Kapitel 33

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Rian

Damien führte Darryl und mich durch enge, verschlungene Gassen. Ab und zu liefen Kinder vor uns herum, die alte, abgewetzte Lederbälle jagten.
"Sie sehen arm aus." sagte ich leise und sah einem Mädchen in zerrissenen, dreckigen Klamotten hinterher.
"Das hier ist auch das Armenviertel. Isabella und der große Phönix kümmern sich recht wenig um ihr Volk, und wie es zurecht kommt. Hauptsache, die beiden haben alles." erklärte Damien.
Jori landete krächzend auf meiner Schulter. "Ich hab ein Mädchen kennengelernt!"
"Aha? Und? Wie ist sie so?"
"Oh, sie ist toll." schwärmte Jori. Es hätte mich nicht gewundert, wenn seine Augen herzförmig geworden wären, so wie er von dem Mädchen schwärmte.
"Und sie? Mag sie dich auch?" unterbrach ich ihn irgendwann.
"Ich habe ihr von dir erzählt. Sie will dich kennenlernen."
Ein Phönix flatterte jetzt vor meinem Gesicht auf und ab.
Jori plusterte sich auf. "Das ist Jewel. Sie ist toll."
Ich formte mit meinen Händen eine Schale und Jewel ließ sich hineinplumpsen. Sie war noch kleiner als Jori. Ihre Federn waren jedoch heller als Joris dunkelrotes Gefieder.
"Hallo, Jewel." sagte ich.
Jewel versteckte ihren Kopf hinter einem Flügel. Jori trippelte auf mein handgelenk.
"Rian tut dir nichts, Jewel. Sie ist sehr lieb."Jori flog los und umkreiste Darryl. "Das ist Rians Gefährte Darryl. Er ist auch in Ordnung. Er kann uns aber nicht verstehen."
"Und sie?" fragte Jewel mit heller Stimme.
Jori landete auf meiner Schulter und knabberte an meinem Ohr.
"Pass auf, Jori, sonst wird Jewel noch eifersüchtig." Vsagte ich grinsend.
"Das wird sie mir verzeihen können."
"Na dann ist gut." sagte ich lächelnd.
"Rian, Darryl, wo bleibt ihr?" fragte Damien und kam um die Ecke zurück.
"Jori hat eine Freundin, die er mir vorgestellt hat."
"Du wirst gesucht. Du bist in Gefahr. Und dich interessieren nur Vögel?"
"Es sind Phönixe!"
"Vogel ist Vogel!"
"Du bist auch überhaupt nicht sensibel!" warf ich Damien vor.
"Im Moment bist du diejenige, hinter der alle her sind, aus welchen Gründen auch immer. Ich bringe dich an einen vorerst sicheren Ort, bis mir etwas anderes einfällt. Du solltest dankbar sein, so einen Schutz zu bekommen."
"Ich habe nie um dieses Leben gebeten. Ich würde am liebsten wieder zurück nach Hause, zu Mom, die mit Conor einen zu viel trinkt. Ohne das ich umgebracht werde und wieder auferstehe." fauchte ich zurück.
"Nur leider ist deine Mutter tot. Du wirst nie wieder in dein altes Leben zurückkehren können. Folgt mir." sagte Damien grob.
Ich atmete schwer und unterdrückte den Drang, zu heulen. Darryl zog mich an seine Brust.
"Das war nicht nett von ihm."
"Ich habe doch nicht um sowas hier gebeten." schniefte ich in sein T-Shirt.
"Ich weiß." sagte er.

Damien brachte uns zu einem eher versteckten Haus. Er klopfte dreimal.
Eine alte Frau öffnete ihm die Tür.
"Damien, mein Junge, du bist groß geworden."
"Und du siehst auch gut aus, Omi." sagte Damien.
Omi? Ich sah zu Darryl auf.
"Natürlich, natürlich. Was erwartest du denn von mir?"
"Omi, Ich habe Isabellas Baby-Phönix bei mir."
"Dayna sagte, sie wäre ein Bastard-Kind."
"Dayna sagt vieles."
"Muss ich wirklich mit deinen dauernden, wechselnden Launen zurecht kommen?" fragte ich schmollend.
Die alte Frau sah an Damien vorbei. "Isabellas Baby-Phönix."
"Warum nennen mich alle so? Ich bin kein Baby!"
"Wie alt bist du, kleiner Phönixß" fragte die Frau.
"Achtzehn."
Sie lachte nur. "Komm rein, kleiner Phönix. Wer ist der Junge an deiner Seite?"
"Ihr Leibwächter." sagte Darryl.
"Ihr Gefährte."
"Alles klar." sagte ich nur.
"Dina hat gerade Eistee gemacht." sagte die alte Frau und ließ uns rein.
Ich sah Damien an. "Omi?"
"Das war gerade meine Urgroßmutter Diane."
"Urgroßmutter." wiederholte ich.
"Muss ich dir noch sagen, was 'ne Urgroßmutter ist?" fragte Damien trocken.
"Nein, danke." sagte ich höflich.
"Du kannst deine Launen nicht immer an Rian auslassen." bemerkte Darryl, während wir Diane in eine große, geräumige Küche folgten.
"Weißt du, das du ein Bastard bist?" fragte Diane geschäftlich.
Wir setzten uns. Ein brünettes Mädchen stand an der Küchenzeile. Sie drehte sich um und lächelte, als sie Damien sah.
"Damien, Bruderherz. Ich habe dich schon lange nicht mehr gesehen." Sie eilte herbei und gab ihm Küsschen links und Küsschen rechts.
"Wir haben Besuch?" fragte sie, als ihr Blick auf Darryl und mich fiel. Sie eilte zurück zur Küchenzeile und kam mit einem Glaskrug voller bräunlich-oranger Flüssigkeit wieder.
"Selbstgemachter Pfirsicheistee." sagte sie und holte rasch Gläser, die sie vor uns stellte.
"Omi, Rian und Darryl müssen für ein paar Tage hierbleiben. Bis ich etwas gefunden habe, das noch sicherer ist."sagte Damien.
Damiens Omi betrachtete mich. "Du weißt, das das Haus sehr voll ist?"
"Ja. Aber hier wird man sie nicht vermuten."
"Wird man mich nicht erst Recht hier vermuten?" fragte ich ihn provozierend. Seine Launen waren einfach nervig.
"Warum sollte man das tun?" fragte Diane sanftmütig, so als ob ich etwas gefragt hätte, was eigentlich selbstverständlich wäre.
"Ich war so der Meinung, das Isabella dich deswegen tot haben wollte." sagte ich süßlich.
"Rian, du hältst besser den Mund."
Ich hatte angeblich ein Elternteil wiedergefunden. Und dies hatte mich zu seiner Familie gebracht. Aber hier verleugnete er mich.
"Wow, man könnte glatt meinen, du wärst der Bastard." sagte ich nur.




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