Endlich ist Lumina weg. Nach dem Shoppingtrip ist sie noch zum Abendessen geblieben und hat danach entschieden, dass sie und Alice unbedingt einen Filmeabend machen sollten. Mit Liebesfilmen. Heute. Nachdem Alice das durchgestanden hat, lässt sie sich erschöpft aufs Bett fallen. Aber sie ist noch nicht müde. Irgendetwas muss sie noch tun. Also steht sie auf, nimmt sich ihren neuen Trenchcoat und ihre neuen, braunen Lederstiefel und geht spazieren. Die kühle Nachtluft tut ihr gut und sie atmet tief ein. Sie biegt in den Park ein. Er ist kaum beleuchtet und die Bäume werfen schwarze Schatten auf den schmalen Weg. Die Dunkelheit macht Alice schon lange nichts mehr aus. Entspannt setzt sie sich auf eine Parkbank und bleibt dort eine Zeit lang sitzen.
So sieht also ihr neues Leben aus. Es ist erstaunlich einfach. Alexander ist zu beschäftigt, um sich mit ihr zu beschäftigen. Sie hat Personal und eine „beste Freundin". Vor allem aber hat sie viele Freiheiten. Ihr wird so gut wie nichts vorgeschrieben, sie kann ihre Entscheidungen selber treffen. Es hätte deutlich schlimmer kommen können.
Sie steht auf und macht sich auf den Rückweg. Der Park ist menschenleer. Doch es raschelt ab und zu malim Gebüsch. Alice denkt sich nichts dabei und geht einfach weiter. Sie hat den Ausgang des Parks schon fast erreicht, als sich ihr plötzlich eine Gestalt in den Weg stellt. Alice erkennt die Konturen eines Mannes.
„Na, Süße? Was machst du denn um diese Uhrzeit so ganz allein im dunklen Park?", fragt eine tiefe Stimme, „Hat dir denn niemand gesagt, dass das gefährlich ist, Kleine? So ein schönes Mädchen..." Er kommt langsam auf sie zu.
„Gehen Sie mir aus dem Weg", meint Alice nur und versucht, an dem Mann vorbei zu kommen.Doch dieser stellt sich ihr immer wieder in den Weg. Genervt schaut sie ihn an.
„Es gibt kein Entkommen, Süße", flüstert er. Alice' Herzschlag wird schneller. Adrenalin schießt durch ihre Adern. Blitzschnell tritt sie ihm in die Hoden. Der Mann schreit auf: „Du Schlampe! Du elende Hure!"
„Nein", flüstert Alice, ein kaltes Lächeln auf den Lippen, „Bitte nenn mich: Tod."
Mit diesen Worten beugt sie sich über den überraschten Mann, umfasst mit beiden Händen seinen Hals und drückt zu. Sie hört ein verwirrtes Röcheln. Damit hatte der Perversling nicht gerechnet. Mit einem siegessicheren Lächeln drückt Alice fester zu. Sie genießt das Gefühl des sich wehrenden Mannes unter ihren Händen. Sie genießt ihre Macht. Die Macht über Leben und Tod.
Aber der Mann reißt sich los und drückt Alice zu Boden.
„Das wirst du bereuen, Schlampe", zischt er wütend.
Aber Alice gerät nicht in Panik. Sie zieht heimlich das scharfe Brotmesser aus ihrer Jackentasche.
„Ah", gurgelt der Mann und fasst sich an die Kehle. Alice hat ihm das Messer in den Mund und in den Hals gestochen. Schnell zieht sie es heraus und sticht erneut zu. Der Mann rollt von ihr herunter. Alice setzt sichauf seinen Brustkorb und schlizt seinen Hals auf. In Strömen fließt die dunkelrote Flüssigkeit heraus. Er wehrt sich noch immer, wirdaber in rasender Geschwindigkeit schwächer. Dann sticht sie auf seine Brust ein. Einmal. Zweimal. Dreimal. Das Messer gleitet wie durch Butter immer wieder durch seine Haut, sein Gewebe, sein Herz. Sein kleines, zerbrechliches, bald nicht mehr schlagendes Herz. Sie ist wie in einem Rausch und kann nicht mher aufhören. Sie fühlt sich lebendig und mächtig. Herrscher über Leben und Tod. Und ihre Entscheidung lautet: Tod.
Viel zu schnell ist es vorbei. Das Herz tut seinen letzten Schlag und der röchelnde, gurgelnde, blutige Atem verstummt. Sein Kopf fällt zur Seite, die Augen sind noch leicht geöffnet. Als würde er irgendwo hinschauen. Irgendohin, wo Hilfe für ihn ist. Aber für ihn kommt jede Hilfe zu spät. Als Alice von dem Mann ablässt, ist er nicht mehr als Mensch zu erkennen. Er sieht eher aus wie eine Lasagne. Alice schaut an sich selbst herunter. Der helle Trenchcoat hatte sich mit purpurnem Blut vollgesogen und auch die Lederstiefel sind nicht mehr braun. Sogar im Gesicht und in den Haaren hat sie Blutspritzer. Kalt lächelt sie während sie ihr grausiges Werk betrachtet.
„Es ist wunterschön", haucht sie und macht sich auf den Rückweg.

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Rising Evil
Misterio / Suspenso„Böse Menschen werden nicht geboren. Sie werden geschaffen." Alice ist zwanzig Jahre alt. Bis sie sechs war, hatte sie eine normale Kindheit. Dann sind ihre Eltern verrückt geworden. Sie kontrollierten ihr ganzes Leben, bis sie sechzehn war. Machte...