Kapitel 1

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„Kommst du gleich? Es ist schon zwanzig Uhr.“, rief meine Mutter nach oben in Richtung meines Zimmers. „Ja, sofort!“, antwortete ich. Schnell drehte ich mich um und stand vor meinem geöffneten Kleiderschrank. Vereinzelt hingen ein paar Shirts aus den Stapeln heraus und ließen es chaotisch aussehen.
„Was soll ich nur anziehen?“, fragte ich mich und nahm mir zwei Shorts aus dem unteren linken Türchen heraus. Die eine war jeansblau, sah ein wenig verwaschen aus und die andere strahlte in einem schlichten schwarz. Ich sah sie mir mehrmals abwechselnd an, bis ich die schwarze Hose auf mein Bett pfefferte und schnell in den angenehm kühlen Stoff schlüpfte. Erneut sah ich in den Schrank. Ich brauchte schnell noch ein passendes Oberteil. Ich riss eine der Schubladen auf und zog ein dunkelgrünes Top heraus. „Das wird schon gehen.“
Nachdem ich meinen Kleiderschrank notdürftig aufgeräumt hatte, nahm ich mir meine Handtasche und packte weitere benötigte Sachen ein. Meinem Strandtuch folgten mein Handy, Kopfhörer, eine Flasche Wasser und mein Portemonnaie.
Zum Schluss kämmte ich meine Haare ein letztes Mal durch, trug ein wenig Puder auf meine leicht ölige Haut auf und setzte mir meine Sonnenbrille auf den Kopf. Meine Mutter rief mich erneut, also verließ ich mein Zimmer und stieg schnellen Schrittes die Stufen hinunter. Meine Mutter stand schon an der geöffneten Tür und klimperte mit dem Autoschlüssel. „Endlich.“, sagte sie mehr im Spaß als im Ernst und öffnete die Tür.

Wir verließen das Haus und stiegen in unseren dunklen Skoda ein.
„Versprich mir, dass du dich spätestens um zehn einmal meldest!“, sagte meine Mutter mit besorgter Stimme. Ich unterdrückte den Drang die Augen verdrehen zu müssen und antwortete stattdessen mit ruhigem Ton. „Mama, bitte. Es ist eine Party am Strand und nicht in einem Club voll mit Drogendealern. Mir wird schon nichts passieren. Ich kann auf mich aufpassen.“ Sie lächelte sanft. „Dir ist schon klar, dass man Drogen überall mithin nehmen kann? Und, dass solche Menschen, die welche verkaufen, nicht davon abgehalten werden, dass die Party in aller Öffentlichkeit stattfindet?“
Ich atmete tief ein. „Egal...Trotzdem.“ Ich schaute aus dem Fenster, welches ich ein kleines Stück herunter ließ. Die Hitze im Wagen war kaum auszuhalten, selbst um diese Uhrzeit nicht.
Wir mussten einige Minuten fahren, bis wir dem Stadtverkehr entkamen und die Luft salziger roch. Noch bevor wir die Straße erreichten, die uns direkt zum Strand führte, wurde mir bewusst, dass ich viel zu lange nicht mehr dort gewesen war.
Der Wagen hielt auf einem Parkplatz, den man für dreißig Minuten belegen durfte. Zügig schnallte ich mich ab und nahm meine helle Handtasche vom Fußraum des Beifahrersitzes. „Bis morgen.“, sagte ich, stieg aus dem Auto aus und schloss leise die Tür.
„Bist du dir sicher, dass du jemanden hast der dich nach Hause bringt?“, sie drehte das Radio leiser. „Ja, ganz sicher.“ Zur Not wäre es ein Taxi geworden. Ich ging auf die andere Seite des Wagens und gab ihr einen Kuss auf ihre durch die Wärme gerötete linke Wange. „Mach dir bitte keine Sorgen. Wenn etwas ist, rufe ich an.“ Sie schüttelte den Kopf. „Bis morgen.“, sagte sie und legte den Rückwärtsgang ein.

Schon von dort, wo ich stand, etwa zweihundert Meter vom Anfang des Strandes entfernt, hörte ich bereits Musik. Jedoch konnte ich noch keine Menschen sehen, da die Straße, auf der ich entlang lief, ziemlich steil war. Zum Schutz vor Sturmfluten. Ich lief den Rest der Straße hinauf und zog die Flip-Flops von meinen Füßen, als ich den weichen, warmen Sand erreichte. Ich sah die ersten Menschen am Strand stehen, tanzen, sitzen und lachen. Meine Schritte führten auf den linken Steg, der mich weiter zum Strand führen sollte. Sofort spürte ich, durch den zu großen Abstand der einzelnen Holzplanken, abwechselnd einen stechenden Schmerz in meinen Fersen. Um mich davon zu befreien, beschleunigte ich meine Geschwindigkeit und landete einige Sekunden später wieder auf dem weniger schmerzenden Sand.
„Hey, Anica! Du hast es noch geschafft.“, begrüßte mich meine beste Freundin Aylin. Ich legte meine Arme um sie. „Ja ich wollte auch mal bei so einer Strand-Party dabei sein. Mal sehen, ob sie wirklich so gut ist wie du immer sagst.“ Aylins strahlendes Lächeln zwang auch mich zu einem. Ich war sehr gespannt und um ehrlich zu sein auch ziemlich aufgeregt. „Natürlich ist sie das!“, rief sie lauter als erwartet. Mein Lächeln verschwand augenblicklich.
„Sag mal, wie viel hast du eigentlich schon getrunken?“ Ich sah sie mit etwas ernsterer Miene an. „Nicht viel.... Ich glaub' drei oder vier Bier...“ Ich zog meine Augenbrauen nach oben. Ganz konnte ich ihr das nicht glauben.
„Und du?“ Ich schüttelte den Kopf. Wir waren nun seit mehreren Jahren befreundet. Eigentlich hätte sie wissen müssen, dass ich nicht der größte Fan von Alkohol war. Vielleicht dachte sie auch einfach, dass ich eine Ausnahme machen würde.
„Komm mit, wir gehen zu den anderen.“, sagte sie, nahm meine Hand und lief vor.
„Warte Aylin... Wer ist eigentlich alles da?“, fragte ich. Ich wollte sicher gehen, dass ich meine kostbare Zeit nicht mit betrunkenen Idioten verbrachte.

„Menschen, die man eben so kennt und viele aus unserer Stufe...“ Ich stockte. „Ist Simón auch da?“, ich schaute auf Aylins Sonnenbrille, die ihre braunen Augen vor mir verbarg. Sie nickte leicht. „Tut mir leid, aber da bin ich raus!“ Ich befreite mich von ihrem Griff, drehte mich um und entfernte mich sofort von der Party. „Anica. Nun warte bitte. Du kannst doch erst einmal gucken, wie es ist. Dass du in seine Nähe geraten könntest, muss nicht direkt heißen, dass du es auf jeden Fall sein wirst... Bitte!“, versuchte Aylin mich aufzuhalten. Ich blieb stehen. Nach allem, was passiert war, wollte ich ihn nie wieder sehen, aber ich wollte mir auch nicht den heißersehnten Partyabend versauen lassen. Und vielleicht würde dieser Abend ein ganz wunderbarer werden.
Langsam sah ich vom hellen Sand wieder zu Aylin, die lächelte als konnte sie meine Gedanken lesen. „Naschön. Aber wenn es mir zu viel wird, gehe ich.“ Aylin nickte sichtlich erleichtert und hakte sich mit neuem Enthusiasmus bei mir unter.


She saw Beauty in his DarknessWo Geschichten leben. Entdecke jetzt