Lumina
Ich wache auf und kannnichts sehen. Alles um mich herum ist dunkel. Ich habe Angst. Was istpassiert? Ich kann mich nicht erinnern... Da war irgendjemand an derTür. Ich habe die Stimmen Alice' Eltern erkannt und dann ein dumpfesGeräusch. Ich weiß noch, dass ich geschrieen habe, dann haben diebeiden mich überwältigt. Aber sie waren offensichtlich wegen Aliceda. Mit mir haben sie nicht gerechnet.
Ohmein Gott! Die arme Alice! Wie lange geht das wohl schon so...? Warenihre Eltern schon immer so? Wo bin ich hier überhaupt?
„Lumina?", höre ichdie vertraute Stimme von Alice. Aber sie klingt etwas verändert. Esschwingt Resignation und... noch etwas anderes, das ich nichtbeschreiben kann mit. Es macht mir auf jeden Fall Angst.
„Lumina, bist du da?"
„Ja, ich bin hier",flüstere ich, „Wo sind wir?" Ich habe Angst vor der Antwort.
„Im Keller."
„In welchem Keller?"
„Im Keller von meinenEltern."
„Bist du dir sicher?"
„Ich habe die letztenvier Jahre hier verbracht. Ja, ich bin mir sicher."
Dieletzten vier Jahre??? Welche Eltern tun ihrem Kind so etwas an?!
„I- ist das deinErsnst?"
„Leider ja, aber ichbitte dich, es für dich zu behalten." Sie klingt so fremd undkalt.
„Warum? Ich meine,warum gehst du nicht einfach zur Polizei?"
„Wie genau soll ich dasdenn beweisen? Es steht Aussage gegen Aussage und selbst wenn man mir glaubt, würden sie doch keine angemessene Strafe bekommen."
„Angemessene Strafe?"
„Jahrelange Folter, fürden Anfang. Oder zumindest der Tod."
„Aber jetzt hast dumich! Ich bin dein Zeuge. Du kannst vor Gericht gehen, stattSelbstjustiz zu vollziehen!"
Alice schweigt und mirwird klar, was ich da eben gesagt habe.
Ich fange an zu weinen.Die Situation scheint aussichtslos.
Alice'kalte Stimme reißt mich aus meinen Gedanken: „Zu deiner eigenenSciherheit solltest du so tun, als würdest du dich an nichtserinnern. Dann hast du vielleicht eine Chance."
„Und was ist dann mitdir? Ich meine, wir sind doch Freundinnen. Ich kann dich doch nichteinfach hier lassen...", flüstere ich.
„Wir sind keineFreundinnen. Ich habe keine Freunde. Und für mich kommt sowieso jedeHilfe zu spät." dann schweigt sie.
Ichbin wieder allein mit meinen Gedanken. Ich habe Mitleid mit ihr, aberauch Angst vor ihr. Sie ist plötzlich so verschlossen und kalt. Ok,zurückhaltend war sie von Anfang an, aber jetzt... Ich erkenne sienicht wieder. Aber ich kann sie doch nicht einfach hierlassen! So etwas mache ich nicht! Ich helfe jedem. Aber... aber ichwill nicht sterben. Und ich fürchte, ich komme hier nur lebend raus,wenn ich so tue, als könnte ich mich nicht erinnern...
Ich wische mir die Tränenaus den Augen. Da geht eine Tür auf und plötzlich ist da einschmaler, goldener Lichtbalken, der den dunklen Raum erhellt. Ichkann nicht erkennen, wer da in der Tür steht, da ich nur einenschwarzen Schatten sehe, aber es ist wahrscheinlich Herr Tok.Tatsächlich. Seine raue Stimme hallt durch den Keller.
„Alice, was hast du dirdabei gedacht? Jetzt müssen wir sie töten."
Ich quieke verängstigtauf und schaue Alice an. Sie sitzt ruhig an der Wand. Die Beineangewinkelt und die Hände auf den Knien. Ihr Blick ist starr nachvorne gerichtet.
Herr Tok kommt langsamauf mich zu. Will sie mir denn nicht helfen? Ich meine, wir sindFreundinnen! Ach nein! Sie hat ja keine Freunde... ich will nichtsterben!
„ArmeLumina", meint er als er mich hochnimmt und über seine Schulterwirft. Ich schreie und strample, aber er ist zu stark. Als ichaufhöre zu strampeln und mich nur noch mienm Schicksal ergebe, nimmter mich runter und ich spüre seinen Arm an meinem Hals. Dicke Tränenlaufen mir die Wange herunter und ich gebe erstickte Laute von mir,aber Herr Tok drückt gnadenlos zu. Ich will noch nichtsterben! Und vor allem nicht so! Ich bin erst 18!
„Tut mir Leid, Lumina",murmelt er an meinem Ohr, „Aber du hast zu viel gesehen..."
Ích spüre meineGliedmaßen nicht mehr. Bald würde ich tot sein. Ich schließe dieAugen und warte auf den erlösenden Augenblick.
DerDruck wird plötzlich schwächer und ich falle auf den Boden. Fühltsich so etwas sterben an? Ichringe nach Luft. Meine Kehle brennt wie Feuer. Nein, dasist nicht der Tod. Ich bin ganz eindeutig noch am Leben... Aberwieso...?
Jemand rüttelt an mir.Entfehrnt höre ich eine Stimme. Alice?
„Lumina, kannst du michhören? Sag was!"
„Alice?"
„Du lebst", meintAlice und ich meine, Erleichterung in ihrer Stimme zu hören.
Ich schlage die Augenauf. „Was ist passiert?"
Langsam richte ich michauf, während Alice nur wortlos auf eine Stelle zeigt. Mir stockt derAtem. Da liegt ihr Vater. Tot. Er liegt mit dem Gesicht nach unten.Ich kann das Blut von vielen Messerstichen sehen, das sein weißesHemd rot färbt. Panisch schaue ich Alice an. In ihrer Hand hält sieein Messer, dessen Klinge blutrot leutet. Auch sie selbst ist vollerBlut. So viele Stiche...
„Oh mein Gott, Alice...Was... was hast du getan", flüstere ich entsetzt.
„Ich habe dir das Lebengerettet", flüstert sie kalt zurück. Ich sehe, wie sie beginnt zulächeln.
„Weißt du, Lumina, dasist ein weiterer Schritt in Richtung Freiheit." Sie lächeltzufrieden
„Wie konntest du dasnur tun?" Ich schau sie verzweifelt an.
Alice kommt näher zu mirund blickt mir in die Augen.
„Ich habe das schönöfter getan", flüstert sie bedrohlich.
„Was?" Ich sterbegleich vor Angst.
„Die Leute im Park,fast dein Opa-Freund, seine kranke Frau, ihr Hund, Alex und jetztmein Vater. Und jetzt ist meine Mutter dran."
„Das kannst du nichttun! Ich lasse nicht zu, dass du dich selbst zerstörst! Sie habendie so viel angetan, lasse sie nicht bis zum Schluss über dichbestimmen!"
„Du wirst niemandemhiervon erzählen", zischt sie.
„A- Alice, was..."
„Niemandem!", schreitsieund drückt mir die blutige Klinge an den Hals.
„Schwöre es",befielt sie mir kalt.
„Ich... ich versprechees", flüstere ich ängstlich und sie lässt mich los. Ich zitterevor Angst. Das durfte doch alles nicht wahr sein. Jetzt ergibt allesSinn... Alice ist ein kaltblütiger Killer. Und im Prinzip kann esihr niemand verübeln.
Siemusste so viel durchmachen...
Tja Leute... Vielleicht ist es euch aufgefallen, wir nähern uns dem Finale (das wäre dann das nächste Kapitel ;)). blue-mosaic hatte letztens ja schon einen Kommentar geschrieben, der in die Richtung ging, dass das alles relativ schnell geht. Also falls es euch zu schnell geht, tut es mir Leid, aber dieses Buch sollte nie wirklich lang werden. Ich weiß, an ein paar Stellen sah es so aus, als würde noch etwas kommen, aber das waren eher falsche Fährten. Wenn ganz am Ende (also nach dem Epilog noch Fragen offen sein sollten, beantworte ich sie gerne).
Jetzt habe ich viel geredet und wenig gesagt. Ich bin raus, bis dann!
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Rising Evil
Mystery / Thriller„Böse Menschen werden nicht geboren. Sie werden geschaffen." Alice ist zwanzig Jahre alt. Bis sie sechs war, hatte sie eine normale Kindheit. Dann sind ihre Eltern verrückt geworden. Sie kontrollierten ihr ganzes Leben, bis sie sechzehn war. Machte...