Kapitel 2

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Es klingelt. Jemand öffnet und alle begrüßen sich. Alice erkennt die Stimmen ihrer Eltern und eine zusätzliche, männliche Stimme. Der Keller ist nicht schalldicht. Deshalb kann Alice alles hören. Deshalb kommt normalerweise auch kein Besuch. Alice kann man theoretisch auch hören. Aber sie schreit nicht. Noch nicht. Sie will erst wissen, wer der Fremde ist. Sie gehen ins Wohnzimmer. Dieses befindet sich genau über dem Keller.

„Das ist so aufmerksam von ihnen, dass Sie sich extra die Zeit nehmen, uns zu Hause zu besuchen, Herr Blake.", flötet ihre Mutter.

„Wirklich sehr aufmerksam", stimmt ihr Vater ihr zu.

„Das mache doch gerne", antwortet die fremde Stimme, „Ich möchte ja auch gerne wissen, mit wem ich zusammen arbeite."

„Jaja natürlich. Ich war ja auch ziemlich gespannt, wer mein neuer Geschäftspartner ist. Besonders, weil Sie ja, wenn ich das so sagen darf, noch sehr jung sind.", schleimt ihr Vater.

„So jung doch auch wieder nicht, Herr Tok."

Alice verdreht die Augen und schaut gelangweilt in die Dunkelheit. Hier konnte sie keine Hilfe erwarten. Die nächste Stunde hört sie „Ich habe Apfelkuchen gebacken."„Schatz, du hast dich selbst übertroffen!" „Es schmeckt wirklich ausgezeichnet, Frau Tok." „Wirklich ausgezeichnet." und weitere belanglose Aussagen.

Doch plötzlich wird Alice hellhörig. Der Fremde redet gerade: „...Ihre Frau ist wirklich eine Schönheit. Da bin ich ja wirklich neidisch."

„Oh vielen Dank. Sie schmeicheln mir", lacht ihre Mutter.

„Nein, ehrlich. Haben Sie vielleicht eine Tochter?", meint der Fremde lachend.

Es ist still.

„Wissen Sie, wir haben tatsächlich eine Tochter, aber sie ist... sehr speziell...", setzt ihre Mutter vorsichtig an.

„Sie hat sie nicht mehr alle", unterbricht ihr Vater ihre Mutter.

„Sieht sie auch nur annähernd so gut aus wie ihre Mutter?"

„Sie ist ihr wie aus dem Gesicht geschnitten."

„Dann ist mir ihr geistiger Zustand egal. Falls Sie verstehen, was ich meine", sagt der Fremde.

Es ist wieder still.

„Denken Sie doch mal an ihre Aufstiegschancen, Herr Tok", fährt der Fremde fort.

„Wenn ich Ihre Tochter heirate, können wir in Zukunft noch viel öfter zusammenarbeiten."

„Das wäre natürlich toll", antwortet ihr Vater.

„Denken Sie drüber nach. Ich darf mich empfehlen."

Es verabschieden sich alle. Die Tür schlägt zu. Stille.

Heiraten. Von einem echten Gefängnis in ein Unsichtbares. Aber es würde ein Fortschritt sein. Hoffentlich. Alle Rachepläne sind plötzlich zum Greifen nah. Die grünen Augen leuchten und ihre Lippen umspielt ein boshaftes Lächeln. Das ist ihr Weg aus dem Keller.


Ich hoffe, ich habe auch hier alle Leerzeichen erwischt... Wenn nicht, könnt ihr mich gerne draf aufmerksam machen. ;)

Rising EvilWo Geschichten leben. Entdecke jetzt