„Ich gehe nicht zurück zu meinen Eltern, Alexander! Niemals!"
„Doch, du wirst, Alice!"
„Du hast versprochen, dass ich nie wieder zu ihnen zurück muss!"
„Ich habe gar nichts versprochen. Das war nur so dahin gesagt, weil ich dich beruhigen wollte!"
„Lügner."
„Von mir aus. Aber ich muss an meine Geschäfte denken..."
„Ach, ich bin nicht wichtiger als deine Geschäfte?!"
„Hast du vergessen, dass das hier keine Ehe aus Liebe ist, Schätzchen? Du bist einfach nur gut für mein Image. Und du hast dich gefälligst gut mit deinen Eltern zu verstehen!"
„Ich hasse sie."
„Das ist mir egal! Du gehst sie noch heute besuchen."
„Ich will einen Bodyguard."
„Einenwas?"
„Du hast mich schon verstanden."
„Wie sieht das denn aus, wenn du mit einem Bodyguard bei deinen Eltern aufkreuzt?!"
„Als würdest du dich immer um mich sorgen."
„Nein, das würde so aussehen, als würde ich deinen Eltern nicht vertrauen, als hätteich kein gutes Verhältnis zu ihnen."
„Du hast doch überhaupt keine Ahnung..."
„Erkläre es mir."
„Ich soll die Kartenauf den Tisch legen?"
„Ja."
„Meine Eltern lieben mich nicht."
„Aha."
„Sie behandeln mich nicht wie einen Menschen. Immerhin haben sie mich zwangsverheiratet. Ich... Ich habe Angst vor ihnen... A-aber das darfst du ihnen niemals sagen! Sonst... sonst tuen sie mir etwas an", schluchzt Alice und hofft, dass es sich echt anhört.
Nachdenklich fährt Alexander sich mit seiner Hand durch die Haare.
„Meine Schwester kann dich begleiten", meint er schließlich.
„Du meinst Lumina?"
„Ja."
„Gut. Fürs erste."
Damit stolziert Alice ausder Küche. Sie hatte Lumina bei der Hochzeit kennen gelernt und sie schien nett zu sein. Ein zierliches Mädchen. 18 Jahre alt, mittelblonde, wellige Haare und warme, braune Augen, die vor Lebensenergie nur so sprühen. Nett. Fröhlich. Naiv. Das Gegenteil ihres Bruders.
Eine halbe Stunde später klingelt es und in der Tür steht eine freudestrahlende Lumina. Stürmisch umarmt sie erst Alexander und dann Alice.
„Hey, Al und Al",ruft sie lachend und schenkt sich in der Küche ein Glas Orangensaftein, „Wie geht es denn euch beiden so?"
Alexander und Alice schauen sich an.
„Ihr müsst doch total verliebt sein", schwärmt Lumina weiter, „So frisch verheiratet..."
Abwesend lächelnd schaut sie nach oben. Dann scheint ihr plötzlich wieder einzufallen, weshalb sie hier ist.
„Also Alice, wann fahren wir zu deinen Eltern? Ich bin ja schon soo gespannt darauf, mich einmal in Ruhe mit ihnen zu unterhalten. Hach.. Wir beide werden bestimmt beste Freundinnen", plappert Lumina drauf los, aber Alicehört ihr schon nach ein paar Worten nicht mehr zu. Auch Alexander scheint eher unbeeindruckt und nimmt einfach nur wortlos den Autoschlüssel. Alice und Lumina folgen ihm, aber Lumina hört nicht auf zu reden. Während der Autofahrt ist nur sie zu hören. Alice beginnt daran zu zweifeln, dass es eine gute Idee gewesen ist, Luminamit zu nehmen.
Sie klingeln und Alice' Mutter öffnet.
„Hallo ihr Lieben. Ach Alice, wir haben dich ja schon so vermisst", begrüßt sie Alexander, Alice und Lumina, „Kommt doch rein. Ich habe Kuchen da."
„Kuchen!", ruft Lumina glücklich und zwängt sich an Alice'Mutter vorbei durch dieTür. Diese guckt ihr erstaunt und etwas erschrocken hinterher.
„Ich habe leider nicht viel Zeit und muss deshalb direkt wieder los", entschuldigt sichAlexander, „Ein andern Mal, Frau Tok."
Sie nickt: „Das hattenSie ja schon am Telefon gesagt." sie wirft Lumia noch einen nervösen Blick hinterher. Alice verabschiedet sich kurz von Alexander und folgt dann Lumina in die Küche. Sie hat schon ein halbes Stück Apfelkuchen verdrückt und unterhält sich angeregt mit Alice' Vater. Das heißt, sie redet, er hört zu. Hilfesuchend guckt er zu seiner Frau, als diese mit Alice die Küche betritt.
„Ach, wie unhöflich von mir", meint Lumina mit vollem Mund, „Ich habe mich noch garnicht vorgestellt. Ich bin Lumina, die Schwester von Alex. Freut mich, Sie kennen zu lernen."
Aufrichtig strahlt sie die Beiden an, die ihr nur wortlos die kleine Hand schütteln. Da wird Alice klar, dass etwas nicht stimmt. Ihre Mutter hält ihr einenTeller mit einem großen Apfelkuchenstück unter die Nase. Alice begreift, doch es ist zu spät. Lumina verdreht die Augen und kippt mit dem Gesicht auf den Teller.
„Ist das euer Ernst?", wendet Alice sich genervt an ihre Eltern.
Ihr Vater baut sich bedrohlich vor ihr auf und zischt: „Hiervon erfährt keine Menschenseele, sonst bist du tot!"
Alice nickt.
„Wir rufen jetzt einen Krankenwagen", meint ihre Mutter und geht zum Telefon.

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Rising Evil
Mystery / Thriller„Böse Menschen werden nicht geboren. Sie werden geschaffen." Alice ist zwanzig Jahre alt. Bis sie sechs war, hatte sie eine normale Kindheit. Dann sind ihre Eltern verrückt geworden. Sie kontrollierten ihr ganzes Leben, bis sie sechzehn war. Machte...