Kapitel 22

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Rian

Jori gackerte, als ich ihm erzählte, was ich meinen Eltern gesagt hatte. Er flog bereitwillig auf meine Schulter.
"Das wird lustig." sagte er.
"Ja. Und du wirst den Blödmann kennenlernen, den ich heiraten soll. Ich vergesse dauernd seinen Namen."
"Wäre es ein Buch oder so, dann wäre er vermutlich unwichtig. Sonst würdest du seinen Namen kennen." tschirpte Jori vergnügt.
"Manchmal wünschte ich tatsächlich, es wäre nur eine Geschichte in einem Buch oder so. Ich meine....es ist alles total verrückt hier. Wie bei Alice im Wunderland."
Dann räusperte ich mich, als wir vor der Tür standen. "Okay. Jori, gleich lernst du meine Eltern kennen." sagte ich laut. Jori hielt den Schnabel. Ich trat ein.
"Wo ist er?" fragte Isabella distanziert.
"Bei mir. Siehst du ihn nicht?" fragte ich unschuldig.
Isabella erhob sich und kam auf mich zu. Dann blieb sie stehen, keuchte und sah zu dem großen Phönix hinüber.
"Da....ein kleiner Phönix..." sagte sie schwach. Jori tripptelte über meinen Arm und stieß freudige Schreie aus. Dann hielt er inne.
"Wer ist der Armleuchter da?"
"Oh, Jori, das ist derjenige, den ich heiraten soll." sagte ich.
Jori musterte ihn und bewegte seinen Kopf genauso lustig und ruckartig wie die Tauben und Spatzen und Hühner es machen.
"Er sieht arrogant aus. Und so...hm..."
"Jori!"
"Kannst du den Vogel verstehen?" fragte der große Phönix.
"Ja."
"Ich bin ein Phönix! Wenn schon, denn schon." sagte Jori und plusterte sich auf.
"Dann bist du jetzt bereit, das Königreich zu regieren." sagte der große Phönix.
"Nur weil ich mit einem Phönix reden kann? Ich weiß immer noch nichts über das Königreich."
"Wie? Rian soll regieren? Rian?" fragte Jori.
"Na, vielen Dank auch."
Der arrogante Armleuchter kam vorsichtig näher und betrachtete Jori. "Ich habe noch nie in meinem Leben einen Phönix gesehen."
"Doch, jetzt gerade. Außerdem siehst du nicht älter aus als 12." krähte Jori.
"Mein Gott, Jori, benimm dich mal." sagte ich.
Der Armleuchter beugte sich vor. Jori fauchte ihn an.
"Du aufgeblasener Gockel wirst sie nicht heiraten. Du musst erst an mir vorbei."
"Oh, Jori, du bist süß."
Jori spreizte die Flügel.
"Dein Phönix ist noch ein wenig klein." sagte Isabella spitz.
"Sie soll nicht so meckern. Ich bin klein, sie ist nicht schön. Ich hab mich damit abgefunden. Und sie?"
"Jori, ist gut jetzt." sagte ich. "Ich bringe ihn wieder weg."
Jori flatterte auf mein Schulter. Damien öffnete die Türen.
"Den Weg hättest du auch gehen können."
"Ich wollte aber fliegen."
"Du bist unmöglich."

Darryl

Die letzten Tage waren schlimm. Ich wusste nicht mehr, was real und was eine Einbildung war. Manchmal tauchte Ninas Gesicht auf, mal Angels. Selten Rian. Manchmal sagten sie irgendwas, manchmal schwiegen sie.
"Weißt du, vielleicht sollte ich tatsächlich dich heiraten, Jori." sagte Rians Stimme einmal.
Rian würde heiraten. Rian würde Jori heiraten.
"Du weißt, warum ich nicht kann, du dummes Ding."
Es war, als führte sie Selbstgespräche.
"Besser dich. Oder Darryl." sagte Rian.
Ich. Ich war nur ihr Bodyguard. Aber ich mochte sie.
    Klischeehaft. Der Beschützer verliebt sich in die Person, die er beschützen soll., lachte eine Stimme in meinem Kopf.
Rian ist nich klischeehaft.
    Rian nicht, aber ich.
Ich führte gedankliche Selbstgespräche.

Ich blinzelte gegen das helle Licht und sah mich um. Rian trug mich. Sie ging, mit unbewegter Miene, über die Lichtung und, gott verdammt, sie trug mich, als ob ich nichts wiegen würde.
"Lass mich runter." murmelte ich. "Tu dir mein Gewicht nicht an."
Rian sah lediglich auf mich hinab. Sie sagte nichts und sie trug mich weiter. Ich sah mich um. Sie trug mich den Pfad hinunter zum Bach.
"Ich sollte dich tragen." sagte ich.
Rian antwortete immer noch nicht. Sie ging durch den Bach und scherte sich nicht darum, dass das weiße Kleid, das sie trug, nass wurde.
Rian legte mich ab, unter den Schatten einer Trauerweide, dessen Äste ins Wasser hingen.
"Du beachtest mich nicht."
Sie setzte sich an den Bach, riss einen Fetzen aus ihrem Kleid und hielt es ins Wasser. Dann wrang sie es leicht aus und legte es auf meine Stirn.
"Ich beachte dich, Darryl. Ich versuche nur, zu verhindern, das Conor uns sieht."
"Ach ja? Und wie?"
"Ich verschleiere die Dinge in meinem Kopf. Nebel. Ich...denke einfach, das um dieser Lichtung jetzt...hohe Metallmauern sind, die uns vor ihm abschirmen. Ich weiß nicht, ob es hilft." sagte sie.
Ich sah keine Metallmauern.
Sie legte ihre flache Hand auf meine Brust und ballte sie langsam zur Faust. Sie beugte sich über mich und betrachtete mich mit besorgtem Gesichtsausdruck.
Ein kleiner Phönix kam aus den oberen Zweigen der Trauerweide zu uns hinab geflogen. Er setzte sich neben meinen Kopf.
"Komm zu mir zurück, Darryl." sagte Rian leise. "Und bleib bei mir."
Sie beugte sich zu mir hinab und ihre warmen, weichen Lippen legten sich auf meinen Mund, während der Phönix eine Träne in mein Auge fallen ließ.

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