Schwanensee

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Am Nachmittag gingen wir runter zum See um das herrliche Wetter auszunutzen. Dieses Jahr hatten wir scheinbar wirklich Glück damit. Will hatte mir zwar erzählt, dass es hier in der Regel viel sonniger als in London sei, aber ich konnte mir nicht vorstellen, dass es hier jeden Sommer so wenig Regentage gab.
Leslie, Raph, Sally und ich hatten uns schon eine Weile in der Sonne braten lassen. Tina war mit Jo im Wasser beschäftigt. Zwischen den beiden schien sich nun doch mehr zu entwickeln. Aber Sally hatte gemeint, dass man das bei Tina mit Vorsicht genießen muss, da sie noch nie länger als drei Wochen eine Beziehung hatte und manchmal zwei oder auch drei im gleichen Zeitraum. So etwas ähnliches hatte ich mir schon gedacht.
Irgendwann kam von Raph der Vorschlag, dass wir uns doch ein Tretboot mieten könnten. Die Idee fand ich gar nicht schlecht und die beiden anderen schienen auch nicht abgeneigt - also war es beschlossen.
Am Bootsverleih mussten wir eine Weile anstehen, weil heute aufgrund des tollen Wetters Hochbetrieb war. Aber schließlich war es soweit und wir saßen alle im Boot und begannen in die Pedale zu treten. Nachdem wir aus dem Uferbereich raus waren, ließen wir das Boot eine Weile treiben.
"Sally, was war das eigentlich genau, das Tina letztes Jahr in dieser Nacht vor ihrem Filmriss zu dir gesagt hat?" Das hatte ich sie schon die ganze Zeit fragen wollen.
"Wenn ich euch das erzähle müsst ihr darüber absolutes Stillschweigen bewahren." Sie sah uns prüfend an. Wir nickten zustimmend. Nach langem Zögern begann sie...
"Also gut. In der Nacht als Tina zurückkam erzählte sie mir dass sie mit diesem Jungen im Schloss übernachten wollte. Die Gewinner der drei Übernachtungen waren schon am Nachmittag zurückgekehrt und hatten uns spannende Sachen erzählt.
Tina und der Junge hatten sich kurz vor Mitternacht aus dem Camp geschlichen und standen nun im Schlosshof. Sie wollten gerade versuchen die Eingangstür mit einem Dietrich zu knacken, als aus dem Brunnen ein Geist in Form einer fliegenden Katze mit Hörnern und Flügeln aufgetaucht ist und sie verfolgt hat.
In ihrer Panik sind sie dann in das Labyrinth hinter dem Schloss hineingeraten, in dem sie sich dann total verirrt hatten. Als sie endlich den Ausgang gefunden hatten, waren sie so durch den Wind, dass sie schleunigst wieder ins Camp geflüchtet sind."
Ich hätte über Sallys Geschichte gelacht, wenn ich nicht vor kurzem selber einen Geist gesehen hätte. Also war es wohl doch ein Spukschloss. Nachdem wir Sally nochmal hoch und heilig versprochen hatten Stillschweigen zu bewahren, setzten wir unsere Fahrt durch den See fort.
Leslie hatte am hinteren Ende einige Schwäne entdeckt und wollte unbedingt näher ranfahren. Sally hatte noch gemeint wir sollten lieber etwas Abstand halten, da die Schwäne gerade ihren Nachwuchs um sich scharten und daher sicher nicht gestört werden wollten, doch Les war einfach zu neugierig. Sally sollte recht behalten.
Als wir zu nah an die Schwanenfamilie rankamen, schwamm Papa-Schwan schon streitlustig auf uns zu. Raph, der seine Leslie beschützen wollte, legte sich mit dem Schwan an und begann ihn zu ärgern. Wir sagten ihm dass er das lieber lassen sollte, aber Raph hörte nicht auf uns.
Schließlich ließ er sich mit einem Kopfsprung direkt neben dem Schwan ins Wasser plumpsen, worauf das aufgebrachte Tier nach ihm schnappte und dann mit schlagenden Flügeln zur Seite wich. Raph tauchte auf und stellte mit Genugtuung fest, dass er als Sieger aus dem Duell hervorgegangen war. Doch als er entdeckte, was der in sein Nest schwimmende Schwan in seinem Schnabel hatte, nahm Raphs Kopf auf einmal die Farbe eines Radieschens an.
"Scheiße! Les, du musst schnell zum Strand schwimmen und bei meinem Bruder eine Badehose holen."
Les sah ihn noch einen Moment begriffsstutzig an, dann blickte sie an Raph herunter und brach in schallendes Gelächter aus. Auch Sally und ich konnten uns nun nicht mehr halten, und Raphs Gesichtsfarbe wechselte kurz ins lilafarbene. Es war einfach nur noch zum scheiße schreien!
Endlich erbarmte sich Les und verschwand in Richtung Strand. Es dauerte aber eine ganze Weile, bis sie wiederkam. Und der arme Raphael musste währenddessen die ganze Zeit im Wasser bleiben und unsere feixenden Bemerkungen über sich ergehen lassen.
Als Leslie endlich mit dem heiß ersehnten Teil auftauchte, meinte sie nur:
"Dir ist schon klar, dass dein Bruder und ich dich damit noch sehr lange aufziehen werden?" Raph nickte peinlich berührt.
"Und dafür, dass ich gerade sozusagen deinen Arsch gerettet hab, steht mir noch ein Wunsch frei!"
Wieder ein Nicken.
"Alles was du willst." Leslie begann hinterhältig zu grinsen.

Und einmal Ferienlager...Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt