Ausflug in die Vergangenheit

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Während ich eineinhalb Stunden vor dem Abendessen den einsamen Waldweg ums Schloss entlang schlenderte, versank ich mit meinen Gedanken in der Vergangenheit. Eine Szene tauchte in meinem Bewusstsein auf, so deutlich, als würde ich alles noch einmal erleben ...

Flashback

Mein erster Tag an der neuen Schule. Ich stehe verloren vor dem Sekretariat. Gerade habe ich meinen Stundenplan bekommen und die freundliche Dame aus dem Büro hat mir den Weg in mein Klassenzimmer erklärt. Aber jetzt, wo ich auf dem Flur stehe, bin ich total verwirrt und kann mit der Beschreibung gar nichts anfangen.
Nachdem ich zum fünften Mal im Kreis gelaufen bin, kommt plötzlich ein Junge auf mich zu. Seine tollen grünen Augen rauben mir für einen Moment den Atem und die Sprache. Auch er hält einen Moment inne. Dann lächelt er mich freundlich an und frägt mich in welche Klasse ich muss. Erleichtert und dankbar lasse ich mir von ihm den Weg zeigen. Vor meinem Klassenzimmer angekommen sind noch 15 Minuten Zeit und so unterhalten wir uns noch ein wenig.
Er ist mir sehr sympathisch, aber hey: ich bin gerade 13 geworden und kann mich zur Zeit selber nicht so recht leiden, wieso also sollte er mich mögen? Sicher ist es besser etwas Abstand zu bewahren. Trotzdem frägt er mich nach meiner Handynummer. Doch gerade als ich ansetzen will ihm die Nummer zu geben, passiert es: meine wunderschöne Cousine Charlotte - alias der Feuerteufel - stürmt auf Gideon zu, umarmt ihn und reißt ihn von mir weg zu ihrer Clique rüber. Enttäuscht gehe ich ins Klassenzimmer und lasse mir vom Lehrer einen Platz zuweisen. Als mich der Lehrer vorstellt, grinst mich Charlotte hämisch an und natürlich werde ich feuerrot. Scheiße!
Nach der letzten Stunde hält mich Charlotte am Arm fest, als ich raus will. Sie erzählt mir, dass sie mit Gideon und ihren Freunden sehr über mich gelacht hätte, und dass er mich nur nach meiner Nummer gefragt hätte, weil sie darüber Wetten abgeschlossen hätten, wie lange ich wohl bräuchte, bis ich auf ihn hereinfallen würde.
"Gideon steht nicht auf kleine, naive tollpatschige Mädchen wie dich" raunt sie mir zu und setzt dabei ihr tolles, verführerisches Lächeln auf.
Auf dem Schulhof auf dem Weg zum Bus stellt Charlotte mir ein Bein und rempelt mich von der Seite an. Leider sind wir gerade auf Höhe des Springbrunnens und so komme ich zu einem unfreiwilligen Bad. Kurz vor meinem Untergang höre ich Charlottes gehässiges Gelächter. Ich könnte sie umbringen!
Zwei starke Arme fischen mich aus dem Wasser und vor mir steht Gideon, der mich von oben bis unten mustert und dann plötzlich zu grinsen anfängt. Idiot!
"Soll ich dich nach Hause bringen?" frägt er scheinheilig. Was Leute alles tun, nur um eine blöde Wette zu gewinnen oder um ihr Ego zu polieren...
"Ne lass mal, das geht schon." Als ich mich schon zum gehen wende, kommt er nochmal auf meine Handynummer zu sprechen. Kurz bin ich versucht sie doch rauszurücken, aber dann fällt mir wieder ein, wie mir Charlotte erzählt hat, dass er mich als orientierungsloses Nervenbündel bezeichnet hat und ich schüttle nur traurig den Kopf und meine, dass ich im Moment etwas vorsichtig bin, wem ich meine Nummer gebe.
Ich meine fast so etwas wie Enttäuschung auf seinem Gesicht zu erkennen. Aber das ist mir im Moment egal. Ich bin nass bis auf die Knochen und will jetzt einfach nur nach Hause. Außerdem ist die beschissene Bluse der Schuluniform durchsichtig wenn sie nass wird und sie klebt an meinem Körper wie ein Fladenbrot.
Zu allem Übel muss ich auch noch nach Hause laufen, weil ich so natürlich in keinen Bus steigen kann. Gideon hat mir noch etwas nachgerufen in dem die Worte ... umziehen... und ... du wirst dich erkälten... vorkamen. Aber wahrscheinlich hab ich mir das nur eingebildet. Warum sollte er sich um ein orientierungsloses Nervenbündel wie mich Sorgen machen?
In der Woche danach hält sich Gideon irgendwie ständig in meiner Nähe auf und beobachtet mich. Aber ich habe beschlossen ihn zu ignorieren.
Leider ist das umgekehrt nicht so. Irgendwann fängt er dann auch noch an ständig mit verschiedenen Mädchen rumzuflirten, aber nie länger als einen Tag. Und sobald ich ihm den Rücken zukehre und danach wieder hinsehe, sind die Mädels immer verschwunden. Außer Charlotte. Sie ist in ihn verliebt und sie klebt an ihm wie eine schlimme Krankheit.
Charlotte verhält sich auch mir gegenüber wie eine schlimme Krankheit. Aber seit sie mir mal eine Wasserbombe gefüllt mit roter Farbe auf den Stuhl gelegt hat und Leslie diese heimlich auf Charlottes Stuhl geschmuggelt hat, wonach alle dachten Charlotte hätte ihre Tage, hat sie aufgehört mir Streiche zu spielen. Seitdem ist sie nur noch mit ihren Worten gehässig zu mir.
Bei Gideon bleibt es dann dummerweise irgendwann nicht mehr beim flirten, was mir ziemlich auf die Nerven geht. Eigentlich sollte es mir egal sein, aber leider entspricht das nicht ganz den Tatsachen. Jedes Mal, wenn ich sehe wie Gideon ein anderes Mädchen im Arm hat - ganz zu schweigen von den Dingen, die er sonst noch mit ihnen anstellt - stirbt ein kleines Stück in mir. Aber da ich mir eher die Zunge abbeißen würde als das zuzugeben, bleiben wir das, was wir sind: allerbeste Feinde....

Nun hatte mir mein allerbester Feind das Leben gerettet. Und er hatte keinen arroganten Spruch auf mich abgefeuert wie sonst. Er hatte sich ernsthafte Sorgen gemacht. Und dann war er plötzlich verschwunden...
Irgendwas hatte sich verändert, seit er mich aus dem See gefischt hatte.
Über meine eigenen Gefühle war ich mir dabei noch keinesfalls im Klaren. Wenn ich an den Moment nach meinem Erwachen und an den Traum kurz davor dachte, wurde mir immer noch ganz heiß. Aber bevor ich der Versuchung nachgab ihn das merken zu lassen und mich damit womöglich zu blamieren, musste ich erst mal in Erfahrung bringen, ob ich mir das alles nur eingebildet hatte. Also beschloss ich heute nach dem Abendessen mit ihm zu reden.

Und einmal Ferienlager...Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt