettbewerb. Wenn also Les noch punkten konnte, wären wir unserem Aufenthalt im Schloss wieder ein Stück näher.

Und einmal Ferienlager...Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt