Kapitel 30

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S A M

Nervös ging ich durch die Schulflure, zu meinem Spind um meine Bücher dort zu verschließen. In einer halben Stunde traf ich mich mit Alonso und würde ihm von dem Essen erzählen, zu dem ihm meine Eltern eingeladen hatten.

Mit Beinen, die sich wie Wackelpudding anfühlen, ging ich auf den Parkplatz der High School und sah starr auf den Boden. Ich überlegte mir, wie ich es ihm sagen konnte. Sollte ich es direkt sagen, oder doch lieber nebenbei oder-

,, Hey, princesa", hörte ich eine männliche Stimme rufen. Mein Herzschlag ließ mich nicht klar denken, denn er machte mich unglaublich nervös.

Trotzdem verbreitete sich ein Glücksgefühl in mir und ich ging breit lächelnd zu meinem Freund, woraufhin er mich in eine Umarmung schloss.

,, Was machst du hier?" Ich löste mich von ihm und nickte kurz herum. Natürlich starrten sie uns an. Es war ja auch ungewöhnlich, dass ein Gangmitglied mit einem Mädchen von der Beth Jacob High etwas am Laufen hatte. Es sollte mich nicht interessieren, doch als ich die schockierten und enttäuschten Gesichter von Lia und Verena sah, machte es mir was aus. Ich wollte unentdeckt bleiben, auch wenn mit Aufmerksamkeit nichts ausmachte.

,, Lass' die nur starren." Alonso legte zwei Finger unter mein Kinn und schob meinen Kopf in seine Richtung, damit ich ihm in die Augen sehen konnte. Ich nickte nur langsam und lächelte zögerlich.

Mein Blick wanderte kurz zu Lia, die mich Kopf schüttelnd ansah. Verena war schon weg.

,, Meine Freunde werden mich hassen", murmelte ich zu mir selber. ,, Dann sind es keine richtigen Freunde", warf Alonso ein. Ich seufzte nur. Warum starrten die uns immer noch an?

,, Die wollen eine Show. Ein Gangmitglied und ein unschuldiges Mädchen, dessen Weste weißer als deren Haut ist." Ich lachte bei dem Vergleich und schlug ihm leicht auf den Brustkorb. ,, Lass uns verschwinden", bat ich ihn und setzte darauf an, mich auf sein Motorrad zu setzten. Doch Alonso zog mich zurück, hielt mich an meiner Hüfte und legte seine weichen Lippen auf meine.

Ich liebte dieses Gefühl, was in mir ausgelöst wurde, als wir uns küssten. Es fühlte sich so aufregend an, als ob wir eine Bank ausrauben würden oder ich aus einem Flugzeug springen würde. Als ob Brause in meinem Bauch wäre, kribbelte es dort. Es gab mir ein mulmiges und doch schönes Gefühl.

Vorsichtig drückte er seine Zunge gegen meine Unterlippe. Oh nein, wollte er etwa mir Zunge küssen? Oh Gott, ich hatte es mir schon so oft vorgestellt, wie es wäre, ihn mit Zunge zu küssen. Wie es überhaupt wäre, mit Zunge zu küssen. Okay, Sam, du warst bereit dafür.

Ich gewährte ihm zögernd den Einlass und bereute es keine Sekunde später, als ein prachtvolles Feuerwerk in mir begann, als ob es der 4. Juli wäre.

Ich ließ langsam von ihm ab und spürte, wie er zärtlich eine Hand auf meine Wange legte und mit seinem Daumen über meine Lippe fuhr. Ich lächelte leicht.

,, Dein Ego ist so groß, du musstest es natürlich noch mehr pushen, Idiot."

,, Es ist nicht das einzige an mir, was groß ist", zwinkerte er mir und gab mir den Helm.

Ich beschloss, heute mal seinen kleinen Freund zu fahren. Und damit meinte ich sein Motorrad.

,, Alonso, würde es dir ... was ausmachen?", ich lächelte ihn unschuldig an und saß mich vorne auf sein Motorrad an. Prompt kam er auf mich zu und schüttelte nur den Kopf. ,, Nanana, tesoro, auf keinen Fall lasse ich dich Luis fahren. Kannst du überhaupt Motorradfahren?" Empört nahm ich ihm den Helm aus der Hand.

,, Natürlich!" Ich zog mir den Helm an und wartete darauf, dass auch Alonso sich hinter mir hin saß. Grinsend startete ich den Motor und fing an, klappernd vom Parkplatz zu fahren, sodass wir jede paar Sekunden ruckelnd stoppten.

,, Okay, princesa, runter von meinem Luis!", gab er an. Natürlich war das extra, ich konnte einwandfrei Motorradfahren, doch ihn etwa zu verarschen war auch kein Vergehen.

,, Nein", rief ich und stoppte plötzlich, als wir drauf und dran waren auf die Straße zu fahren. Alonso hielt sich mit einer Hand hinten und einer anderen an meiner Hüfte fest, als unsere Oberkörper nach vorne schossen.

,, ¡Mierda! Alles gut bei dir? Du steigst jetzt sofort runter!" Ich grinste breit und beschloss, nun richtig zu fahren. Wir waren auf dem Weg nach Queens, zu ihm nach Hause.

,, Wer hätte gedacht, dass du Motorrad fahren kannst", lachte Alonso als wir etwa eine viertel Stunde später bei ihm ankamen. Ich setzte den Helm ab und schlug ihm damit auf die Schulter. ,, Glaub mir, ich würde alles für so ein Motorrad tun." Ich nahm meinen Rucksack und ging geradeaus in sein Zimmer, doch vorher begrüßte ich noch seine Tante und Diego.

,, Ich muss mich daran gewöhnen, dich öfter hier zu sehen", erwiderte er kopfschüttelnd. Ich schmunzelte nur und fragte nach, ob María oder Keyla da sei.

,, María ist in ihrem Zimmer, Keyla ist noch nicht Zuhause", murmelte er und ging hoch. Ich sah kurz nach Alonso, der schon auf dem Weg nach oben war.

Mit schnellen Schritten ging ich ihm hinterher und saß mich anschließend auf sein Bett hin.

,, Alonso, ich muss mit dir reden."

,, Wow, diesen Satz höre ich für gewöhnlich nach zwei Monaten und nicht zwei Wochen." Ich schüttelte nur den Kopf und warf ein Kissen nach ihm. Er kam nur schmunzelnd auf mich zu und saß sich neben mir hin. 

Ich biss auf meiner Unterlippe herum und sah ihm anschließend in die Augen. ,, Meine Eltern ... " Ich schluckte. ,, Wollen dich zum Essen einladen, am Freitag."

,, Sam ... " Natürlich. Er würde nicht kommen und Keyla hatte Recht. Wir waren so verschieden. ,, ... Um wieviel Uhr?" Überrascht blickte ich ihn an und zog die Augenbrauen hoch. Er würde ernsthaft kommen?

,, Um sieben. Und du willst wirklich kommen?"

,, Warum nicht? Deine Mum kenn ich ja schon. 'Wird vielleicht bei deinem Dad schwer. Väter mögen mich nicht." Und das konnte ich irgendwie gut verstehen, denn er war ein Gangmitglied, besaß unzählige Tattoos und kam einem bedrohlich vor. Doch eigentlich ... naja, der Schein trügt. Aber ich wollte mehr von ihm erfahren. Ich wollte alle seine Seiten kennenlernen, sei es die Traurige oder die Wütende, die Glückliche oder Gefährliche. Ich wollte ihn kennen und noch mehr lieben.

,, Wir wissen eigentlich wenig voneinander", warf ich plötzlich ein. Alonso zuckte nur mit den Schultern. ,, Was möchtest du denn von mir wissen, chica?" Ich lächelte leicht.

,, Alles."

,, Alles?"

,, Ich will alles von dir erfahren. Dich richtig kennen, in-"

,, ... Und auswendig?", beendete er meinen Satz. Ich starrte ihm fest in die dunkelgrünen Augen und nickte.

,, Und was, wenn es dir nicht gefällt?"

,, Jeder Mensch hat gute und schlechte Seiten. Und ich will alle deine Seiten kennenlernen und akzeptieren." Oh Mann, aus meinem Mund kam in letzter Zeit viel zu viel Schnulze und Kitsch raus. Sowas passte gar nicht zu mir. Was war nur los mit mir?

Ich richtete mich auf und sah Alonso fragend an. ,, Wie wäre es, wenn ich dir New York mal aus meiner Sicht zeige?", fragte Alonso mich.

A/N:

Ich hab mir überlegt, ein Kapitel aus Alonso's Sicht zu schreiben. Entweder das nächste Kapitel in seiner Sicht oder ein anderes Kapitel. Ihr entscheidet; würde mich freuen, wenn ihr auch die Kapitelzahl angebt!:D

New York NightsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt