~38. Schritt vorwärts~

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Zweiundzwanzigster Juni, 11:36 Uhr


Es hat mich schon immer fasziniert und gleichzeitig verängstigt, wie schnell das Schicksal in der Lage ist, unsere Pläne und Vorstellungen zu zerstören. Man könnte fast meinen, dass das Leben nur darauf wartete, uns eins auswischen zu können. Dass es darauf wartete, dass wir Pläne machten und kreierten, die es dann durchkreuzen konnte. Dass es darauf wartete, uns zeigen zu können, dass wir Menschen bezüglich bestimmter Dinge einfach machtlos waren. Dass das Leben letztendlich die volle Kontrolle über uns hat und jederzeit zuschlagen kann. Vor allem dann, wenn man nicht damit rechnet.

Im ersten Moment ist man noch fröhlich in die Planung von Cats Geburtstagsfeier versunken, macht sich Gedanken über die kommenden Tage und überlegt, wie man dieses besondere Datum auch im Krankenhaus schön gestalten kann. Und im nächsten Moment hört man wieder diese unschönen und bedeutungsschweren Worte, die man eigentlich nicht hören möchte: Herzattacke, Operation, Tod, Zeit.

Dies waren mittlerweile die Worte, vor denen ich mich am meisten fürchtete. Welche schlimme Vorstellungen in meinem Kopf entstehen ließen. Und jene Furcht wanderte in diesem Augenblick in meine Knie und verwandelten sie in Wackelpudding, als ich vor Cats Krankenzimmer stand.

Nur gedämpft drangen die Worte der Ärzte und Herr Masons durch das Fensterglas, indessen ich neugierig durch die Lücken der zugezogenen Jalousien stierte, darauf hoffend, dass ich irgendeinen wichtigen Gesprächsfetzen aufschnappen konnte.

Doch letztendlich konnte ich nur wegen der  besorgten Mienen der Ärzte und dem geschockten Blick von Cat erahnen, worüber sie dort drinnen redeten. Und ich wusste, dass der Termin der Operation vorverlegt werden würde. Und ich wusste auch, dass ich damit leben musste, egal wie sehr ich mich davor sträubte, meine Freundin noch früher dieser Situation auszusetzen. Doch ich war machtlos. Hilflos. Schwach. Unfähig etwas zu ändern.

Mein Seufzen verriet meinen Freunden, die auf den Sitzplätzen vor dem Raum saßen, was ich eben erblickt hatte, und sie seufzten ebenfalls.

»Na wunderbar. Kaum glaubt man, dass alles gut ist, macht sich wieder die unschöne Seite des Lebens bemerkbar. Ihr geht es doch aber wieder gut, oder?«

Ich nickte Liam zu, jedoch verriet mein Gesichtsausdruck meine Hoffnungslosigkeit.

»Ja, sie ist wach und redet gerade noch immer mit den Ärzten. Sieht allerdings nicht sehr vielversprechend aus«, teilte ich ihnen mit.

Lux, welche auf Liams Schoß saß, hüpfte unruhig auf diesem auf und ab und sah mich mit großen, traurigen Kinderaugen an.

»Und was ist jetzt mit dem Geburtstag?«

»Der ist bereits in drei Tagen, und ihr Zustand scheint sich eher zu verschlechtern, als dass Besserungen auftreten. Ich glaube nicht, dass Dr. Hohenbach und sein Team noch bis Anfang nächsten Monats mit der Operation warten, Süße«, versuchte ich der Blonden ruhig und leicht tröstlich zu erklären. Jedoch entstanden kleine Tränen in ihren Augen, die sofort von ihrem Onkel weggewischt wurden. Ihren Plüschhase drückte sie fester gegen ihre Brust.

»Aber Cat geht es doch gut Harry, oder? Sie wird doch wieder gesund?«

Ich biss auf meine Unterlippe, nickte jedoch. Normalerweise war ich der Meinung, dass Lügen zu den Dingen gehörte, die das Leben nur unnötig erschwerten, aber wie hätte ich die Situation einer Siebenjährigen erklären sollen?

Seufzend ließ ich mich auf den Sitzplatz neben Louis nieder, welcher mir seine Hand auf die Schulter legte. Er wusste, dass ich keine Worte brauchte, um getröstet zu werden. Eine einfache, freundschaftliche Geste reichte bei mir aus.

Die Vergänglichkeit des Unendlichen II Harry Styles Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt