Der Nachmittag am See

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Nachdem wir alle unsere Badesachen sowie Shorts und T-Shirts angezogen hatten (wobei Les anscheinend Raph wieder mit ihrem bauchfreien Top provozieren wollte), gingen wir runter zum See.
Wir breiteten unsere Badetücher aus und legten die Handtücher zum Abtrocknen bereit.
Es war herrliches Wetter und so beschlossen wir erst mal ein ausgiebiges Sonnenbad zu nehmen. Wir zogen unsere Shorts und Oberteile aus, wobei Leslie die ganze Zeit den Kiosk im Blick hatte.
"Was gibt es denn da drüben so Interessantes?" fragte ich sie irritiert.
"Sag' ich dir nachher. Crem' dich erst mal ein!" Ich tat wie geheißen und reichte Leslie die Sonnencreme. Aber die Hand, die mir die Tube abnahm gehörte nicht Leslie. Es war Raphaels Hand. Ich zuckte kurz.
"Darf ich?" fragte er an Leslie gewandt. Und er strahlte sie mit einem Lächeln an, das einen Eisberg zum Schmelzen gebracht hätte.
"Gerne." erwiderte Leslie und legte sich ohne zu Zögern auf den Bauch. Ich setzte mich neben sie. Es war nicht zu übersehen, dass Raph Les nicht eincremen wollte, um sie vor der Sonne zu schützen. Die geschickte Art, wie er seine Finger über ihre Haut gleiten ließ, ging weit über einen normalen Freundschaftsdienst hinaus und verwandelte Leslies Atmung in ein wohliges Schnurren. Das zu beobachten, war ein reines Vergnügen. Natürlich war es auch ein klein wenig peinlich, weil man sich dabei wie ein Spanner vorkam. Als Raphael seine Wellness-Behandlung beendet hatte und sich auf der anderen Seite neben Leslies Liegetuch niederließ, beugte ich mich zu ihr runter und flüsterte ihr schmunzelnd zu:
"Du scheinst die Streicheleinheiten ja sehr genossen zu haben."
"Ja," schwärmte sie "Solltest du unbedingt auch mal versuchen!"
"Tja, leider fehlt mir dazu derjenige, der sie mir verabreicht."
"Ich wüsste da vielleicht jemanden. Ich kenne ihn sehr gut..." Ich zuckte bei Raphaels Kommentar zusammen. Hatte er etwa unser Gespräch belauscht?
"Ne, lass mal. Ich will jetzt erst mal in Ruhe meine Ferien genießen." Und ich hatte keine Lust mit jemandem verkuppelt zu werden. Sowas ging doch meistens schief.
"Schade. Ihr würdet richtig gut zusammenpassen. Sag' Bescheid, wenn du deine Meinung änderst."
"Du wirst der erste sein, der's erfährt." Schon wieder schweifte Leslies Blick zum Kiosk. Das irritierte mich allmählich.
"Wenn du mir jetzt nicht gleich sagst, wieso du dauernd zum Kiosk rüber schaust, platze ich!"
Leslie grinste. Raphael auch.
"Seit wir hier sind, steht dort drüben jemand, der jede deiner Bewegungen verfolgt, als wäre er vom Secret Service." Das machte mich neugierig. Also drehte ich mich um, ließ meinen Blick Leslies folgen und entdeckte...
Gideon! Für einen Moment sah er mich so durchdringend an, dass mich fast der Schlag getroffen hätte und ich nicht wusste, ob mir heiß oder kalt werden sollte.
Mir wurde vor Schreck leicht übel. Wieso er? Wieso beobachtete er mich? Anscheinend hatte er gemerkt, dass ich ihn gesehen hatte und es war ihm offensichtlich unangenehm, denn seine Reaktion glich der eines fünfjährigen, den man beim Süßigkeiten-Klauen erwischt: Er drehte wie der Blitz den Kopf weg und bekam rote Schläfen. Wenn es mir selber nicht so peinlich gewesen wäre, hätte ich das total süß gefunden. Aber das hätte bedeutet, dass ich ihn mochte, und das passte mir nun gar nicht in den Kram.
Also fand ich es nicht süß, sondern wandte meinen Blick - sobald ich meine Gesichtszüge im Griff hatte - wieder Leslie zu und zuckte mit den Schultern.
"Keine Ahnung, warum er uns beobachtet. Vielleicht ist ihm langweilig." Raphael grinste, aber klugerweise verkniff er sich den Kommentar, der ihm gerade auf der Zunge lag.
Endlich gingen wir schwimmen. Es war wirklich ungewöhnlich heiß heute und auf unserer Haut bildeten sich schon die ersten Schweißperlen. Der See war nur an der Oberfläche warm, doch alles was mehr als einen Meter in der Tiefe lag war Kühlschrank-Temperaturen ausgesetzt. Ich fand das jedoch nicht unangenehm. Die kleine Abkühlung an den Füßen tat sehr gut.
Leslie hatte sich gerade neben mir aufgestellt, um den Rest ihres Körpers ans Wasser zu akklimatisieren, als sie plötzlich um einen halben Meter in die Höhe schnellte und vor Schreck laut aufschrie, während unter ihr ein lachender Raphael auftauchte und sie langsam wieder runterließ. Als Rache dafür zog Leslie ihm in einem schnellen Griff die Knie hoch, so dass er mit dem Rücken ins Wasser klatschte. Das Ganze endete in einer Wasserschlacht.
Da ich als Kind mal von einem Jungen unter Wasser getaucht worden war und seither etwas Panik vor Wasserschlachten hatte, beschloss ich die beiden allein zu lassen und zu der 20 Meter entfernten Holzplattform zu schwimmen. Ich stieg die Leiter hoch und setzte mich an den Rand. Die Sonnenstrahlen auf meiner von Wasserperlen überzogenen Haut verursachten ein angenehmes Kribbeln, und so schloss ich meine Augen. Wenn ich jetzt allein geblieben wäre, hätte ich von einem Urlaub in der Karibik oder auf den kanarischen Inseln geträumt, doch dazu sollte es nicht kommen.
Tina hatte sich ein Ruderboot gemietet und war mit Tom und Jo im Gefolge an meiner kleinen Holz-Oase angedockt. Die Ruder hatten sie mit von Bord genommen und da Tina sich eines der Teile geschnappt hatte weil sie unbedingt auch mal rudern wollte, stritten sich die Jungs nun darum, wer das andere bekam und somit den Platz neben Tina.
Plötzlich spürte ich von hinten einen Schlag gegen meinen Kopf und ging zu Boden. Aber da vor mir kein Boden war, ging ich zu Wasser. Benommen durch den Schlag sank ich nach unten und wie gelähmt fühlte ich das Wasser in meine Lungen kriechen. Dann wurde mir schwarz vor Augen...
Ich sah Gideons Gesicht, seine unglaublich schönen Augen, die jeden Widerstand in mir außer Gefecht setzten, hörte sein sanftes, zärtliches Flüstern das alle Zellen meines Körpers vibrieren ließ und sog seinen verheerend berauschenden Geruch tief in meine Lungen wie ein süchtiger Kettenraucher...
Ein starker und doch behutsamer Druck auf meinem Brustkorb holte mich zurück aus meinem Delirium. Als ich gerade die Augen öffnen wollte, spürte ich wie eine Hand sachte mein Kinn nach unten zog, sich ein weiches Lippenpaar auf meinen Mund legte und ein heißer Atemstoß in meine Kehle wanderte.
Ich erwachte und als ich in die großen grünen Augen sah, musste ich blinzeln, weil ich zuerst dachte ich sei wieder ins Delirium gefallen. Ganz langsam realisierte ich meine Situation. Ich lag auf meinem Handtuch am Strand und direkt über mir schwebte Gideons Gesicht, welches mir gerade eine Mund-zu-Mund Beatmung verabreicht hatte. Der starke Druck auf meinem Brustkorb musste infolge dessen die dazugehörige Herzmassage gewesen sein.
"Gwendolyn! Gott sei Dank. Ich bin fast gestorben vor Angst."Hustend setzte ich mich auf und spuckte das restliche Wasser /ausin meiner Lunge aus. Was hatte er da gerade gesagt? Er hatte sich Sorgen um mich gemacht? Ich räusperte mich.
"Ähm... Danke!" Das war alles was ich herausbrachte. Ich sah auf seine Hände, die noch immer auf meinen Wangen lagen. Langsam nahm er sie weg. Als eine Art Platzhalter hinterließ er an meinem Gesicht ein seltsames Kribbelgefühl, das blöderweise nicht so recht verschwinden wollte.
Ich richtete mich auf.
"Was ist passiert?" Tina und die Jungs saßen neben mir und Tina übernahm die Erklärung. Sie hatten gar nicht gemerkt, dass sie mich mit dem Ruder von der Plattform geklatscht hatten. Erst als Tina sich nach mir umgesehen hatte, war ihnen mein Verschwinden aufgefallen. Zum Glück hatte aber Gideon uns beobachtet und war sofort losgespurtet als er mich ins Wasser fallen sah. Er hatte mich aus dem Wasser gezogen und wiederbelebt.
Nachdem sich die Jungs tausend Mal entschuldigt und mir Wiedergutmachung angeboten hatten, war mir aufgefallen, dass Gideon weg war. In einem Anflug von schlechtem Gewissen beschloss ich mich später nochmal richtig bei ihm zu bedanken. Doch zuerst musste ich mit dem Gefühlschaos aufräumen, das gerade in mir rumorte. Und so zog ich mich an, brachte meine Sachen aufs Zimmer und begab mich auf einen langen Spaziergang...

Und einmal Ferienlager...Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt