Kapitel 51

8.9K 432 9
                                    

• S A M •

Eilig schlenderte ich den Flur entlang zum Biologieraum. Mein Kopf drehte sich nur noch darum, dass ich nicht noch später sein durfte, da wir heute in die Schulbibliothek gingen um mit unserem Partner Informationen für das Referat zu sammeln. Ich hatte das Glück mit einem Raucher aus meinem Jahrgang dieses ach so tolle Referat über 'phenylketonurie' zu halten.

,, Ah, Ms. Hanson. Holen Sie bitte einen Stift und etwas zum Schreiben heraus, wir wollten uns gerade auf den Weg in die Schulbibliothek machen", empfing mich meine Biolehrerin. Ich legte meine Tasche auf meinen Tisch, holte mir ein Collegeblock und einen Stift heraus und eilte meinem Kurs hinterher.

Ich hielt Ausschau nach Carter, da ich mit ihm das besagte Referat halten musste. Wahrscheinlich war er weiter vorne.

Ich sah kurz nach hinten und blickte direkt in Alonso's Augen. Verdammt, ich hatte komplett vergessen, dass ich Biologie mit ihm hatte.

Mein Herz machte mehrere Aussetzer, als er die Augenbrauen hochzog und ich sofort wieder nach vorne sah. Ich hielt mir an mein Herz und versuchte meine Atmung zu beruhigen. Mein Herz schlug wie verrückt und unregelmäßig.

,, So, sucht euch einen Platz und ein paar passende Bücher. Ich bin vorne und immer bereit für Fragen."

Ich hielt mehrere Minuten Ausschau nach Carter, doch konnte ihn nirgends finden. War er etwa nicht da?

,, Ehm, Entschuldigung. Ist Carter Ovard etwa heute nicht da?" Meine nervige Biolehrerin drehte sich um und sah mich leicht hochnäsig an.

,, Carter Ovard? Nein, er ist krank gemeldet. Hast du keinen Partner?" Nein, da wäre noch mein imaginärer Freund Carl, der mir gerne beim Referat helfen würde. ,, Die Zweiergruppe dahinten hat, glaube ich, das gleiche Thema. Phenylketonurie, richtig?" Ich nickte nur und sah dann zu der Zweiergruppe. Es saß nur eine, weibliche Person am dunkelbraunen Tisch.

,, Setz' dich zu ihr und wenn es die falsche Gruppe ist, komm einfach wieder zu mir." Ich nickte erneut und setzte mich zu der Blondine. Sie sah ziemlich schüchtern und klein aus.

,, Hey, hast du das Thema Phenylketonurie?"

,, J-ja ... "

,, Okay, ich soll die Stunde mit ... euch machen. Wer ist denn dein Partner?" Die kleine Blondine schluckte nur stark und nahm dann plötzlich meine Hand und drückte sie fest. ,, Alles gut?", fragte ich sie besorgt, doch sie nickte nur in eine Richtung. Ich drehte mich um und bekam quasi einen fetten Schlag in mein Gesicht.

In meinem Kopf spürte es sich wie ein Schlag ins Gesicht an, als ich auf einmal Alonso dort stehen sah mit mehreren Büchern in seinen Händen. Er blickte erst zu mir, als er etwa zwei Meter vom Tisch entfernt war.

,, Was machst du da?"

Ich schluckte nur und starrte ihn ausdruckslos an. Ich musterte ihn so deutlich, als ob ich Zeus persönlich angucken würde.

Es schmerzte eigentlich ihn vor mir stehen zu sehen und zu wissen, dass er nicht mir gehörte. Doch diese Angst in mir verbreitete sich wie aus dem Nichts. Ich wollte das nicht, ich wollte keine Angst vor ihm haben. Ich hatte auch keine Angst vor ihm, ich hatte Angst vor seinem Leben. Ich hatte Angst um mein Leben.

Als Alonso merkte, dass ich nicht auf seine Frage antworten würde, setzte er sich still schräg gegenüber von mir und schlug das Buch auf.

Ich nahm mir ebenfalls ein Buch und gab der kleinen Blondine auch eins. Im stillen saßen wir dort und lasen, bis ich seinen Blick auf mir spürte. Verdammte scheiße, musste er mich anglotzen?

,, Hör auf zu gucken", zischte ich und blätterte zur nächsten Seite um. ,, Lass mich in Ruhe."

,, Was habe ich dir getan? Du hast Schluss gemacht und ich habe es akzeptiert. Warum hasst du mich?" Plötzlich hatte ich Tränen in den Augen, als ich mich an deine Worte erinnerte. Ich hätte sie gefickt, wenn ich das Loch gefunden hätte.

,, Du hast es also akzeptiert?" Ich schlug das Buch grob zu und sah ihn, zwar verschwommen, an. ,, Wir wissen beide, dass du hinter meinem Rücken mit diesen scheiß Junkies über mich redest. Das ist so lächerlich und erbärmlich. Du hast es nicht akzeptiert, Alonso."

Es herrschte absolute Stille.

Niemand besprach mehr etwas oder flüsterte auch nur. Es war so still, dass ich meiner unregelmäßigen Atmung lauschen konnte.

Er legte eine Hand auf meinen Unterarm, doch ich schlug sie augenblicklich weg und stand sofort auf, um von ihm zu verschwinden. All die Wut, die ich seit diesem Tag in mir hatte, hatte ich nun ein wenig an ihm ausgelassen.

Erneut fasste Alonso mir an meinem Handgelenk. Ich zog es sofort weg und blieb stehen.

,, Was ist dein Problem? Lass mich in Ruhe." Ich schubste ihn an seiner Schulter weg und keine Sekunde später floss Blut von seinem Oberarm hinab. Schockiert hielt ich mir die Hände vor dem Mund.

,, Fuck", rief er. ,, Fuck, fuck, fuck!"

•••

A L O N S O

Manchmal fragte ich mich, wie es so kommen konnte. Wie Sie mich so ansehen konnte, als ob ich der letzte Abschaum wäre und ich die ganze Schuld trug. Zum Teil war es auch meine Schuld, doch sie hatte mir nicht zugehört. Sie wollte mir nicht zuhören. Ich hatte ihr gesagt, dass mein Leben nicht wie ein Blaubeermuffin war. Und ich hatte es satt, ihr hinterher zu laufen. Ich hatte es unglaublich satt, immer der zu sein, dem es leid tat. Ich war kein Stück scheiße, was man hin und her schieben konnte.

,, Er hat sich wehgetan", rief sie und lehnte sich am Türrahmen. Ich starrte Sam ohne jegliche Mimik, mit festen Gesichtszügen an und schlenderte ins Krankenzimmer.

,, Was ist passiert?", fragte die Krankenschwester. Ich zeigte ihr meine Wunde und legte mich auf die Liege. Vom Augenwinkel her sah ich, wie sie auf meine Wunde starrte und kurz Mitleid in ihren Augen blitzte. Doch als sie mir in die Augen sah, verschwand alles und es sahen mich nur noch leere, hellbraune Augen an.

New York NightsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt