Für die Schnitzeljagd gab es sechs Teilnehmer, die sich alle um zehn im Schlosshof einfinden sollten. Jeder der Teilnehmer bekam einen Schlüssel in einer anderen Farbe, der zu den gleichfarbigen Boxen passte, die er suchen musste. In jeder Box befand sich ein Rätselreim, der auf das Versteck der nächsten Box hinführte. In der fünften Box befand sich der Hinweis auf die Truhe.
Jeder Teilnehmer startete aus einem anderen Raum. Es galt also der Reihe nach die Boxen ausfindig zu machen, die Truhe zu finden und ein Foto der Truhe an Grace zu senden, die im Schlosshof wartete. Wer das erste Foto gesendet hatte, war der Sieger.
Damit niemand merkte, dass wir Leslie halfen, gingen Raph und ich eine halbe Stunde eher los und versteckten uns hinter dem Schloss am Beginn des Labyrinths, das dort aus Hecken angelegt war. Es musste ein Platz in Fensternähe sein, damit die SMS durchgingen. Bei der Schlossführung hatte Raph das getestet.
Wenn es nicht aus bekannten Gründen dringend notwendig gewesen wäre, dass wir den Aufenthalt im Schloss gewannen, hätten wir es ja dem Zufall überlassen. Als Gid und ich beim Frühstück Les und Raph unsere Entscheidung mitgeteilt hatten, wären sie fast ausgeflippt und meinten dann, dass wir das unbedingt noch feiern mussten.
Eigentlich war ich ja überzeugt, dass Grace und Will uns bestimmt auch so den Zugang gewährt hätten. Aber Leslie und Raph wollten sich den Spaß nicht nehmen lassen in einem echten Spukschloss übernachten zu dürfen. Und ich fand es ganz gut, dass Leslie und Raph mal ein gemeinsames Projekt hatten.
"Was hast du eigentlich mit meinem Bruder angestellt?" Ich zuckte mit den Schultern.
"Keine Ahnung was du meinst." Auf Raphs Gesicht schlich sich ein anzügliches Grinsen.
"Ich glaub schon dass du eine Ahnung hast. Du willst es mir nur nicht sagen. Er ist schon seit der Party so gut gelaunt, aber heute früh hatte er so ein seltsames Grinsen im Gesicht und er hat sogar vor sich hin gepfiffen. Also was hast du gestern mit ihm gemacht?"
Also Raphael konnte manchmal echt Fragen stellen, die einen in die Enge trieben. Ich spürte schon wieder die Hitze in den Wangen.
"Ich will dich ja nicht beleidigen, aber das geht dich eigentlich nichts an. Du erzählst mir ja auch keine intimen Details aus deiner Beziehung." Raphs Grinsen drohte nun allmählich sein Gesicht zu sprengen.
"Das reicht mir schon als Info. Jedenfalls solltest du das öfter mit ihm machen. Er ist seither viel netter und umgänglicher geworden." Jetzt hatte er mich mit seinem Grinsen infiziert. Und ich war dankbar, dass er mich nicht auf meine Gesichtsfarbe ansprach.
"Alles klar, ich werd's mir merken." Raphs Handy piepte.
"Oh, jetzt geht's los! Les schreibt, dass sie gerade im Schlosshof angekommen sind. Grace verteilt die Schlüssel und die ersten Hinweiszettel. Sie muss in der Küche anfangen."Der Hinweis lautete:
Zwei Teile die so ungleich scheinen
doch aufeinander sich gut vereinenKurz und bündig! Aber das machte es auch nicht gerade einfacher. Raph und ich sahen uns ratlos an. Dann begannen meine Gehirnzellen zu rattern.
Okay:
erstens - sie muss in der Küche anfangen, also ist die Box entweder irgendwo in den Möbeln oder im Geschirr versteckt.
zweitens - zwei Teile, also steckte die Box zwischen zwei Teilen
drittens - ungleiche Teile die sich aufeinander vereinen..."Ich hab's!" rief ich . "Die Töpfe! " Raphael sah mich verständnislos an.
"Schreib Les sie soll in den Töpfen nach der Box suchen." Jetzt schien der Groschen zu fallen. Raphael nickte und tippte es in sein Handy.
Nach drei Minuten kam die Erfolgsmeldung.
"Es hat geklappt!" Raph gab mir einen High five und dann warteten wir gespannt bis Les die Box geöffnet hatte.
"Okay, sie schreibt dass sie das nächste selbst lösen kann und sie sich wieder meldet sobald sie nicht weiter kommt."
Also wieder warten. Quälende Minuten vergingen. Ich fragte mich wo sie wohl stecken mochte und Raph tigerte nervös im Viereck rum. Das tat meinen Nerven auch nicht grade gut. Dann fing das Handy endlich wieder an zu piepen.
"Also Leslie ist jetzt schon bei der letzten Box, die zur Truhe führt. Sie ist jetzt gerade auf dem Dachboden und sie schreibt es ist voll gruselig..."Der Hinweis lautete:
In vino veritasHäh?! War das alles?
Les hatte Latein abgewählt. Deshalb war sie auch nicht weitergekommen. Die Übersetzung war mir schon mal klar.
"Im Wein liegt die Wahrheit. Aber was hat das zu bedeuten?"
Ich sah Raphael leicht verzweifelt an. Dann erhellte sich seine Mine. Er tippte etwas in sein Handy.
"Was ist? Was hast du ihr geschrieben?"
Er hielt mir das Display hin.
> Such im Weinkeller< stand da.
"Du bist ein Genie, Raph!" Er lachte.
"Wenn wir den Aufenthalt gewinnen, müssen wir den Weinkeller auf jeden Fall nochmal genauer untersuchen..." Ich sah ihn gespielt empört an.
"Du willst doch nicht etwa, dass wir dich über Nacht in die Ausnüchterungszelle sperren?"
Ein Lächeln huschte über sein Gesicht.
"Nur wenn ihr Les mit dazu sperrt..." Jetzt musste ich losprusten.
"Das könnte dich Kopf und Kragen kosten. Wenn sie nüchtern wäre, würde sie dir den Hintern versohlen. Und was sie machen würde, wenn du sie mit abfüllst, will ich mir lieber erst gar nicht ausmalen..."Dann kam die Nachricht. Sie bestand aus dem Bild von der Truhe, das Les zuerst an Grace und dann an Raph verschickt hatte.
Also mussten wir uns jetzt ganz schnell vom Acker machen, damit uns niemand entdeckte. Wir schlichen geduckt um das Labyrinth herum und verschwanden nach hinten über das Wäldchen in Richtung See.Raph und ich saßen schon beim Mittagessen als Les dazukam. Aufgeregt erzählte sie uns vom Rest der Schnitzeljagd, von den Rätseln und wie sie kreuz und quer durchs ganze Schloss irren musste. Aber dank Raphs Grundrissen vom Schloss hatte sie sich wenigstens nicht verlaufen.
Die SMS zu Raphs Handy hatte sie zwecks Spurenverwischung sofort nach Auffinden der Kiste gelöscht.
Als Raphael in seiner unergründlichen Weisheit nochmal auf den Weinkeller zu sprechen kam, sagte Les etwas, das mich fast vom Stuhl haute, da sie mit Alkoholgenuss sonst immer sehr streng gewesen war.
"Also wenn wir das wirklich durchziehen und das mit den Elixieren hinter uns haben, dann könnten wir das Ganze ja ruhig in der letzten Nacht mit einer kleinen Weinprobe begießen."
Das sollte sich noch als fataler Fehler herausstellen...
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Und einmal Ferienlager...
FanfictionEndlich Ferien! Gwen und Leslie haben sich im Feriencamp von Gwens Onkel Falk angemeldet. Als sie dort ankommen, stellt Gwen fest, dass ihr persönlicher Albtraum - Gideon, der Kotzbrocken - sie bis in die Ferien verfolgt. Er hat sich im Camp als San...