Bis zum Wochenende hatte ich den Vorfall bei Roberts Int. verdrängt und freute mich auf einen entspannten Freitagabend. Tristan schlief jeden zweiten Freitag bei meinen Eltern, damit ich mal Zeit für mich hatte. Ich war ihnen mehr als dankbar dafür und Tristan liebte sie abgöttisch.
Morgens verabschiedete ich mich am Kindergarten von ihm und fuhr arbeiten, danach fuhr ich in die Stadt und gönnte mir von meinem ersten Gehalt (auch wenn es nur ein halbes war, weil ich ja Mitten im Monat angefangen hatte) ein paar neue Klamotten. Ich hatte ja in den letzten Jahren nur Jeans, Shirts, Pullis oder Strickjacken getragen, das konnte ich jetzt in meinem Job nicht mehr so wirklich gebrauchen. Bequem und praktisch passten einfach nicht mehr. Erfolgreich und zufrieden mit meinen Eroberungen fuhr ich nach Hause und machte ein bisschen Ordnung, machte mir was zu essen und dann ließ ich mir Wasser mit einem herrlich nach Vanille duftenden Schaumbad in die Wanne. Musik und Buch legte ich auch schon mal bereit. Es war komisch allein ohne Tristan zu sein und anfangs fiel es mir echt schwer, denn ich wusste nicht wohin mit mir. Hatte es die letzten Jahre einfach verlernt. Freunde hatte ich nicht wirklich und die paar, die ich hatte, hatten selber Familie und die, die ich früher hatte, hatte ich durch die Beziehung zu Daniel verloren. Denn ich zog mich weiter zurück und machte nur etwas mit seinen Freunden. Meine mochte er nicht. Und ich ließ es geschehen. Verbog mich für ihn, gab mein komplettes Leben in seine Hände und mich auf. Bis ich irgendwann nur noch zu Hause saß und auf ihn wartete. So wollte ich nie sein. Ich wollte doch immer die Kontrolle über mein Leben behalten und nicht so abhängig sein. Ich war dumm, naiv und blind. Und fiel mit Ach und Krach auf so eine kranke Seele mit einer narzisstischen Störung herein. Mit der Zeit und mit dem nötigen Abstand verstand ich alles besser und die ganzen versteckten Kleinigkeiten stachen auf einmal ins Auge und ließen mich erschaudern. Wie dumm ich doch war. Ein Ende war nicht in Sicht, denn von so einem trennte man sich nicht. Das hatte ich von vielen gehört und auch Google bestätigte mir das - leider. Man konnte nur zusehen so viel Abstand wie möglich zwischen ihn und sich zu bringen und sein eigenes Leben wieder als lebenswert anzusehen und wieder anfangen zu leben. Ein langer Weg...
Es gab Zeiten da lebte ich nur da Tristan eine Mama brauchte. Alles andere war mir einfach zu viel. Ich war gebrochen, meines Lebens beraubt. Ich schüttelte die Gedanken ab, denn so langsam ging es ja bergauf.Das Badewasser stellte ich ab, zog mich aus, machte Musik an und ließ mich in die Wanne sinken. Sofort entspannten sich meine Muskeln und ich vergaß alles um mich herum und ließ mich einfach treiben. Mein Buch lag griffbereit.
Ein Klingeln ließ mich zusammen zucken. Ich erwartete niemanden. Wer konnte das um diese Zeit also sein? Wehe es war nicht wichtig. Neugierig wie ich nun mal war, stieg ich aus der Wanne und schlang mir ein Handtuch um meinen Körper und ein anderes um meine Haare. Dann taperte ich zur Tür und öffnete diese. Als ich sah wer davor stand war mein erster Impuls die Tür wieder zuzuschlagen und demjenigen gerne Mitten ins Gesicht. Was zum Teufel machte der hier und woher hatte er meine Adresse? Er hatte nichts Besseres zu tun als mich von oben bis unten zu mustern. Da fiel mir wieder ein, dass ich ja nur ein Handtuch als Kleidung um hatte und wurde verlegen und wütend. "Herr Roberts. Was tun Sie hier?" Meine Stimme klang kühl und distanziert, so sollte es auch sein.
Endlich hob er den Blick und sah mir in die Augen. Danke auch dafür. "Sie zittern, Frau Thomson." Oh echt? Wäre mir gar nicht aufgefallen. Lag vielleicht daran, dass ich so gut wie nichts an hatte und es ca. 8 Grad waren. Trottel. "An Ihnen liegt es sicher nicht", gab ich bissig zurück. Er grinste. Mehr fiel ihm nicht ein? "Dann bitten Sie mich doch rein?" "Nein", kam es schnell und energisch von mir. Der hatte in meiner Wohnung nichts zu suchen. "Also. Was wollen Sie? Sie vergeuden meine Zeit." Mein Badewasser schrie förmlich nach mir. Sehr laut und sehr bestimmend.
"Sie haben eine ganz schön große Klappe. Das gefällt mir." Prima war das so eine Art Kompliment? Das ich nicht lache. "Warum? Weil Ihnen sonst alle nach dem Mund reden? Und alle anderen sich respektlos behandeln lassen?" "Ich behandle niemanden respektlos", knurrte er bissig. "Von mir aus. Aber es reden Ihnen sonst alle nach dem Mund?" "Ich bekomme immer was ich will." "Na dann sagen Sie mal was Sie von mir wollen, damit ich Ihnen zeigen kann wie es ist mal etwas nicht zu bekommen was man will." "Sie haben wohl vergessen wer vor Ihnen steht", antwortete er lachend und ich musste zugeben, dass das tiefe Lachen mir gefiel. Wäre der Mann ein anderer und es eine andere Situation natürlich. "Herr Roberts, Sie mögen viel Geld haben, eine erfolgreiche Firma und Macht, aber das schüchtert mich nicht ein. Sie sind ein Mensch wie ich und jeder andere. Mit Geld und Macht kann man viel bewegen, aber ohne Herz ist das alles nichts wert." Oh da hatte ich mich etwas weit aus dem Fenster gewagt und war auch nicht gerade nett, aber dieser Mensch machte mich mit seiner Arroganz und Selbstverliebtheit einfach so wütend. So etwas hatte ich noch nicht erlebt. "Frau Thomson, meinen Sie eigentlich ich wäre herzlos", entgegnete er scharf und kam mir verdächtig nah und drückte mich an die Wand. Sein Unterarm lag über meiner Brust. Okay Leyla, sag jetzt am besten gar nichts, egal was du sagst es würde falsch sein.
Seine Augen funkelten mich an und sein Gesicht war so nah an meinem, dass sein Atem meine Nase kitzelte. "Herr Roberts, ich sage nur was ich sehe. Würden Sie mich jetzt bitte loslassen? Sie tun mir weh." Er tat mir nicht weh, aber seine Nähe machte mich verrückt, ließ mich irgendwie nicht mehr klar denken, denn mein Unterleib hüpfte schon freudig auf und ab. Das musste ich unterbinden und meine Kontrolle wieder erlangen. Er war schließlich immer noch der arrogante Schnösel. Er löste sich von mir und strich mir über die nackte Schulter und bemerkte natürlich meine Gänsehaut. Na super. Mein Mund war mal wieder schneller. Zum Teufel mit ihm.
"Bilden Sie sich ja nichts drauf ein", giftete ich ihn an und was tat er? Er schmunzelte nur vor sich hin. "Wenn das dann alles wäre, würde ich gerne wieder rein. Mir wird es hier so langsam aber sicher etwas zu eisig, Herr Roberts." Mit den Worten ließ ich ihn einfach stehen und schloss die Tür hinter mir. Zitternd ließ ich mich auf der anderen Seite hinab gleiten. Was war das denn bitte? Und vor allem woher hatte er meine Adresse? Und was verdammt noch mal wollte er hier und von mir?
Die Entspannung war dahin und an Schlaf war nicht zu denken. Also holte ich mir mein Buch aus dem Badezimmer, ließ das mittlerweile kalte Wasser aus der Wanne und machte mich bettfertig. Mit einer Decke kuschelte ich mich auf die Couch und fing an zu lesen. Sobald ich in der Buchwelt angekommen war, wurde ich müder und konnte endlich schlafen. Bücher waren immer schon mein Rückzugsort. Ich konnte ein gutes Buch innerhalb von Stunden verschlingen und vergaß die Welt um mich herum, tauchte einfach in die andere Welt ab und fühlte und fieberte mit. So etwas hatte ein Film noch nie geschafft, das schafften nur meine geliebten Bücher. Da vergaß ich einfach mein bescheidenes Leben.
Sonntags fuhren Tristan und ich zu Anna, Ben und Tom. Anna und ich hatten uns damals in der Krabbelgruppe kennengelernt, denn Tristan und Tom waren gleich alt und verstanden sich auf Anhieb. Also so wie sich Kleinkinder halt verstehen konnten. Ben war Annas Mann und die Ruhe in Person. Das krasse Gegenteil von seiner Frau. Mit ihm dauerte es etwas länger um warm zu werden, aber mittlerweile verstanden wir uns echt gut.
Wir fuhren in einen kleinen Zoo mit einem großen Spielplatz. Ben erklärte sich bereit mit den Jungs den Spielplatz unsicher zu machen, wir könnten ruhig einen Kaffee trinken gehen und in Ruhe quatschen. Das ließen wir uns natürlich nicht zweimal sagen. Anna war hochschwanger und für eine Pause immer dankbar. Wir hatten die Jungs im Blick und konnten uns zufrieden bei dem schönen Herbstwetter mit einem Cappuccino zurücklehnen und ich erzählte ihr von dem Gespräch beim Amt. Sie kannte Daniel zwar nicht persönlich, wo sie aber auch mehr als froh drüber war, denn sonst hätte sie ihm den Kopf abgerissen, aber sie kannte die Geschichte und hörte geduldig zu und konnte über diesen Menschen und die Frau vom Amt nur den Kopf schütteln. Warum ging es eigentlich niemandem wirklich um Tristan? Warum waren Rechte und Paragraphen von anderen Menschen wichtiger? Das würde ich wohl nie verstehen und Anna gab mir da recht. Dann erzählte ich ihr von meinem Job und von der Begegnung mit Herrn Roberts. "Leyla, der steht auf dich." "Anna, deine Hormone sind so lustig veranlagt." "Leyla, ernsthaft. Warum sollte er vor deiner Tür stehen?" "Keine Ahnung, um mich zur Weißglut zu treiben, weil er gerade nichts Besseres zu tun hat? Um mir zu zeigen, dass er mehr Macht hat und ich ihn mit mehr Respekt behandeln soll?" Die Frage hatte ich mir schließlich auch immer noch nicht beantwortet und egal wie ich es drehte und wendete ich bekam einfach keine vernünftige Antwort auf das Verhalten von Herrn Roberts. Anna ließ sich von ihrer ersten Aussage leider den ganzen Nachmittag nicht abbringen und irgendwann gab ich auf und flüchtete zu den Jungs, um Ben mal abzulösen.
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End or beginning? Trust me ✔ #LeseLiebe18
RomantizmZwei Menschen treffen aufeinander, die unterschiedlicher nicht sein könnten ... auf den ersten Blick. Leyla Thomson, alleinerziehend, hat den Beziehungen abgeschworen, verachtet die Männerwelt. Aber das Leben hat anderes geplant und so trifft sie...