Fünfter Juni, 05:17 UhrIch vollendete das letzte Wort in meiner scheußlichen Handschrift, legte den Stift aus meiner Hand und ließ mich geschafft seufzend in die Rückenlehne von Cats Schreibtischstuhl fallen. Ich hatte tatsächlich den ganzen Abend und die gesamte Nacht gebraucht, um meinen Plan in die Tat umzusetzen. Hoffentlich würden morgen auch wirklich alle meine Klassenkameraden auftauchen. Es war an unserer Schule eine Art kleine Tradition, dass sich die Schüler nach der Verkündung ihrer Ergebnisse in ihrem alten Klassenraum trafen und noch ein wenig miteinander redeten. Und da ich, aufgrund der alphabetischen Reihenfolge der Nachnamen, ganz weit unten in den Kursbüchern stand, werde ich auch einer der Letzten sein, der mit der Direktorin, dem Oberstufenkoordinator und meiner Tutorin redet. Somit war ein Dreiviertel der Klasse schon im Klassenraum anwesend, wenn ich hineingehe. Perfekt.
Ich grinste und packte die vielen verschiedenen Briefumschläge in meinen Rucksack, um sie auch auf keinen Fall zu vergessen. Meine grünen Augen wanderten dann schon wie von alleine zu Cats Bücherregal. Erblickten den kleinen Code, den ich vor einer Weile mal gelöst hatte und mich zu dem Wort »Vergänglichkeit« geführt hatte.
Nun wusste ich endlich, was meine Freundin damit gemeint hatte. Ich hatte vollkommen das Fragezeichen übersehen, welches auf dieser Seite hinter dem Wort stand. Die Lösung des Codes lautete also nicht »Vergänglichkeit« sondern Vergänglichkeit?«.
Es war eine Frage.
Aufgrund ihrer tödlichen Krankheit musste sich die Braunhaarige schon oft mit dem Tod auseinandersetzen - mit der Vergänglichkeit unseres Selbst.
Doch waren wir tatsächlich vergänglich, wenn unsere Geschichte irgendwo aufgeschrieben war, und andere Menschen immer und immer wieder unsere Taten in ihren Köpfen durchspielten? Wenn viele Generationen nach uns noch mit uns fühlten, dachten, neue Erkenntnisse durch unsere Worte gewannen?
Wenn wir zu unsterblichen Romanfiguren werden und immer jung bleiben würden?
Ob das Buch nun 2017 oder erst 2847 gelesen wird, wäre in diesem Falle egal. Wir wären dennoch achtzehn Jahre alt, ausgelassen und tausende von Menschen würden unsere Geschichten immer wieder und wieder aufleben lassen. Sie erleben, sie fühlen, über unsere jugendliche Dummheit lachen oder über dieselben Dinge wie wir traurig sein.
Ist das nicht die wahre Macht der Bücher?
Sie sind in der Lage, Geschichten über Jahre hinweg zu überbringen, damit Menschen sie lesen können. Sie sind in der Lage, kleine Momente für die Ewigkeit festzuhalten. Sie bewegen etwas in uns, mit jedem Wort, welches wir lesen.
Es ist nur eine Frage der Zeit, bis wir Menschen sterben. Bis das Unvermeidliche eintrifft, vor dem sich so viele fürchten. Doch unsere Geschichten sterben nie. Niemals.
~*~
Rasch eilte ich über den Zebrastreifen auf die andere Straßenseite, ehe ein paar Autofahrer mal wieder ignorieren konnten, wozu eigentlich diese wunderschönen, weißen Streifen auf dem Teer gedacht waren, und ich wieder gefühlte Stunden warten musste.
Als Fußgänger war man in der Großstadt schon manchmal echt arm dran. Zum Glück würde ich diesen Weg zum letzten Mal gehen müssen.
Es war auf der einen Seite ein seltsames Gefühl, und auf der anderen war ich froh, dieses Kapitel in meinem Leben abgeschlossen zu haben. Es war kein sonderlich Schönes gewesen, aber ich habe dennoch viel gelernt, das ich in dem nächsten gebrauchen könnte. Und dieses würde einzig und alleine Cat, mich und die Jungs als Protagonisten beinhalten. Vielleicht auch noch Herr Mason und Lux und Minka auch, aber auf keinen Fall mehr den Mann, der mich die letzten Jahre versucht hatte aufzuziehen. Ich würde zwar noch einmal nach Hause zurück müssen, um alle wichtigen Sachen, Papier und Sonstiges zu holen, aber vielleicht hatte ich ja Glück und er war nicht da? Ich hoffte es jedenfalls.
DU LIEST GERADE
Die Vergänglichkeit des Unendlichen II Harry Styles
Fiksi Penggemar~John Green sagte einmal, dass es mehrere Unendlichkeiten gebe und sie alle verschieden groß seien. Doch niemals hätte ich gedacht, dass ausgerechnet Catlyn Olivia Nevia Harper Mason die Person sein würde, die meiner Unendlichkeit zu wahrhaftiger He...