Kapitel 27

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Als die ersten einsamen Sonnenstrahlen ihren Weg durch das kleine Fenster fanden, beobachtete Mirel wie das Sonnenlicht sanft Camillas Gesicht streichelte.

Einzelne Strähnen ihres schokoladenbraunen Haares fielen über ihren zarten Hals und ihr Gesicht und kitzelten sie an der Nase.

Ihre Lider flackerten. Noch im Schlaf versunken, rümpfte sie die Nase und versuchte das störende Haar zu entfernen.

Sanft strich er das Haar mit einem Finger beiseite.

Sie bewegte sich in seinen Armen und er konnte spüren, wie sie langsam aus dem Schlaf erwachte.

Als sie so in seinen Armen lag, ihm in die Augen sah und ein verschlafenes "Guten Morgen" hervorbrachte, hätte der Augenblick nicht romantischer sein können.

Doch schon im nächsten Moment weiteten sich ihre Augen und entsetzt schlug sie mit ihren kleinen Fäusten nach ihm. "Hey was soll das? Nimm gefälligst deine Finger von mir."

Ohne ein Wort stieg er aus dem Bett. Mit einem kräftigen Ruck zog er an seinem Umhang, in den Camilla sich zum Schutz gegen die Kälte eingewickelt hatte.

Er zog so heftig daran, dass sie überrascht aufschrie und mit geweiteten Augen vom Bett fiel.

Er erwartet eine Predigt, stattdessen hörte er wie ihr helles lachen den Raum erfüllte.

Unwillkürlich musste er mitlachen.

Doch schon im nächsten Moment setzte er wieder seine gleichgültige, unnahbare Mine auf und wandte sich von ihr ab und konnte geradezu spüren wie sich der verwirrte Blick, den sie ihm hinterher warf, in seinen Schädel einbrannte.

Obwohl er wusste, dass aus ihren Worten reiner Trotz gesprochen hatte, hatten sie ihn dennoch an seine Pflichten erinnert.

Er durfte sich nicht vom Wesentlichen ablenken lassen, nicht durch sie. Vor allem nicht durch sie.

Übel gelaunt warf er sich seinen Rucksack über die Schulter und verbarg seine Gestalt in seinem Umhang. Als er sich noch einmal zu Camilla umdrehte, die noch immer verwirrt auf dem Boden saß, war ihm der Stoff bereits tief in sein Gesicht gerutscht und warf dunkle Schatten darauf.

"Ich werde jetzt gehen um Frühstück zu besorgen."

Mit einem Blick auf ihr dünnes Sommerkleid ergänzte er, "und etwas Vernünftiges zum Anziehen bringe ich dir auch mit."

Binnen Sekunden war er durch die Tür verschwunden, alles war so schnell gegangen, dass Camilla keine Zeit hatte den plötzlichen Wechsel seiner Stimmung zu verstehen.

Erneut war sie dazu verdammt einen weiteren Tag alleine in diesem Loch zu verbringen. Abgeschnitten von jeglicher Zivilisation, in Dunkelheit und Kälte, mit nichts zu tun als auf die Rückkehr eines Kerls zu warten, der sie hier festhielt und ganz offensichtlich unter Stimmungsschwankungen litt.

Ob ihr Vater sie vermisste? Ob er Mirels falschem Brief tatsächlich Glauben schenkte? Oder hatte er bereits mit der Suche nach ihr begonnen?

Vielleicht war in eben diesem Moment die Polizei in der ganzen Stadt auf der Suche nach ihr. Wenn sie nur laut genug rief. Aber nein.

Sie kannte ihren Vater gut, gut genug um zu wissen, dass er den Brief für echt halten und sich nicht weiter um sie sorgen würde. Zwar wusste sie, dass er sie liebte, jedoch hatte er trotz allem immer eine gewisse Distanz zu ihr bewahrt.

Nie zuvor waren sie einander so nahe und so offen gewesen, wie in der Nacht ihres Geburtstages und sie erwartete auch nicht, dass er jemals wieder so sein würde. Eine tiefe, schmerzliche Trauer überkam sie, als sie an Señor Rosenthal dachte. Er war für sie wie ein zweiter Vater gewesen. Still und heimlich hatte er über sie gewacht. Und was hatte sie für ihn getan? Nicht einmal auf seinem letzten Weg hatte sie ihn begleiten können, nicht einmal Blumen hatte sie auf sein Grab legen können, nicht einmal ein Gebet für ihn an den Himmel richten können.

Daughter of Ash and Flames Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt