Unsere Anmeldung und wie Raphael den Mund zu voll nahm

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Wir gingen zu fünft in das Büro, wo Grace, Will und zwei andere schon mit den Anmeldelisten beschäftigt waren. Als Will mich sah, huschte kurz ein Lächeln über sein Gesicht.
Wieso tat er das? Kannte er mich von irgendwoher? Dass ich ihn noch nie zuvor gesehen hatte, dessen war ich mir sicher. Er kam auf uns zu und gab uns allen die Hand. Jeden einzelnen begrüßte er mit dem Namen und ein paar persönlichen Worten. Das fand ich absolut beeindruckend. Wie konnte er sich bei so vielen Feriengästen die Gesichter und das Anmeldeprofil merken?
Als er bei mir angelangt war, hatte er wieder dieses seltsame Lächeln auf dem Gesicht.
"Gwendolyn de Villiers, richtig?" Ich nickte.
"Bist du nicht die Tochter von Lucy und Paul?" Woher wusste er die Namen meiner Eltern? Im Anmeldeformular stand das jedenfalls nicht.
"Sie kennen die beiden?"
"Paul war mit mir im Abschlussjahr auf der High School und Lucy war unser gemeinsamer Jugendschwarm. Nun so wie es aussieht, hat sie die richtige Entscheidung getroffen." Das wurde ja immer besser. Mum hatte mir nie davon erzählt. Vielleicht war es ihr peinlich oder sie wollte Dad nicht eifersüchtig machen.
"Jedenfalls freue ich mich endlich mal Pauls Tochter kennenzulernen. Du bist noch viel hübscher als auf den Fotos, die er mir beim letzten Klassentreffen gezeigt hat."
Ach ja richtig - das Klassentreffen. Das war doch der Abend, an dem Dad sich beinahe mit Mum gestritten hätte, weil er lieber zu Hause bleiben wollte. Man musste ihn mit allen Tricks aus dem Haus schleifen. Als sie dann heimgekommen sind, war es schon sehr spät bzw. früh und sie haben sich total peinlich benommen - wie ein frisch verliebtes Teenager-Päärchen. Ich glaube sie waren sogar leicht betrunken.
"Danke!" gab ich leicht verlegen zurück.
"Hast du dich in London gut eingelebt?"
"Na ja am Anfang war es nicht leicht. Aber inzwischen habe ich gute Freunde gefunden." Ich deutete mit dem Kopf zu Leslie.
"Das freut mich für dich. Also viel Spaß noch in unserem Camp! Und wenn du was brauchst oder ein Problem hast, kannst du jederzeit zu mir kommen."
"Vielen Dank! Sehr freundlich von ihnen."
"Ach und außerdem ihr könnt mich Will nennen. Ich bin es gewohnt, dass wir hier alle per du sind."
"Alles klar, Will. Wir sehen uns."
Dann verschwand er aus der Tür.
Grace ging mit uns den Veranstaltungsplan der nächsten zwei Wochen durch und fragte dann nach jeder Veranstaltung, wer sich anmelden wollte und speicherte das dann sogleich in ihrem Laptop ab. Sie war die perfekte Organisatorin, und ich glaube Will wäre ohne sie aufgeschmissen gewesen.
Les und ich meldeten uns für die meisten Sachen zusammen an. Aber es gab ein paar Veranstaltungen, bei denen Raphael sie gefragt hatte ob sie ihn nicht begleiten wollte. Und bei mir hatte Grace jede Woche noch zwei extra Überraschungen aufs Programm gesetzt. Als wir alles durch hatten, druckte Grace die Pläne aus und gab sie uns.
Draußen sah ich Will wie er sich mit Gideon unterhielt. Er schien mich gesehen zu haben, denn während ihres Gesprächs sahen sie abwechselnd zu mir herüber. Hoffentlich sprachen sie nicht über mich. Ich schüttelte den Kopf und schloss mich schnell den anderen an, bevor Gideon auf die dumme Idee kommen konnte mich wieder zu belästigen.
Es war erst halb elf und da das Mittagessen erst ab halb eins serviert wurde, hatten wir noch massig Zeit uns von Tina und Sally durch die Anlage führen zu lassen. Wir konnten von Glück reden, dass Tina eine so begnadete und bereitwillige Fremdenführerin war, denn durch sie kam es uns vor, als seien wir schon Stammgäste. Nur das Schloss schien ihr irgendwie unheimlich zu sein und sie machte bei unserer Führung einen weiten Bogen darum.
Sally flüsterte mir zu: "Erklär ich euch später."
Nach unserer Führung hatten wir immer noch fast eine Stunde bis zum Mittagessen. Also beschlossen wir uns kurz umzuziehen und alle zusammen noch etwas Tischtennis a la Mexiko zu spielen. Dabei reihen sich alle um eine Tischtennisplatte und jeder, der einmal abgeschlagen hat wechselt zur Reihe auf der Gegenseite. Wer nicht ins gegnerische Feld trifft scheidet aus, bis zum Schluss nur noch zwei fürs Endspiel übrigbleiben.
Zu Beginn gesellten sich noch zwei Jungs zu uns, die sich als Tom und Jo vorstellten. Raphael, der wohl seit seiner Kindheit Tischtennis gespielt hatte, ließ sich von den beiden zu einer Wette provozieren. Der Verlierer des Endspiels musste einmal für den Sieger den Küchendienst übernehmen.
Es wurde ein heiß umkämpftes Match. Und natürlich war Raphael im Endspiel - gegen mich!
Da es sein Selbstbewusstsein offenbar nicht vertragen konnte gegen ein Mädchen spielen zu müssen, provozierte er mich, so gut er konnte. Aber es wollte ihm dennoch kein entscheidender Treffer gelingen.
"Du spielst wie ein Mädchen!" sagte er spöttisch, als ich eine seiner klassischen KO-Varianten konterte und somit einen Punkt vorne lag. Da wurde es Leslie zu bunt. Listig lächelnd flüsterte sie mir zu: "Ich werde dafür sorgen, dass er seine Klappe hält..."
Als Raphael gerade den Ball abgespielt hatte, zog Leslie ihre Sweat-Jacke aus und zum Vorschein kam ein heißes bauchfreies Top, das dafür sorgte, dass Raphael mit weit aufgerissenem Mund und dämlich glotzend stehen blieb. Leider kam in diesem Moment der Ball zurück und blieb in Raphaels Mund stecken. Die versammelte Mannschaft brach in schallendes Gelächter aus und zu allem Übel hatte Leslie bereits ihre Handykamera gezückt und hielt das Ganze für die Nachwelt fest.
Als sie an Raphael vorbeiging, nahm sie ihm den Ball aus dem Mund, hauchte ihm einen Kuss auf die Wange und flüsterte ihm zu :
"Gratuliere zum Küchendienst! Wir beide sind morgen nach dem Abendessen eingeteilt."
Raphaels Gesicht, das gerade noch einen leichten Rosaschimmer hatte, nahm nun die Farbe einer reifen Tomate an. Er sah zu Anbeißen aus.

Und einmal Ferienlager...Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt