~2. Schritt rückwärts~

609 51 109
                                    



Sechsundzwanzigster Mai, 19:28 Uhr

Ich kniete noch immer auf dem Boden, als sich die Tür von Cats Krankenzimmer nach einer gefühlten Ewigkeit öffnete und einer der behandelnden Ärzte aus diesem trat.

Eilig stand Herr Mason von seinem Platz auf und blieb mit seinen braunen Augen, die denen von Cat zum Verwechseln ähnlich aussahen, an der Statur des Mediziners hängen. Auch wenn ich ihn nicht anblickte und noch immer voller Schock auf die Tür starrte, wusste ich, dass man deutlich die Angst in ihnen erkennen konnte. Verständlich, immerhin lag seine Tochter dort drinnen.

Leblos. Seelenlos. Starr und tot.

Bei diesen Gedanken konnte ich mir mein Schluchzen nicht mehr verkneifen und sogleich wurde mein Körper von meiner Trauer erschüttert.

Erneut bildeten sich Tränen in meinen schon rot geweinten Augen, indessen jetzt jedoch auch die anderen, aufgrund meiner vielen hintereinander folgenden Schluchzern, bemerkten, dass ich weinte.

»Harry«, hörte ich Louis' besorgte Stimme, der neben mich trat und sich zu mir hockte. Seine Hand lag wenige Sekunden später auf meiner Schulter und strich beruhigend über diese, bevor ich mich leicht gegen seine Brust lehnte und Halt in den Armen meines Freundes suchte.

Ich war nicht alleine in diesem Gebäude und hatte viele Menschen um mich herum.

Leute, die ich kannte und Leute, die ich nicht kannte befanden sich in meinem unmittelbaren Umfeld. Und doch hatte ich mich zuletzt am Todestag meiner Mutter so einsam und verlassen gefühlt.

Denn Einsamkeit ist etwas, was nicht das Alleinsein benötigt. Es können sich noch so viele Menschen im selben Gebäude wie man selbst aufhalten, letztendlich ist Einsamkeit ein Gefühl des Herzens und der Seele.

Ein Gefühl, welches sich ausbreitet, wenn man dem Menschen, den man liebt, weit entfernt ist.

Ein Gefühl, welches uns zerfrisst, wenn man vor Sehnsucht fast wahnsinnig wird.

Ein Gefühl, welches uns von Inneren heraus immer weiter zerstört, und mit der Zeit an Intensität und Grausamkeit zunimmt.

Einsamkeit ist ein Gefühl, welches für jeden Menschen wie Gift wirkt. Es macht uns schwach, bricht uns, richtet uns zu Grunde und nagt stark an unserer Seele und unserem Gemüt.

Seit acht Jahren war ich einsam gewesen. Seit acht Jahren hatte ich keine echte Liebe mehr empfangen! Seit dem Tod meiner Mutter, musste ich Tag für Tag nicht nur das Alleinsein, sondern auch die Einsamkeit ertragen und aushalten. Und jetzt, wo ich einen Menschen gefunden hatte, der diese Emotionen in mir auslöschte, wurde mir dieser genommen. Diese Welt ist so schrecklich unfair und grausam.

Ich war doch immer so ein guter Junge gewesen. War höflich, freundlich, zuvorkommend und hilfsbereit. Immer.

Selbst zu den Leuten, die sich über mich lustig machten, mich bloßstellten oder gemein zu mir waren. Ich habe meinen Ärger immer heruntergeschluckt und es mit einem Lächeln abgetan. Ich bin ihnen nie so abfällig gegenüber geworden, wie sie es mir gegenüber geworden sind, auch wenn ich von manchen Seiten vielleicht sogar Verständnis dafür bekommen hätte.

Doch ich war nie ein Mensch gewesen, der Feuer mit Feuer bekämpfte.

So oft ich auch geweint und mich wie ein Versager gefühlt hatte, ich habe nie anderen Menschen die Schuld dafür in die Schuhe geschoben, auch wenn sie vielleicht einen großen Anteil daran hatten. Ich war froh, wenn wenigstens sie glücklich waren und habe meine Bedürfnisse komplett hinten angestellt.

       

Und nun musste ich wieder einmal einen Streich des Schicksals ertragen. Erneut musste ich versuchen, mit einem Schicksalsschlag klarzukommen. Mich damit abzufinden. Damit zu leben.

Die Vergänglichkeit des Unendlichen II Harry Styles Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt