~34. Schritt vorwärts~

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Dritter Juni, 15:12 Uhr


Es gab sicher schönere Orte als das Krankenhaus, um sich an einem Samstagnachmittag zu beschäftigen, vor allem als Junge in meinem Alter. Aber warum in seinem Zimmer hocken, herumgammeln und Videospiele spielen, wenn man die Zeit auch mit seiner Freundin verbringen konnte? Auch, wenn ich noch immer ungern dieses von innen weiß eingerichtete und im hohen Maße hygienische Gebäude betrat.

Mittlerweile hatte ich mich zwar an diese bedrückende Stimmung gewöhnt, die das Krankenhaus aussandte, aber der Anblick von kranken Menschen setzte mir noch immer schwer zu. Kaum zu glauben, dass ich tatsächlich mal hätte Arzt werden wollen. Ich konnte zwar Blut sehen und vertrug generell ein ziemlich großes Maß an Ekel, aber anscheinend war ich psychisch dafür einfach nicht gemacht. Ich könnte niemals einem Menschen beim Sterben zusehen. Würde mir wahrscheinlich mein Leben lang die Schuld für seinen Tod geben, auch wenn selbst die besten Ärzte manchmal einfach nichts mehr machen konnten.

Vielleicht war es unter diesen Umständen sogar gut gewesen, dass ich diesen Traum aufgegeben hatte?

Ich selbst war zwar mittlerweile der Meinung, dass man niemals aufgeben durfte und alles erreichen konnte, was man sich vornahm, aber in manchen Situationen war das anscheinend einfach der bessere Weg. Was wäre es für eine Tragik gewesen, wenn ich erst nach jahrelangem Studium bemerkt hätte, dass der Beruf des Arztes doch nichts für mich war? Oder generell der gesamte Bereich des Pflegens und Behandelns? Natürlich wollte ich noch immer Menschen helfen, aber um das zu erreichen, gibt es ja auch noch viele andere Berufe.

Vielleicht war ich einfach zu etwas anderen bestimmt? Zu einem anderen Leben? Zu einem anderen Ich?

Ich wusste nicht, wer aus mir geworden wäre, wenn ich weiterhin das Leben eines wohlbehüteten Arztkindes geführt hätte. Wer ich wäre, wenn ich mich all die letzten Jahre nur auf die Schule konzentriert hätte. Natürlich wäre mein Abitur weitaus besser gewesen und mir ständen sehr wahrscheinlich alle Türen offen, aber was brachte mir das, wenn ich dabei den Spaß des Lebens vergaß?

Es mochte einige Menschen geben, die in der Lage waren, Arbeit und Privatleben gut miteinander zu verknüpfen. Die in der Lage waren, Einserschüler zu sein und am Wochenende auf Partys zu gehen oder sich öfter mit Freunden zu treffen. Doch war ich nicht einer dieser Menschen. Ich gehörte eher zu den Personen, die sich dann vollkommen in ihrem Zimmer barrikadierten und nichts anderes taten, als zu lernen. Weil ich perfekt sein wollte. Weil ich meine Eltern hatte stolz machen wollen. Weil ich mich nur auf mich und meine schulische Laufbahn hätte fokusieren wollen.

Wer weiß, vielleicht hätte ich es mit dem nötigen Ehrgeiz wirklich geschafft, Arzt zu werden? Hätte auf der Universität ein nettes Mädchen kennengelernt und sie nach dem Studium geheiratet. Mit ihr eine Familie gegründet.

So schön und gut das auch klingen mag, aber ich glaube, dass ich auf diese Art und Weise ein grauenhafter Ehemann geworden wäre. Und ein grauenhafter Vater noch dazu. Ich hätte mich wahrscheinlich nur auf mich konzentriert und meine Karriere. Hätte meine Frau und meine Kinder komplett vernachlässigt. Hätte keine Freunde gehabt oder jemanden, mit dem ich mich hätte treffen können.

Natürlich wusste ich nicht, ob das tatsächlich so eingetreten wäre, aber wenn ich so darüber nachdachte, wie mein Vater mich erzogen hatte, dann war dieses Szenario in meinem Kopf noch nicht mal weit hergeholt. Er hatte immer gewollt, dass ich mich nur auf mich konzentrierte und auf keinen sonst. Mich nicht von so etwas wie Freunde ablenken ließ. Und ich war so dumm und naiv gewesen und hatte auf ihn gehört. Hatte den Rat meiner Mutter nie befolgt, die mir immer wieder gesagt hatte, dass Freunde etwas Wunderbares waren und ich sie wie einen Schatz schützen und hüten sollte.

Die Vergänglichkeit des Unendlichen II Harry Styles Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt