Kapitel 61

123 14 1
                                    

Rian

Ich hockte versteckt in einer kleinen Höhle und umklammerte das alte Küchenmesser, das Darryl mir gegeben hatte.
Er war noch nicht lange auf Jagd, aber ich wurde mit jeder Sekunde unruhiger. Ich dachte an die Träume. In dem einen lebten wir glücklich zusammen, im anderen, wurde er umgebracht.
Im Moment hing sein Tod fast greifbar in der Luft. Ich packte das Messer noch fester.
Es war alles ruhig. Zu ruhig für meinen Geschmack.
Dann flatterte ein Phönix in die Höhle und ließ sich auf meiner Schulter nieder.
"Verdammt, Jori." wisperte ich. Der Phönix gab ein leises Tschirpen von sich.
"Jori...lebt Darryl noch?"
Jori nickte.
Mir lief es kalt den Rücken hinunter. "Aber? Das gibt es ein aber. Bring mich zu ihm, Jori!"
Jori flog voran, ich folgte ihm.
Ich rechnete mit allem, als Jori plötzlich stoppte.
"Hinter den Büschen und Bäumen. Sei vorsichtig, Rian." warnte Jori. Ich kroch auf die Büsche zu und spähte hindurch.
Darryl hing, an seinen Handgelenken gefesselt, von einem Baum. Man hatte ihm seinen Pullover genommen.
Ein Typ ging um ihn herum und schlug mit einer Peitsche gegen Darryls nackten Oberkörper. Darryl keuchte. Das Blut tropfte langsam auf das Gras. Ein Stück dahinter, immer noch auf der Lichtung, war ein Lagerfeuer, an dem drei Männer und eine Frau saßen und lachten.
"Also, Kleiner, wo du bist, ist doch diese Phönix-Prinzessin. Sag uns, wo du sie versteckt hast, und dir passiert nichts mehr." sagte der Mann mit der Peitsche freundlich.
"Sie war auf jeden Fall nicht mehr in der Hütte. Aber sie war da!" grölte die Frau.
"Ich sage gar nichts." murmelte Darryl und spuckte Blut vor die Füße von dem Peitschen-Kerl. Der grinste, dann holte er aus und schlug mit der Peitsche gegen Darryls Körper.
Ich keuchte erschreckt auf.
Darryl gab einen gequälten Laut von sich.
"Oh Gott, Jori! Was können wir tun?" wisperte ich.
"Nichts." sagte Jori traurig.
Ich starrte Jori mit offenem Mund an. "Darryl hängt da und wird ausgepeitscht und du willst nichts unternehmen?"
"Wir können nichts tun, das würde dich in Gefahr bringen." klagte Jori.
"Ich geh da raus und wenn es zu brenzlig ist, verbrennst du mich. Dann lande ich wieder an diesem Strand bei Nikki, und du bringst mich wieder zu Darryl zurück."
"Aber Rian..."
"Nein!" sagte ich bockig und stand auf. Die Typen und die Frau sahen auf. Darryl sah unglücklich aus.
"Ihr lasst ihn frei, dann lassen wir euch in Ruhe."
"Wer wir, kleines Mädchen?" gurrte die Frau. "Du und der Junge? Der wird nicht mehr kämpfen können. Du und der Vogel? Wie wollt ihr uns bekämpfen?"
"Ich werde ihn freilassen, Phönix-Prinzessin, wenn du bei uns bleibst."
"Einverstanden." sagte ich.
"Rian! Das kannst du nicht...." protestierte Jori.
"Doch, Jori, ich kann. Bleib bei Darryl. Bring ihn hier weg." sagte ich klar und deutlich.  Leise wisperte ich: "Ich werde das Feuer da nutzen, um mich zu befreien."

Darryl

"Nein, Rian." murmelte ich schwer, als sie mich vom Baum losschnitt.
"Ich komm schon klar, Darryl." sagte sie tapfer.
Ich zog sie zu mir hinab. "Nein, Rian, das lasse ich nicht zu."
"Vertrau mir, Darryl. Ich komm wieder." Sie gab mir einen Kuss. "Wie immer. Ich komme immer wieder zu dir zurück."
"Rian, nein, bitte..."
"Eine süße Herzschmerz-Szene, oder was meint ihr, Leute? Na komm, Prinzesschen, dein Freund ist frei. Und wird nichts tun können." rief der Typ mit Peitsche.
Rian sah mich fest mit ihren grauen Augen an. "Wir werden uns wiedersehen, Darryl."
Jori, Rians Phönix, flatterte auf meine Schulter und krächzte.
"Geh mit Jori mit." sagte sie, dann stand sie auf. Der Typ mit der Peitsche legte einen Arm um sie und begrapschte ihren Hintern.
Ich zog mich schwer atmend am Baum hoch.
Rian ging mit ihm zum Lagerfeuer. Sie wandte sich kurz zu mir um und blinzelte mir zu.
Wir werden uns wiedersehen.
Jori flog los, ich folgte ihm schwerfällig.





Ghost GirlWo Geschichten leben. Entdecke jetzt