~23. Schritt vorwärts~

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Sechsundzwanzigster Mai, 04:38 Uhr


Zufrieden mit meinen geschriebenen Zeilen legte ich den Kugelschreiber, den ich aus Cats knallbunten Regenbogeneinhornstiftehalter genommen hatte, auf ihren Schreibtisch und versteckte den Brief in meinem schwarzen Rucksack.

Ich wollte nur ungern, dass Cat diesen las, bevor ich ihn ihr freiwillig aushändigte, und wusste ganz genau, dass sie ihre Neugier nicht zügeln könnte, wenn sie die Blätter hier so einfach und unbeaufsichtigt liegen sehen würde.

Natürlich würde ich ihr meine Vergangenheit irgendwann kundtun, aber ich hatte das Gefühl, dass dafür derzeit einfach nicht der richtige Zeitpunkt war. Cat war ein sehr sensibler Mensch und sie würde es garantiert nicht so leicht wegstecken, wenn ihr Freund ihr sagte, dass er mehr als nur einmal versucht hatte, sich umzubringen, und es einmal sogar fast geschafft hätte.

Ich wollte nicht, dass meine kleine Leseratte traurig war. Und erst recht nicht wegen mir.

Zudem schien ihr gerade etwas Gewaltiges auf der Seele zu brennen, da wollte ich sie nicht noch weiter belasten. Ich wollte zwar unbedingt wissen, was los war und ob ich ihr irgendwie helfen könnte, aber so, wie sie mich nicht mit Antworten drängte, drängte ich sie ebenfalls nicht. Wenn sie bereit war, darüber zu sprechen, dann würde sie dies tun.

Ebenso wie ich.

Ich drehte meinen Kopf in Cats Richtung und betrachtete die schlafende Schönheit, die sich, unter ihrer leichten lilafarbenen Decke, in die Kissen kuschelte und noch im schönen Land der vielen Möglichkeiten schwelgte. Das Licht der aufgehenden Sonne fiel durch die winzigen Löcher der heruntergezogenen Jalousien und beleuchtete den Raum nur spärlich. Es reichte dennoch aus, um die genauen Umrisse der Möbelstücke erkennen zu können.

Leise stand ich von ihrem Schreibtischdrehstuhl auf, ging auf ihr Bett zu und legte mich neben sie.

Cat schlief noch immer, mit dem Rücken zu mir gewandt.

Eigentlich gönnte ich ihr ihren Schlaf, aber sie bestand jeden Abend darauf, dass ich sie doch bitte wecken sollte, wenn ich entschied, aufzustehen. Sie mochte es aus irgendeinem Grund nicht, wenn sie selbst schlief und die anderen Bewohner des Hauses schon wach waren.

Ihr Tatendrang war wirklich bemerkenswert.

Nur einmal hatte ich sie schlafen lassen, als Herr Mason mich zur Schule gefahren hatte, und an ihre negative Reaktion konnte ich mich noch genau erinnern. Sowas wollte ich sicher nicht noch einmal erleben.

Mit einem Lächeln auf den Lippen näherte ich mich ihrem Ohr und küsste die Haut unterhalb des soeben genannten Körperteils.

»Guten Morgen, Cat. Aufstehen!«, flüsterte ich zärtlich und erntete als Reaktion nur ein leises protestierendes Grummeln, das nur zu deutlich zeigte, wie abgeneigt sie gegenüber dieser Idee war.

»Na komm schon, Schatz. Die Sonne scheint und wartet darauf, dass du sie mit deinem wunderschönen Lächeln beglückst.«

Meine Freundin drehte sich zu mir, schlang sogleich ihre zierlichen Arme um meine Hüfte und verbarg ihr Gesicht an meinem weißen T-Shirt.

»Aber ich bin noch so müde.«

Ich lachte und gab ihr einen Kuss auf ihren Scheitel.

»Du hast mich doch angemeckert, als ich dich habe schlafen lassen wollen. Also los! Raus aus den Federn!«, sprach ich leicht belustigt.

Die Angesprochene hob kurz ihren Kopf empor und sah mich aus müden, zu winzigen Spalten verkleinerten Augen an, ehe sie sich mit einem kleinen Grinsen und einem wohligen Seufzen wieder an meine Brust kuschelte.

Die Vergänglichkeit des Unendlichen II Harry Styles Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt